Kirchliche Angelegenheiten in Oesterreich Archivalische Mittheilungen. Von Adolf Beer. Den Abschluss des Concordates vom 18. August 1855 begrüsste Metternich mit Freude. Durch die Unterzeichnung desselben war seiner Ansicht nach der Geburtstag des Kaisers auf eine ebenso würdige als höchst bedeutungsvolle Weise gefeiert worden. Er rühmte sich, dass er nach Herstellung des Friedens „seine Blicke auf die Nachwehen der Josephinischen Gesetzgebung im Gebiete der Kirche" gewendet habe, leider aber mit seinen Ansichten nicht durchdringen konnte, obgleich die persönlichen Gesinnungen des Kaisers Franz der Beseitigung der seit der Regierungsperiode Josephs II. bestehenden Zustände aus religiösen und politischen Gründen zugewendet waren. Die Beamtenwelt, ja auch der Clerus habe Widerstand geleistet, von febronianischen Lehren erfüllt 1). Ganz zutreffend sind diese Aufzeichnungen nicht. In den nachgelassenen Schriften sind wohl einige Stücke aufgenommen, welche aber nicht in vollständig klarer Weise die Bestrebungen Metternichs und die Stellung der massgebenden Kreise zu den kirchlichen Fragen aufhellen. Bei dem unmittelbar nach dem Abschlusse des Concordates niedergeschriebenen Aufsatze lagen Metternich die Schriftstücke aus den Jahren 1816 bis 1820 nicht vor und er scheint sich lediglich auf sein Gedächtnis verlassen zu laben, um den Beweis zu erbringen, dass er bereits vor Jahrzehnten die Nothwendigkeit einer Vereinbarung mit Rom erkannt habe. Ein in dem III. Bande der nachgelassenen Schriften abgedruckter Vortrag gibt Kunde von seinen auf den Abschluss eines deutschen Concordates gerichteten Bestrebungen, beeinflusst durch den Bischof von Constanz Wessenberg. Ueber seine Absichten hinsichtlich der Regelung der kirchlichen Verhältnisse in Oesterreich waren wir bisher nicht unterrichtet, die hier gebotenen Mittheilungen dürften daher nicht ohne Interesse sein. 1) Nachgelassene Schriften, Band III., S. 7. I. Nach Herstellung des Friedens traten an die Regierung bedeutsame kirchliche Fragen heran, deren Regelung dringend war. In den neu erworbenen Provinzen mussten erledigte Bischofstühle besetzt, eine Neueintheilung der Diöcesen vorgenommen, ferner die Gesetzgebung in Eheangelegenheiten in Uebereinstimmung mit jener der alten Länder, wo kurz zuvor das bürgerliche Gesetzbuch zum Abschlusse gelangt war, gebracht werden. In Folge der Ernennung einiger Bischöfe für die lombardischvenetianischen Gebiete 1) brachte das Gubernium von Venedig die Bedenken zur Sprache, wenn die Bischöfe, um geprüft, präconisiert, instruiert und consecriert zu werden, sich gegen den Gebrauch deutscher Bischöfe und abweichend von dem, was unter der früheren Regierung in Italien üblich gewesen sei, nach Rom begeben würden. Früher sei dies der Fall gewesen, allein im Jahre 1806 hätte Napoleon einige Bischöfe ernannt und durch Decret vom 7. Juni allen neuernannten Bischöfen und Erzbischöfen verboten, ohne ausdrückliche Erlaubnis ausser Landes zu gehen; die für die canonischen Institutionsbullen zu entrichtenden Taxen wurden auf den vierten Theil der Einkünfte herabgesetzt. Rom erhob keinen Widerspruch. Jedem confirmierten Bischofe wurde in den päpstlichen Bullen die Erlaubnis beigefügt, sich von irgend einem katholischen Bischofe consecrieren zu lassen. In der That hatten auch die Bischöfe in Mailand die Consecration erhalten. Der Präsident der Central-Organisierungs-Commission Graf Lazansky brachte diese Thatsachen zur Kenntnis des Kaisers und bemerkte in seinem Gutachten, dass an diesem Gebrauche auch österreichischerseits festzuhalten sei. Die ältere Kirche, heisst es in dem Vortrage, habe diese Gewohnheit nicht gekannt: nachdem sie sodann durch längere Zeit bestanden, sei sie abgekommen; sie müsste wieder eingeführt werden, was in keiner Rücksicht rathsam sei. Die Reise nach Rom koste viel Geld, falle den Bischöfen bei ihren kärglichen Einkünften schwer und entziehe bedeutsame Summen der Circulation. Der ernannte Prälat könnte durch mancherlei Zumuthungen der römischen Curie in bedenkliche Collisionen zwischen dem, was er dem Oberhaupte der Kirche und was er seinem bischöflichen Charakter und den mit demselben verbundenen Rechten und Pflichten und noch mehr, was er dem Kaiser als Unterthan schuldig sei, versetzt werden. Wenn man auch den Männern, welche der Kaiser zu Bischöfen ernennt, das Vertrauen schenken und ihnen Einsicht und Standhaftigkeit zumuthen könne, dass sie sich durch keinerlei Insinuation von ihren Pflichten werden abwendig machen und sich lieber allerlei Zögerungen und unfreundliche Begegnung werden gefallen lassen, so scheine es doch nicht rathsam, sie unnöthiger Weise auf die Probe zu stellen. Es sollte daher an den heil. Vater das Ansinnen gestellt werden, dieselbe Willfährigkeit jetzt und in allen Fällen künftig zu bekunden; die Sache sei so einzuleiten, dass derlei Ansuchen nicht von Fall zu Fall erneuert werden müssen, da man sonst Gefahr laufen könnte, einmal eine abschlägige Antwort zu erhalten. 1) Der Kaiser ernannte den Bischof von Vigevano Millesi zum Patriarchen von Venedig, den Bischof von Chioggia Peruzzi zum Bischof von Vicenza, den Capitularvicar von Belluno Zuppani zum Bischof von Belluno, den Pfarrer Lodi zum Bischof von Chioggia. Der Kaiser genehmigte die Anträge, trug dem Grafen Lazansky auf, sich hienach zu benehmen und die bereits ernannten Bischöfe des venetianischen Gouvernements zu instruieren 1). Der Kaiser erliess gleichzeitig ein Cabinetsschreiben vom 27. Februar 1816 an Metternich, mit der Weisung, dass das Decret der vormaligen italienischen Regierung vom 7. Juni 1806, welches den neuernannten Bischöfen des Königreiches Italien verbot, sich ohne Erlaubnis der Regierung ausser Landes zu begeben, als fortan geltend betrachtet werde und daher die von dem Kaiser bereits ernannten oder künftig zu ernennenden Erzbischöfe und Bischöfe des lombardisch-venetianischen Königreiches nicht nach Rom gehen sollen, um die canonische Einsetzung in ihr Amt zu erlangen; auf der Forderung, sich von wem immer für einen katholischen Bischof consecrieren zu lassen, soll nachdrücklich bestanden und von dem heiligen Vater verlangt werden, dass er, was er im Jahre 1807 auf Verlangen der vorigen italienischen Regierung gethan, auch jetzt und in künftig gleichen Fällen zu thun keinen Anstand nehmen werde. Diesem Befehl wurde noch hinzugefügt, dass der Kaiser nicht gewillt sei, vou den lombardisch 1) Vortrag vom 23. Hornung 1816, die kaiserl. Entschliessung Mailand, 27. Hornung 1816. 11 venetianischen Bischöfen für die Ausfertigung der päpstlischen Bestätigungsbullen an Taxen mehr als was von Napoleon angesprochen worden war, das ist den vierten Theil ihrer Einkünfte, bezahlen zu lassen. Diesem Auftrage entsprach Metternich durch eine Weisung an den Gesandten in Rom, und gieng dabei von dem Gesichtspunkte aus, dass bei dem ersten zu machenden Schritte sorgfältig Alles vermieden werden müsse, was irgend einen Zweifel an den bereitwilligen Gesinnungen Sr. Heiligkeit verrathen könnte. Lebzeltern habe sich daher vor der Hand in keine weitere Discussion einzulassen und sich darauf zu beschränken, das in Erfahrung Gebrachte zu berichten, damit sodann mit der grössten Umsicht weitere Weisungen nach Umständen ertheilt werden können. Der Minister rechtfertigte diese Weisung in einem Vertrage an den Kaiser mit folgenden Erwägungen. Erstens, um durchaus das Ansehen zu haben, als ob nicht einmal die Möglichkeit vorausgesetzt werde, dass der heil. Vater gegen den Kaiser minder gefällig als gegen die vorige Regierung sein könnte, die Gesandtschaft in Rom im ersten Augenblicke einer Beanstandung mit keiner Weisung für einen solchen ganz unerwarteten Fall versehen sein müsse; diese könne nur erst dann mit einiger Aussicht auf Erfolg ertheilt werden, wenn man die Einwendungen des päpstlichen Hofes vernommen haben werde. Diese Verhandlung gehöre unter diejenigen, bei welchen die Klugheit gebiete, freie Hand zu behalten, so lange man des Erfolges nicht sicher sei, weil man wohl nicht zurücktreten könne, ohne sich zu compromittieren; vielleicht könnte das Ziel auf dem vorgeschlagenen Wege ohne Gehässigkeit erreicht werden, und wenn dies auch nicht der Fall wäre, werde es noch immer an der Zeit sein, eine bestimmtere und ernstere Sprache über die Willensmeinung des Kaisers zu führen. Der päpstliche Hof habe von jeher über die Lehre und das Benehmen der italienischen Bischöfe mit ungleich grösserer Eifersucht als über die ultramontanischen Bischöfe gewacht; dies und die geringe Entfernung von Rom waren die Ursache, dass sie in Person dort erscheinen und sich vor ihrer Einsetzung der gewöhnlichen Prüfung unterziehen mussten, um der Einheit und Gleichheit der Lehre der bischöflichen Sitze, welche dem päpstlichen Throne die nächsten sind, desto mehr versichert zu sein. Es werde daher eine um so schwierigere Verhandlung werden, den Papst zur Nachgiebigkeit über diesen Punkt zu bewegen, da dermalen, nachdem Italien durch so lange Zeit unter französischer Oberherrschaft allen Irrlehren eines revolutionären + F Zustandes preisgegeben war, es der Curie dringlicher erscheinen müsse, darauf zu bestehen. Metternich fügte die Bemerkung hinzu, dass Kaiser Josef II., welcher durch das im Jahre 1784 abgeschlossene Concordat in vertraulicher, mit dem Papste Pius VI. persönlich gepflogener Verhandlung so manche Erweiterung der landesherrlichen Befugnisse in ecclesiasticis erwirkt habe, doch so wenig für angemessen befunden habe, auf der Dispensation der neu ernannten lombardischen Bischöfe von der Reise nach Rom zu bestehen; diese Reise sei ihnen vielmehr ausdrücklich zur Pflicht gemacht worden, und dass sonach der päpstliche Hof statt die Berufung auf die Napoleonische Gesetzgebung in ecclesiasticis anzuerkennen, sich höchst wahrscheinlich auf dieses Concordat beziehen werde. Auch sei eine Berufung auf Napoleons Anordnungen in geistlichen Angelegenheiten überhaupt eine so gehässige und der Folgen willen in vielfacher Rücksicht wirklich bedenkliche Sache geworden, dass die Staatskanzlei, wenn der Kaiser wirklich entschlossen sein sollte, es auf eine öffentliche Fehde mit dem päpstlichen Stuhle ankommen zu lassen, vielmehr anrathen würde, die diesseitigen auf Erweiterung der kaiserlichen Gerechtsame in ecclesiasticis abzielenden Anforderungen auf jedem anderen Wege als auf diesem zu stützen, besonders da in dem vorliegenden Falle aus dem Vortrage des Gouverneurs Grafen von Saurau an den Präsidenten der OrganisierungsHofcommission vom 15. Februar d. J. ersichtlich sei, dass der römische Hof dem Andringen und der augenblicklichen Uebermacht Napoleons im Jahre 1807 aus Furcht und Klugheit gewichen sei, um, wie er damals glaubte, seine Existenz zu retten und noch grösseres Unheil von der Kirche abzuwenden, keineswegs aber, dass derselbe sich des Rechtes, die neu ernannten lombardischen Bischöfe nach Rom zu berufen, durch irgendein Uebereinkommen auch für die Zukunft begeben habe, das Geschehene also bloss als eine Ausnahme von der fortbestehenden Regel dargestellt werden dürfte 1). 1) Vortrag Metternichs, Verona, den 3. März 1816. Die kais. Entschliessung lautet: Venedig, 13. April 1816. Was Sie an meinen Gesandten in Rom erlassen haben, dient mir zur Nachricht, und zweifle ich an der Willfährigkeit des römischen Hofes, meiner in dem Handschreiben vom 27. Hornung ausgedrückten Gesinnung zu entsprechen, um so weniger, als nach einer von meinem Präsidenten der Central-Hofcommission erhaltenen Anzeige der von mir zum Patriarchen von Venedig ernannte Bischof von Vigevano von dem Cardinal Consalvi nur aufgefordert worden sei, einen Bevollmächtigten in Rom zu ernennen, um die nöthigen Schritte zur Bewirkung der Präconisierung und Bullen zu machen. Uebrigens finde ich Ihnen zu bemerken, dass das mit meinem Oheim weiland Kaiser Josef höchstseligen Andenkens geschlossene Concordat, da seitdem Mittheilungen XVIII. 32 |