SO „pro filio suo" (und demnächst „pro fratre suo") veranlasst worden, dem Grunde dieser Schenkungen nachzufragen. Seine Annahme, dass es sich hier in der Regel.um Söhne und jüngere Brüder handle, die ins Kloster eintreten (vgl. auch §§ 425. 429), erhielt die schönste Bestätigung durch einen Vergleich dieser filii und fratres mit dem „Catalogus abbatum et fratrum Corbeiensium", den Jaffé, Monumenta Corbeiensia S. 66 ff. herausgegeben hat. Die Gegenüberstellung auf S. 5 ff. hat das wunderhübsche Doppelresultat ergeben 1), dass sowohl das Traditionsregister der verglichenen Partie wie die Matrikel will ich den „Catalogus" kurzweg nennen nach der Zeitfolge geordnet sind. Ist so die allgemeine und die relative Chronologie festgestellt, so fehlt es doch nach wie vor fast ganz an festen Daten, ja Meyer selbst hat sich in diesem Puncte den Weg der Erkenntnis versperrt durch die voreilige Behauptung (S. 9), dass die Tradition zwar bei der Uebergabe des Knaben an das Kloster erfolgt sei, die Eintragung in die Matrikel hingegen erst bei der Aufnahme in den Convent. Die erste Hälfte dieses Satzes mag im allgemeinen zutreffen, obwohl man gut thun wird, auch andere Möglichkeiten im Auge zu behalten: es kann, um nur ein Beispiel herauszugreifen, eine Tradition ,,pro fratre" sehr wohl erfolgt sein, nachdem der ältere Bruder durch den Tod des Vaters, der seinerseits bei der Oblation des jüngern Sohnes cine Schenkung unterlassen hatte, Familienhaupt geworden ist. Dass der zweite Satz direct falsch ist, will ich sofort erweisen. Die „Annales Corbeienses" (bei Jaffé S. 33 ff.), eine Quelle, die man merkwürdigerweise für die Kritik der Traditionen noch gar nicht verwertet hat, melden z. J. 978 (Jaffé S. 36): Hoc anno obierunt tres infantes: Avo, Mainwercus, Weluth. Natürlich handelt es sich um ,,infantes monasterii", will sagen „oblati"; s. Ducange s. vv. „infans" und „oblatus". Aber diese „infantes" stehen da, wo wir sie suchen dürfen, unter Abt Liudolf in der Matrikel (Jaffé S. 69): Weluth2), —, Avo, -, Mainwercus! Unter 31 Eintragungen, die in der Zeit vom März 965 bis zum August 983 erfolgt sind, nehmen sie die 16., 18. und 20. Stelle ein. Bei gleichmässiger Vertheilung der Eingetretenen auf die einzelnen Jahre eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, die natürlich nur sehr bedingten Werth hat! würden wir ihre Uebergabe an das Kloster in die Jahre 974-976 setzen. Wenn wir nun weiter im Traditionsregister finden, dass für diese drei Knaben, die im J. 978 einer im Kloster herrschenden Kinderepidemie zum Opfer gefallen sind, in der gleichen Reihenfolge, wie sie die Matrikel aufführt, von den Vätern Schenkungen an das Kloster gemacht wurden, § 57 Tradidit Thiatmarus pro f. suo Welut etc. 1) Es würde noch schärfer hervortreten, wenn M. Meyer, dem die alte Sprache offenbar eine terra incognita ist, auf gewisse schlechthin unmögliche Gleichsetzungen, wie Odila-Adaloldus, ganz verzichtet hätte, 2) Verlesen als Wduth. § 60 Tradidit Gherwihc pro fi. suo Auone etc. § 68 Tradidit Folcbert pro se et pro uxore sua Gherberch et pro fi. suis Maynwarco et Thiadrico 1) etc., so habeu wir für diese Nummern des jüngern Traditionsregisters einen chronologischen Anhaltspunct, wie er fester noch nicht gefunden worden ist: sie sind vor 978, aber nur wenige Jahre anzusetzen! Diese Datierung steht unbedingt fest, und wenn andere dazu nicht stimmen, so muss entweder die bisherige Deutung falsch oder die Zeitfolge gelegentlich durch eine Umstellung oder eine Einschiebung gestört sein. Das letzte trifft in der That zu für die Schenkung, welche Dürre und Meyer als ein fester Stützpunct erschienen ist und den letztern geradezu veranlasst hat, die Traditionen „pro filio" durchgehends ca. 18 Jahre hinter das Auftreten in der Matrikel zurückzudatieren: § 139. Der Hauptinhalt dieses §2) berichtet ausführlich von einer grossen Schenkung des Erp pro se et coniuge sua Amulred et pro filiis suis Walthardo et Ludolfo 3). Daran schliesst sich unmittelbar der Zusatz: Insuper tradidit Walthardus, presente abbate Gerberno, pro se et coniuge sua Windilswith, et filio suo Recheri in Hemscendu quatuor familias. Das Insuper findet sich nur hier, und das presente abbate Gerberno fällt ganz aus dem Stil des Registers heraus: der Verfasser muss einen besondern Anlass gehabt haben, die Datierung nach dem Abte einzuführen; diesen Anlass sehe ich darin, dass er hier, durch den Namen „Walthard" veranlasst, eine Notiz einschob, der eigentlich eine andere Stelle zukam, sei es nun, dass er sie vom richtigen Platze fortnahm, oder ohne feste Einordnung vorfand. Er fasste offenbar den Walthardus seiner Zusatznotiz als den „filius Walthardus" des § 139 aber ist es nicht an sich wunderbar, dass zunächst der Vater für sich, seine Frau und seine beiden Söhne, und dann (,,insuper") einer dieser Söhne wieder für sich, Frau und Sohn tradiert? Das mögen bessere Kenner dieser Verhältnisse entscheiden. Das Urtheil, dass diese Notiz aus der Zeit des Abtes Gerbern (948-965), 70 bis 80 Nummern hinter den auf die Zeit „kurz vor 978" festgelegten Traditionen 57. 60. 68 nicht an ihrem rechten Platze steht, ist unanfechtbar und wird obendrein bald eine weitere Bestätigung erfahren. 1) Dieser Thiadricus ist wahrscheinlich der an 22. Stelle der Matrikel dicht hinter Mainwercus stehende Thadricus. 2) Ueber die Willkürlichkeit der Paragrapheneintheilung (Falkes und) Wigands s. u. S. 36. 3) Diese Schenkung ist nicht bei Gelegenheit einer Oblation erfolgt! Wie weit reichen die Traditionen dieses jüngern Registers II (1-224) zurück? Meyer beginnt seine Gegenüberstellung der Oblationsschenkungen und der Matrikel erst mit § 27, was ich mir nur aus seiner Unsicherheit gegenüber den Namenformen erklären kann. Es finden sich nämlich unter den voraustehenden 26 §§ noch 8 ausdrückliche Traditionen „pro filio": dabei bleibt viermal (§ 4o. § 13. § 14. 14d) der Sohn ohne Namen, von den vier namhaft gemachten filii lassen sich drei mit wünschenswertester Sicherheit in der Matrikel noch unter Abt Liudolf wiederfinden. § 11 Tradidit Hosed pro filio suo Ha- Matrikel: So sind wir mit § 11 der Traditionen bis zu Nr. 3 der Matrikel unter Liudolf vorgedrungen, und wenn unter diesem Abte, wie wir oben sahen, die,infantes' Welut, Auo, Mainwerc bei der Oblation „immatriculiert" wurden, so wird es mit den Knaben Hathold und Wega nicht anders gewesen sein: die Traditionen fallen also mit der Eintragung zeitlich zusammen, die §§ 11 und 12 gehören mithin in eines der ersten Jahre Liudolfs. Für den einen noch übrig bleibenden filius, den Volcmarus in § 2, ist in der Matrikel des Liudolf kein Platz mehr zu finden, wir müssten um 15 Nummern zurückgreifen, um einen Folcmarus mitten aus der Matrikel unter Gerbern herauszuholen; es wird sich also hier wie bei einer grossen Anzahl der Traditionen pro filio gar nicht um eine Oblationsschenkung handeln. Bis zu den ersten Jahren Abt Liudolfs sind wir gelangt, und nichts steht im Wege, die zehn ersten Traditionen, für die sich kein Anhalt fand, auch noch dem Beginne seines Abbats zuzuweisen. 1) Wigand las, Weganj familiam'; Wegan ist der Acc. zu Wega, und dieses die unserem Register ganz geläufige dialectische Nebenform für Wego. Das Register II (§§ 1-224 bei Wigand) reicht also nur bis zum Jahre 965 hinauf. Und nun verstehen wir auch erst richtig jenes auffällige und völlig isolierte „presente abbate Gerberno" im Zusatz zu § 139: der Urheber des Registers hat hier eine Tradition untergebracht, die gänzlich ausserhalb des von ihm umspannten Zeitraumes lag. Am Schlusse des Registers II steht bekanntlich in § 224 das einzige datierte Stück: es ist vom J. 1037. Das nächstliegende schien, die Reihe der Traditionen, nachdem ihre chronologische Anordnung erkannt war, ohne weiteres bis dahin auszudehnen: das hat denn auch Dürre gethan. Andererseits hebt sich diese Urkunde über die Schenkung der Kirche zu Bocla sowohl durch den Gegenstand, wie durch die Form so von den vorangehenden Traditionsregesten ab, dass man mit der Möglichkeit rechnen muss, es sei ein später, mehr zufälliger Nachtrag, der so wenig zeitlich mit den vorausgehenden zusammenhängen müsse, wie er inhaltlich und formell dazu passt. Diese Erwägung hat M. Meyer angestellt, und sie war ihm erwünscht, weil er die so glücklich aufgefundenen Oblationsschenkungen immer um ca. 18 Jahre hinter das Auftauchen des entsprechenden, filius' in der Matrikel zurückverlegte. Wir haben dies Gewaltmittel nicht mehr nöthig, nachdem wir mindestens für die Zeit des Abtes Liudolf die Eintragung der,infantes' unwiderleglich nachgewiesen haben. Sehen wir uns nun auch die letzten „traditiones pro filio“ näher an (vgl. Meyer S. 8), so ist sofort ersichtlich, dass sich eine ganze Reihe von Namen (darunter einzelne, die weder in der Matrikel noch in den Traditionen ein zweites Mal vorkommen) im Catalogus fratrum unter Druthmar (1014-1046) finden, jenem Abte also, unter dem auch im J. 1037 die Schenkung der Boclaer Kirche erfolgt ist. Freilich stossen wir hier, und nur hier, auf die Thatsache, dass die innere Chronologie der Traditionen sich nicht deckt mit der Anordnung der Matrikel. Hier ist zweierlei möglich: entweder die Traditionsnotizen sind in Unordnung gerathen, oder aber die Matrikel ist nicht regelmässig geführt und nachträglich nach Gutdünken vervollständigt worden. Ueber die wirkliche Identität kann ein Zweifel kaum aufkommen im Angesicht solcher Confrontierungen wie der nachfolgenden: § 216 Tradidit Arnald pro fratre suo Matrikel: Man beachte, dass hier in 5 aufeinanderfolgenden Traditionen 5 von den 6 ersten Namen der Matrikel unter Druthmar vorkommen. Oder aber § 209 Tradidit Hogerus pro filio suo Christofero. § 211 Tradidit Heppid pro propinquo Christoforus Nr. 10. Rukgerus Nr. 11. Es bleiben nun noch drei,filii' übrig; von ihnen scheint Reginmarus § 221 kein oblatus zu sein, die beiden andern setzen wir mit einem Fragezeichen an: § 220 Tradidit Werinand pro Conradus Nr. 8 (oder Nr. 31?) Folmarus Nr. 12? Man sieht, wir brauchen nicht über Nr. 12, das knappe erste Drittel der Liste unter Druthmar (38 Nrr.), herabzugehen, und da Abt Druthmar von 1014-1046 auf dem Abtstuhl gesessen hat, so würde uns die Wahrscheinlichkeitsrechnung etwa auf das Jahr 1024/25 führen. Aber sowohl die Anordnung der Liste wie die Identificierung einiger Namen bleibt unsicher, und so mag ich die Ansicht nicht bekämpfen, die an sich die ungezwungenere ist: das Register II führe die Reihe der Traditionen bis zu dem Puncte, wo, offenbar zur Zeit des Urhebers, mit der reichen Osnabrücker Schenkung von 1037 (Bocla) ein glänzender Abschluss gegeben war. Innerhalb dieses Zeitraums 965-1037 hatte ich vorläufig als festen Punct nur für die §§ 57. 60. 68 die Zeit nicht lange vor 978 anerkannt; wir sind aber nunmehr, nachdem wir Meyers Irrthum bezüglich der Eintragung in die Matrikel beseitigt haben, in der Lage, seine schöne Beobachtung ganz anders auszunutzen. Wenn wir die beiden Namen Bernharius und Heremannus, die den Schluss der Liste unter Liudolf bilden, in den Traditionen von § 95a (pro filio Hermanno) und § 95b (pro filio Bernhario) wiederfinden, so können wir mindestens für die Praxis unter Liudolf behaupten: im J. 983 (rund) 1) Aber auch Nr. 34. |