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Schwerer fällt für die Lösung der Frage die Ueberlieferung beider Urkunden ins Gewicht. Die Bremer Fälschung ist uns in Adams von Bremen Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum I. 13., ausserdem noch im Bremer Chartular s. XIV. erhalten, für sie bildet die Abfassungszeit von Adams Geschichtswerk, also etwa das Jahr 1072 1), einen sicheren terminus ad quem. Die Verdener Urkunde besitzen wir noch in der jetzt im Staatsarchiv zu Hannover befindlichen Urschrift, die überwiegend ebenfalls dem 11. Jahrh. zugeschrieben wurde, während sich bereits gewichtige Stimmen für den Anfang oder die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts erhoben 2).

Die Priorität von B vor V wird dadurch immerhin bereits sehr wahrscheinlich gemacht, wenn auch die Sicherheit der daraus zu ziehenden Schlüsse durch die Vorsicht beeinträchtigt wird, die bei Altersbestimmung von Fälschungen, sofern sie lediglich mit den Hilfsmitteln der Palaeographie vorgenommen werden, stets geboten ist.

Die sichere Entscheidung bringt der Inhalt. V schiebt an der Stelle, die ich oben durch einen Strich kennzeichnete, drei in B fehlende Sätze ein: Statuimus etiam, Preterea libertates, Decernimus ergo, die sehr bestimmt ihre Herkunft aus einem päpstlichen Privileg verrathen, und zwar in einer Fassung, wie sie vor dem 12. Jahrh. nicht festgelegt ist 3). Mit dieser Beobachtung stehen nun auch die äusseren Merkmale von V in bestem Einklang: der Schriftcharakter im allgemeinen, die Gabelung der Oberlängen, die starke Hervorhebung der Initialen der einzelnen Absätze schliesst sich ganz dem Typus an, wie wir ihn in Papstprivilegien seit etwa 1130 als festsstehend nachweisen können.

Kommen wir damit zum Schluss, für V ein Papstprivileg als Schriftvorlage und theilweise auch als Quelle für den Context anzunehmen, so fällt die Auswahl unter den für Verden ausgestellten Papsturkunden nicht schwer. Aus dem ganzen 12. Jahrh. kommt für uns nur die Urkunde Eugens III. für Verden vom 6. Januar (recte Februar) 1153 in Betracht 4), sie aber enthält genau, was wir suchen: Eugen III. JL. 9695.

1) Wattenbach, GQ. II, 80.

2) Böttger, in Hodenbergs Verdener GQ. 2, 201 entschied sich für Ende des 11. oder Anfang des 12. Jh. v. Buchwald. Bischofs- und Fürstenurkunden des 12. und 13. Jh. S. 120: setzt sie sicher in d. 12 Jh. ja man brauche nach dem norddeutschen Schriftcharakter auch noch gar nicht unbedingt Anfang des 12. Jh. zu sagen. Darnach Hasse 1. c.

3) Böttger 1. c. 202 spricht von diesen Sätzen sehr allgemein als Kennzeichen von Urkunden des 11. oder 12. Jh.

4) Hodenberg, Verdener GQ. 2, 40 mit der Datierung: St. Peter, 6. Januar 1152, indict. 15 an. pont. 8 letzteres entscheidet für 1153; gegen 1152 spricht

V.

Statuentes ut quascunque Statuimus etiam, ut quascunpossessiones quecunque bona que posssiones et quęcunque eadem ecclesia in presenciarum bona eadem ecclesia in futuiuste et canonice possidet aut in rum concessione pontificum futurum concessione pontifi- largicione regum vel princicum largicione regum vel pum oblacione fidelium libeprincipum oblacione fide- rorum et servorum seu aliis molium seu aliis iustis modis dis deo propicio poterit adideo propicio poterit adipisci, pisci, firma sit et illibata firma tibi tuisque successoribus et permaneat.

illibata permaneant.

Preterea libertatem seu Preterea libertates et imimmunitatem a catholicis Roma-munitates eidem aecclesiae norum imperatoribus sive regibus concedimus. commisse tibi ecclesie concessam et

scripti sui munimine roboratam tibi et per te ipsi ecclesie auctoritate sedis apostolice confirmamus.

Decernimus ergo, ut nulli Decernimus ergo, ut nulli omnino hominum liceat pre-omnino hominum liceat prefatam ecclesiam temere per- fatam aecclesiam temere perturbare aut eius possessiones turbare possessiones eius auferre vel ablatas retinere auferre ablatas retinere miminuere seu aliquibus exac-nuere et aliquibus vexacionitionibus fatigare; sed omnia bus fatigare; sed omnia ad integra et inconcussa serventur, integritatem conserventur. eorum pro quorum gubernacione atque sustentacione concessa sunt, usibus omnimodis profutura.

Die Uebereinstimmung ist, glaube ich, schlagend; die Abweichungen erklären sich aus der Natur der Sache, die angebliche Urkunde Karls d. Gr. musste natürlich Besitz und Immunitätsverleihung enlhalten gegenüber der Bestätigung in der Papsturkunde. Ich bemerke noch eines: die Sätze Statuentes, Preterea, Decernimus finden sich ganz oder nahezu gleichlautend in Hunderten von Papsturkunden jener Zeit. Ihre unmittelbare Aufeinanderfolge aber, wie wir sie im Privileg Eugens III. und der Fälschung Karls d. Gr. für Verden nachweisen können, gehört zu den Seltenheiten 1).

Die Entstehungsweise unserer Fälschung ist nun klar. Hauptquelle für sie war B, vermittelt durch Adam von Bremen, dessen auch das Itinerar. JL. 9695 mit der Emendation: Februar statt Januar, weil der Papst bis Ende Januar im Lateran und erst seit 3. Februar im Vatican residierte.

1) Als Seitenstück führe ich an: Eugen III. für Elwangen 1153 Febr. 19.; Pflugk-Harttung, Specimina T. 84.

Geschichtswerk man im nahen Verden gewiss kannte und zur Hand hatte. Daneben wurden drei Kraftstellen aus dem päpstlichen Privileg hinein verarbeitet. Dafür, dass Adam von Bremen als Vorlage diente, besitzen wir noch einen bestimmten äusseren Anhaltspunkt. Das Monogramm von B erscheint bei Adam von Bremen in ganz absonderlicher Gestalt 1), einer Verbindung von Kreuz und Ring, aus dem richtigen Grundtypus des Karl-Monogramms dadurch entstanden, dass die viereckige Raute kreisrund gestaltet und die vier von ihr ausgehenden Schäfte durch den Kreis hindurch mit einander verbunden wurden.

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In ganz gleicher Verballhornung erscheint nun auch das Monogramm in der Urschrift von V 2).

1) Vgl. die Nachbildung in SS. 7, 290 und Schulausgabe S. 13, den Typus des echten Karl-Monogramms konnte der Fälscher aus der Urk. Karls III. für Bremen ersehen.

2) Mein Freund Prof. Edw. Schröder hatte die Liebenswürdigkeit, mir über das sprachliche Verhältnis von V zu Adam von Bremen folgende Bemerkungen zur Verfügung zu stellen:

Dass der Verdener Fälscher in Wahrheit keine andere Quelle als das Geschichtswerk des Adam von Bremen benützte, wird aufs schönste bestätigt durch sprachliche Beobachtungen an den Eigennamen.

Adam von Bremen war allem Anschein nach ein Obersachse, jedesfalls aber ein Mann hochdeutscher Sprachgewöhnung, und schon einem der alten bremischen Scholiasten ist es aufgefallen, dass die Lautform der Eigennamen bei ihm vielfach dem Niederdeutschen widerstrebt. (Vgl. Schol. 145 zu L. IV. 34, ed. Waitz in SS. rr. Germ. S. 182: Hic apparet quod scriptor huius libelli fuit ex Germania superiori, unde vocabula pleraque sive nomina propria, cum ad suam aptare voluit linguam, nobis corrupit). Dies trifft nun auch insbesondere für die Wiedergabe unseres Documents zu, denn ohne Zweifel rührt die vorwiegend hochdeutsche Schreibung der Flur- und Flussnamen erst von Adam her, dessen anderweit feststehender Orthographie sie durchaus entspricht.

Der Compilator des Bremer Chartulars s. XIV, der gleichfalls auf Adam zurückgehen muss, und der Verdener Fälscher nehmen beide vereinzelte Anläufe, die auffälligen Formen ihrer Vorlage durch geläufige zu ersetzen. So hat der Verdener das zweimalige obersächsisch-thüringische -broch,palus' (Ascbroch, Wissebroch) richtig in-broc umgewandelt, das Chartular setzt dafür misverständlich-borch,oppidum ein. Bei dem besonders charakteristischen Chalten-bach Adams haben beide die richtige altsächsische Schreibung Calden- eingeführt, aber -bach ebenso wie in Sneidbach, Steinbach, Mulimbach unangefochten passieren lassen, während das ortsübliche für sie beide -beki resp. -beke gewesen wäre. Auch das ei besonders in Stein- und die volle Form Sigifridesmor statt der geTendenz der Fälschung war, die Verdener Kirche als die ältere, reicher dotierte und mit weiterem Wirkungskreis ausgestattete hinzustellen 1). Aus Adam von Bremen I. 12 ersah man, dass Widukinds Taufe im 18. Regierungsjahr Karls d. Gr. stattgefunden hatte. Unmittelbar ins Jahr darnach, ins 19. Regierungsjahr Karls, setzte man die Errichtung Verdens; dem entsprechend wurden auch die anderen Zeitangaben von B reduciert: II. id iulii zu III. kal. iulii, 788 zu 786; nur bei der Indiktion hielt man sich, nachdem man eine andere Zahl durch Rasur getilgt hatte, an die zu 789 stimmende Zahl XII von B. Die Handlung verlegte man nach Mainz als den Sitz des Erzbisthums. Die Recognition des Kölners als Pfalzkaplan wurde beibehalten, hinzugefügt wurde die des Metropoliten, Lull von Mainz, und die Amalhars von Trier. Letzterer ist mit 786 noch weniger vereinbar als Hildebold von Köln 2), war aber in der Geschichte der nordischen Kirche eine bekannte Persönlichkeit; nach vita Anskarii c. 12 hatte er die älteste Kirche von Hamburg geweiht.

Durch diese verstärkte Recognition sollte Anwesenheit und Zustimmung der drei ältesten deutschen Metropoliten bei der Errichtung des Verdener Bisthums zum Ausdrucke gebracht werden 3). Keinesfalls liegt ein Anklang an die spätere Drei-Erzkanzlertheorie vor. Eine solche Annahme würde die Entstehung der Fälschung in das Ende des 13. Jahrh. verweisen; dem aber widerspricht die Schrift selbst bei vorsichtigster Zeitbestimmung ganz entschieden.

Die Datirung des Eugenprivilegs schafft uns in dem Jahre 1153 einen sicheren terminus a quo für V, sie führt uns aber auch unmittelbar auf die Entstehungszeit der Fälschung, auf die Zeit der Wiederbegründung und nunmehr endgiltigen Festigung der slavischen Bisthümer Ratzeburg, Mecklenburg und Oldenburg. Dieser Zusammenhang ist zuerst von Wigger 1) vermuthet, von Dehio 2) und Buchwald 3) neuerdings angenommen. Der Gedanke ist demnach nicht neu; nur können wir ihn durch den Nachweis der Benützung des Eugenprivilegs nunmehr viel bestimmter dahin formuliren, dass ein Früher einfach nicht möglich, ein Später der Schrift nach nicht wahrscheinlich ist und in der Bisthumsgeschichte keine Erklärung fände, die für die fünfziger Jahre des 12. Jahrh. allerdings sicher zu geben ist. Damals schritt Heinrich der Löwe, von Kaiser Friedrich I. mit dem Investiturrecht ausgestattet, an die Organisation der Kirche im Slavenlande 4). Der hochstrebende Erzbischof Hartwig von Bremen erhebt mannhaft Einspruch gegen die Allgewalt des mächtigen Herzogs. Die Folge ist erbitterte Fehde, die dem Erzbischof wahrhaft verhängnisvoll zu werden droht. Am 1. November 1155 hält Heinrich d. L. seinen Einzug in Bremen; Hartwig verschwindet auf zwei Jahre vollständig vom Schauplatze der Ereignisse.

kürzten Sifridesmor werden als Eigenthum Adams angesprochen werden dürfen. Und sicher ist Wirraha statt Wisara uä. für ihn bezeichnend (vgl. MG. SS. VII 285).

Ich will die Vermuthung nicht zurückhalten, dass beide, wenn nicht auf eine aus Adam herausgeschälte Erneuerung der unechten Urkunde, so doch auf die gleiche Handschrift oder Handschriftengruppe des Adam von Bremen zurückgehen möchten: bei der Spärlichkeit der Aenderungen ist das Zusammenstimmen in der Compromissform Caldenbach gegenüber dem echt adamischen Chaltenbach immerhin bemerkenswerth, und auch dem alterthümlichen Ascbroch Adams gegenüber scheinen das Asborch des Chartulars und das Asbroc der Verdener Urkunde bereits eine jüngere übrigens lautgesetzliche Form Asbroch vorauszusetzen. Immerhin reicht es nicht aus, um mehr als die Möglichkeit hinzustellen.

1) Verden erhält 200 Ackerhufen zugewiesen gegenüber den 70 für Bremen; auf die erweiterte Diöcesangrenze komme ich weiter unten zu sprechen.

2) Die Nennung Amalhars erfüllte selbst Böttger mit Misstrauen, der doch sonst die Recognition durch den Kölner Erzbischof, den Titel Pfalzkaplan, Jahreszähluug nach Incarnationsjahr und Indiktion für 786an sich ohne Bedenken fand. (Hodenberg, Verdener GQ. 2, 203).

3) Köln und Trier waren übrigens 786 noch einfache Bisthümer; vgl. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands 2, 190, 192.

In dieser Zeit nun rührte sich Verden. Wurden die Slavenbisthümer in der beabsichtigten Weise geschaffen, dann schwand für Verden alle Hoffnung, seinen eigenen Machtbereich je wieder über das rechte Elbeufer auszudehnen. Auf diese ostelbischen Lande erhob es darum eigene Ansprüche und begründete sie durch unsere Fälschung. Kernpunkt derselben ist ein kleiner Theil der Grenzbeschreibung: dehinc trans Albiam, ubi Bilena mergitur in Albiam, dehinc in ortum Bilenę, inde ubi Trauena absorbitur a mari, deinde usque quo perveniatur, ubi Pene fluvius currit in mare barbarum; inde in ortum eiusdem fluminis, hinc in Eldam, dehinc in Albiam. Das Gebiet

1) Mecklenburgische Annalen bis z. J. 1066 S. 129-130.
2) 1. c. 1, kritische Ausführungen 62-63.
3) 1. c. 120-121.

4) Vgl. die Darstellung bei Dehio 1. c. 2, 68 ff. Das undatierte Investiturprivileg für Heinrich d. L. Stumpf 3692 hält er S. 71 in der vorliegenden Form für blossen Entwurf. Posse, Lehre von den Privaturkunden 94 A. 3, Facs. ebenda T. XXVIII., sieht in dem Diplom ein unter Goldbulle hinausgegebenes, von Empfängerhand ausgestelltes Blanquet, dem die endgiltige Beglaubigung durch Signumzeile, Recognition und Datierung in der Reichskanzlei schliesslich versagt wurde. Ficker UL. 2, 199 schloss aus dem Widerspruch von sigilli nostri impressione zur Goldbulle umgekehrt auf Vorausfertigung des Contextes. Die Urk. bedarf jedesfalls noch näherer Untersuchung. Die endgiltige Uebertragung des Investiturrechts an Heinrich d, L. erfolgte erst 1158.

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