1 1 Beiträge zur Geschichte der Finanzverwaltung Von Alfons Dopsch. II. Die Organisation der landesfürstlichen Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung der österreichischen Landesfürsten in der älteren Zeit lässt in ihrer Organisation deutlich die einzelnen Quellen noch unterscheiden, auf welchen die Finanzen derselben beruhten. Die Einnahmen gliedern sich bei der verschiedenen Form, in welcher sie ihnen zuflossen, ihrem rechtlichen Charakter nach wesentlich in zwei grosse Gruppen. Es sind einmal solche, die der Herzog als Grossgrundbesitzer von dem in seinem Besitze befindlichen liegenden Gute (Grund und Boden) empfieng. Mit diesen vereint er andererseits jene, welche ihm als Landesfürsten zukamen: die Erträgnisse aus den Regalien (Gericht, Mauth und Zoll, Münze und Judenregal, endlich Forst- und Bergregal) und gewisse öffentlich-rechtliche Leistungen. (Marchfutter, Landpfennige und Burgwerk). Eine Mittelstellung könnte vielleicht den Nutzrechten an geistlichem Lehensbesitz, sowie dem Vogtrechte zugewiesen werden, insoferne sie, wenn auch wie jene ersteren auf privatrechtlicher Grundlage ruhend, dem Herzog in diesem Umfang doch vornehmlich wegen seiner Stellung als Landesfürst zutheil wurden. Ueber die Verwaltung der Einnahmen des Landesfürsten gewähren einigen Aufschluss die Einkünfteverzeichnisse, welche dieselben anlegen 1) Vgl. diese Zschr. 14, 449 ff. liessen. Für Oesterreich liegen uns davon aus dem 13. Jahrhunderte noch zwei vor: eines der Zeit Otakars zugehörig, das andere aus jener Albrechts I. von Habsburg. Die gemeinsame Grundlage beider, ein älteres Urbar aus der Zeit der beiden letzten Babenberger, ist uns sicher bezeugt, leider aber nicht mehr selbst erhalten 1). Vermöge ihres urbarialen Charakters unterrichten sie uns besonders über die landesfürstliche Domänenverwaltung. Diese erscheint nach ihnen derart organisiert, dass der Grundbesitz des Landesherrn 2) in eine Reihe von Aemtern (officia) eingetheilt war. Sie werden nach dem Ort ihres Sitzes 3), seltener nach ihrem Inhaber 4) benannt. Nach Aemtern werden in diesen Einkünfteverzeichnissen die verschiedenen Abgaben und Dienste an den einzelnen Orten angeführt. Sie stellen also, indem sie die landesfürstlichen Einkünfte mehrerer Orte in sich fassen 5), gleichsam Steuerbezirke, einen Kreis gewisser, eine Verwaltungseinheit ausmachender Pertinenzen dar. Der Umstand aber, dass wiederholt die verschiedenen Einkünfte aus einem solchen Amt am Schlusse der Aufzählung summarisch zusammengefasst werden 6), lässt sie anderseits als Centren der Localverwaltung erscheinen. In diesen Aemtern nun begegnen uns landesfürstliche Amtleute (officiales). Sie waren nicht nur mit der Einhebung der verschiedenen 1 1) Ueber das erstere habe ich in dieser Zeitschr. 14, 449 ff. gehandelt und zu den Einwendungen Erben's ebda. 16, 97 ff. bereits Stellung genommen, ebd. 16, 382 ff. Das zweite Urbar (gedr. Rauch, SS. rer. Austr. 2, 3-113 wurde bisher auch von mir früher - der Zeit König Rudolfs zugewiesen. Dass es in die ersten Jahre der Herrschaft Herzog Albrecht's gehört, werde ich bei anderer Gelegenheit näher begründen. 2) Dazu wurden durchaus auch die reichen Kirchenlehen gerechnet, welche die österreichischen Landesherrn von den benachbarten Hochstiften (Salzburg, Passau, Regensburg und Freising) innehatten. Es erscheinen z. B. die passauischen Lehen, welche wir in dem Bekenntnis Herzog Friedrichs II. von 1241 (Mon. Boica 28a, 154) aufgezählt finden, auch in dem otakarischen Urbar aufgenommen. Aehnliches ist auch in dem Einkünfteverzeichnis aus der Zeit Albrechts (Rationarium Austriae), u. zw. in noch weiterem Umfang zu verfolgen. 3) So in dem otakarischen Einkünfteverzeichnis: o. in Walthersdorf; o. circa Gritshenstain et Mukerawe (Chmel, Notiz. Bl. 5, 335). O. in Rechperch (ebd. 354). O. circa Weidervelde et Pernekke (ebd. 355). 4) Otakarisches Urbar: o. Rudlonis in Gevelle (ebd. 355). Urbar Albrechts: o. Ottonis de Celle (Rauch. a. a. 0. 37). 5) Urbar Otakars: unter der Ueberschrift: o. [ad] S. Petrum (ebd. 403). Urbar Albrechts: redditus in o. Rechperge (Rauch a. a. O. 21); redditus in o. Lengenpach (ebd. 22). 6) Otakar. Urbar: summa in hoc officio (Rez) (Chmel a. a. O. 336) oder summa huius officii (ebd. 355). Abgaben betraut 1), sondern zugleich auch angewiesen, für die Wahrung des Besitzstandes und der Rechte des Landesfürsten Sorge zu tragen 2). Für ihre Dienstleistung wurden ihnen als Entlohnung von amtswegen (ratione officii) gewisse Einkünfte zugewiesen: sei es der Nutzgenuss an bestimmten Besitzungen 3), sei es ein Antheil an den zu leistenden Abgaben selbst (ius officialis) 4). Ein Unterschied zwischen den einzelnen Amtleuten (officiales) wird in diesen Quellen nicht gemacht, sodass aus ihnen nicht auf die Unterordnung des einen unter den andern, nicht etwa auf eine Centralisierung dieser Aemter (oder mehrerer von ihnen) unter einem gemeinsamen Oberamte geschlossen werden kann. Aehnlich wie bei der Domänenverwaltung treten uns auch bei jener der Regalien „Aemter" (officia) entgegen, und zwar wird diese Bezeichnung sowohl für dieselben im einzelnen als in ihrer Gesammtheit verwendet 5). Im Gericht übte der Landesherr in jener früheren Zeit noch vielfach selbst (in den Landtaidingen) die höhere Gerichtsbarkeit aus. Doch erscheint auch bereits ein Richter „an seiner Statt" 6). Auf dem flachen Lande finden wir wiederholt iudices provinciales, die gewöhnlich mit dem Namen ihres Bezirkes bezeichnet werden. Ihnen war die Landgerichtsbarkeit vom Landesherrn für ein bestimmtes Gebiet geliehen 7). 1) Dies erhellt aus der ganz allgemein zutage tretenden Erscheinung, dass in den landesfürslichen Privilegien, durch welche Befreiung von der Abgabenleistung ertheilt wird, die Bestimmung sich findet, kein Amtmann (officialis) solle fürderhin Abgaben erheben oder Leistungen fordern. 2) Da Herzog Leopold VI. dem Kloster Victring für dessen Grundbesitz in der Mark Abgabenfreiheit gewährt, setzt er zugleich fest: quod per iudices et defensores nostros sine omni exactione tamquam predia nostra fideliter debeant defensari. Meiller, B[abenberger] R[egesten] 86 no 27. Vgl. auch die Urk. Herzog Friedrichs II. für Waldhausen von 1240 ebd. 160 no 53. ... 3) Vgl. das otakarische Urbar: In Probstorf.. ibiden beneficium quod spectat ad officialem ratione officii (a. a. O. 333) oder: ibidem area una spectat ad officialem (ebd. 334); oder: redditus in Widen item dimidium beneficium habet officialis (ebd. 353). ... ex hiis pertinet unus 4) Urbar Albrechts: De Chamersperch...solventes ad officialem; item solvunt et quinque modii cedunt officiali (a. a. Ο. 98). 5) Wir hören ca. 1196 von einem, officium monetae' (Mon. Boica 4,86); im Urbar Albrechts aber werden als,officia magna bezeichnet: moneta, mute et iudicia civitatum (Rauch a. a. O. 3). 6) Oesterr. Landesrecht (ältere Fassung von 1236/7) bei Hasenöhrl, österr. Landesrecht im 13. und 14. Jahrhunderte Art. 70. 7) Vgl. Hasenöhrl a. a. O. 166 u. Brunner, Das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger Sitz. Ber. der Wiener Akad. 47, 363. N. 1. Ausserdem kommen hier noch die Richter in den landesfürstlichen Städten in Betracht, vom Landesherrn schlechthin als iudices nostri in N. genannt. Für die Münze war neben dem Kämmerer bereits auch ein besonderer Münzmeister (magister monetae) bestellt 1). Aber auch die Verwaltung von Zoll und Mauth, wie jene des Forst- und Bergregales 2) weist besondere Amtleute (officiales) des Landesherrn auf. Sie werden in ersterem Falle als mutarii und thelonearii 3), im zweiten als forestarii oder magistri silve 4) bezeichnet. All' diese Amtleute nun sind ähnlich wie jene bei der Domänenverwaltung als niedere Verwaltungsorgane zu betrachten, die mit der Aufsicht über die Regalien des Landesherrn beauftragt, zugleich wie jene die aus denselben sich ergebenden Einkünfte vereinnahmten. auch An den landesfürstlichen Richter sind in den Städten nach den Bestimmungen der herzoglichen Stadtrechtsurkunden, die für Verbrechen und Gesetzesverletzung zu bezahlenden Wandel- und Sühnegelder ebenso zu entrichten 5), wie an den iudex provincialis auf dem flachen Lande die dem Landesherrn vermöge seiner Gerichtsoberherrlichkeit zukommenden Abgaben. Dem entspricht, dass im Falle der Landesherr Befreiung von dieser Gerichtsbarkeit gewährt, in dem betreffenden Immunitätsprivileg dem landesfürstlichen Richter nicht nur die Ausübung der Gerichtsbarkeit untersagt, sondern insbesonders auch hervorgehoben wird, dass derselbe fürderhin keine Abgaben erheben solle 6). Auch sonst erscheinen die Richter des Landesherrn in ausserordentlichen Fällen berufen, Gelder entgegenzunehmen, die an jenen zu zahlen waren 7). Was ferner Mauth und Zoll betrifft, so war es in der Natur der Sache gelegen, dass die Mauthner und Zöllner des Landesfürsten die betreffenden Abgaben da einhoben. An sie werden denn auch bei Verleihung von Mauth- und Zollfreiheit die entsprechenden Mandate gerichtet, zu Gunsten des also Bevorrechteten von der Erhebung der Mauth- und Zollgebüren abzustehen 1). 1) Vgl. die Urk. Herzog Leopold's VI. für die Flandrer vom Jahre 1208 A[usgewählte] U[rkunden z[ur] V[erfassungsgesch.] der deutsch-österr. Erblande von Schwind u. Dopsch n° 23. 2) Urk. desselb. für Geirach von 1227 bei Zahn, Steir. UB. 2, 335. 3) Urk. dess. für das Regensburger Bisthum von 1224 Ried, cod. dipl. Ratisp. 1, 340 u. Hz. Friedr. 2. für Reichersberg von 1240 O(ber) Oe[sterr.] UB. 3, 84. 4) Hg. Leopold für Garsten von 1213 OOe. UB. 2, 573. 5) Vgl. die Urkk. Herzog Leopold's VI. für Enns von 1212) AUzVG no 26, oder dess. für Wien (1221) Tomaschek, Rechte u. Freiheiten der Stadt Wien (WR) 1, 8. 6) Eine wiederkehrende Formel in solchen Privilegien lautet: decernimus, ut nulli liceat in possessionibus iurisdictionem usurpare vel solutiones, quas indices et advocati exigunt, expetere. Vgl. Brunner a. a. O. 350 An. 1 u. 349 Ν. 2. 7) So bestimmt Herzog Leopold VI. 1222, dass die ihm von Passau schuldigen Geldsummen: iudici suo in Anaso seu notario eius in Wienna abgeführt werden sollten Mon. Boica 29b, 236. Aehnlich verhielt es sich schliesslich auch beim Forst- und Bergregal. Die Münze und das Judenregal nehmen insoferne eine besondere Stellung ein, als sie in näherer Abhängigkeit der Kammer des Landesherrn untergeordnet waren. Wir kommen darauf noch in anderem Zusammenhange zurück. Auch bei der Regalienverwaltung fand die Entlohnung der Amtleute in der Weise statt, dass ihnen vom Landesfürsten ein Antheil von den Abgaben selbst gewährt wurde 2). Stellen also die Erträge der Domänen- und Regalienverwaltung jene beiden Gruppen von Einkünften dar, auf welchen die Finanzen des österreichischen Landesherrn vornehmlich beruhten, so verfügte derselbe gleichwohl noch ausserdem bereits in jener älteren Zeit über eine Reihe weiterer nutzbarer Rechte. Sie sind ihrem Charakter nach verschieden, ja nach ihrem Ursprung, dem Rechtstitel, aus welchem sie abgeleitet waren. Es sind zunächst das sogenannte Marchfutter, dann der Landgerichtsdienst und das Burgwerk. Sie stellen in ihrer häufigen Wiederkehr so recht den Umfang der öffentlichen Leistungen im Oesterreich der älteren Zeit dar. Noch erscheint damals in königlichen Urkunden hervorgehoben, dass der österreichische Landesherr diese Rechte vom Reiche zu Lehen besitze 3). Besonders oft treten die beiden ersteren (Marchfutter u. Landgerichtsdienst) hervor. 1) Vgl. aus der grossen Menge solcher Fälle z. B. die Urk. Herz. Leopolds VI. für Heiligenkreuz Font.) R(er.) A(ustr.) (II.) 11, 56 (1219), oder Herz. Friedrichs II. für Reichersterg (1240) OOe. UB. 3, 80. 2) So bestimmt Herz. Leopold VI., da er dem Kloster Raitenhaslach Mauthfreiheit verleiht: mutariis interdicimus omnem exactionem preter ius suum, quod sunt XII denarii Mon. Boica 3, 121. Vgl. auch die Bestätigung dieses Privilegs durch Herz. Friedrich II. von 1240 ebd. 136 (excepto iure mutariorum). 3) Vgl. die Urk. Kaiser Friedrich's I. von 1189 für Freising FRA 31, 121: dux videlicet Austrie Leopaldus eiusque filius Fridericus nomine omnem maiestati nostre resignassent iusticiam, quam per dominicalia Frisingensis episcopii quondam ab imperio possederant in Austria, id est marhreht et lantgerihte et burwerch, que specialiter ad usus eorum respiciebant und ebenso die Urk. Kg. Friedrichs II. für Lilienfeld von 1217 Meiller BR. 121 no 147. Vgl. auch Brunner a. a. O. 329 f. u. 346. f. |