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er auch die übrigen Charaktere ihm nicht entnahm.

Ob er aber

nicht Guillen de Castro den Umstand entlehnte, daß Beatriz ihre Herrin für Don Diego einzunehmen sucht und den weiteren, daß dieser schon, bevor er von seinem Bruder den Auftrag erhält, die junge Dame in Versuchung zu führen, in sie verliebt war beide Momente fehlen bei Cervantes, finden sich jedoch, wie ich A. Schaeffer entnehme, beim Valenzianer ist eine andere Frage. Da indessen diese Züge auch zufällige Übereinstimmungen sein können, so muß ich die Sache, zumal Castros Drama mir nicht vorliegt, unentschieden sein lassen.

In der Durchführung und Gliederung der Haupthandlung und in der psychologischen Entwicklung des eigenartigen Charakters der Doña Juana zeigt der jugendliche Coello ein entschieden bedeutendes dramatisches Talent. Auch den Haupthelden, den Don Blas, verstand er geschickt zu zeichnen und folgerichtig handeln zu lassen, Er hielt sich dabei von Übertreibung vollkommen frei.

Don Blas ist ein naturwahrer Charakter, den der Dichter dem Leben abgelauscht haben mag, wenn vielleicht auch Guillen de Castros Don Gutierre nicht ganz ohne Einfluß darauf blieb. Hatte ich doch selbst einmal Gelegenheit, ein ähnliches Original vor Jahren zu beobachten. Don Blas verbindet eben das maßlos mißtrauische Wesen des ungebildeten Landbewohners dem überlegenen Städter gegenüber, mit der Aufgeblasenheit und dem Gefühl der Unwiderstehlichkeit des reichen Majoratsherrn. In der Vereinigung dieser entgegengesetzten Eigenschaften liegt sein komischer Charakter, sein tema" und zugleich sein Unglück. Daraus fließt ganz naturgemäß sein seltsames Verhalten Doña Juana und den übrigen Personen gegenüber, und es wirkt unwiderstehlich komisch, wie er gerade durch seine dumme Pfiffigkeit, das Unglück das er vermeiden möchte, heraufbeschwört.

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Hinter diese beiden Hauptgestalten treten alle anderen zurück. Don Diego ist der gewöhnliche Galan des Lustspiels, dessen Rolle indes durch den komischen Konflikt zwischen Liebe zu seiner Dame und Rücksichten für seinen Bruder einen originellen Reiz erhält. Die beiden criados Calabaças und Ortuño sind noch nicht die gracioscs der späteren Zeit, d. h. Diener, „welche die Handlungen der Hauptpersonen parodieren", sondern schlichte Bedienten; Calabaças ist der wichtigere, gelungenere. Ebenso ist Beatriz die gewöhnliche Zofe, die sich von Galanen zu Liebesintriguen bei ihrer Herrin verwenden läßt, und keine graciosa. Luisa und Rodriguez sind zu unbedeutend, als daß sich viel von ihnen sagen ließe.

Don Gutierre und Doña Antonia sind unter den Nebenpersonen wohl die originellsten. Freilich insofern der alte Herr, wie jeder Hidalgo, streng über Ruf und Ehre der Tochter wacht und insofern er bei der Wahl eines Bräutigams für sie mehr auf Vermögen als auf trefliche Eigenschaften sieht, ist er ein gewöhnlicher Lustspielvater; aber der Dichter hat ihm den originellen Zug

verliehen, daß er, streng für die Tochter, für die eigene Person und betreffs junger Herrn in sittlicher Hinsicht sehr leichtfertigen Grundsätzen huldigt. Und diese Eigenschaft war, wie wir oben sahen, für die Lösung des Lustspielknotens von entscheidender Bedeutung.

Eine eigentümliche Gestalt ist Doña Antonia. Coello bezeichnete sie in der Personenliste als „Dama“. Aber kann man ein Wesen noch so nennen, daß einen gefundenen an eine bestimmte Dame gerichteten Brief für sich zu einem groben Schwindel ausnutzt, das frech von der Straße aus durch das offene Fenster eines Hauses hineingreifend, einem Herrn ein Frauenbildnis entreißt um es in betrügerischer Absicht zu verwenden, das ohne Scham vorgibt, von einem Manne, den es nie gesehen hat, ein Töchterchen zu haben, um sich dadurch seine Hand zu ergattern und das, als der Verfolgte sich sträubt und wehrt in der ihm gelegten Schlinge, rasch mit einer Abfindungssumme zufrieden ist? Verdient eine solche Person nicht vielmehr den Namen einer Hochstaplerin? Der Dichter hat ihr auf der anderen Seite große Schönheit und den Charakterzug verliehen, daß sie linajuda ist, d. h. daß sie es auf einen hochadligen Gatten in allen Ehren abgesehen hat und daß sie, um zu einem solchen zu kommen, in allen Hotels und Pensionen ihre Spione hält, die sie von der Ankunft eines jeden vornehmen Fremden unterrichten. Faßte er sie als „embustera“, „picara“ oder als „loca“ auf? Mich will es bedünken, daß Coello sie zunächst als Närrin, als ein passendes Seitenstück zu dem Narren Don Blas dachte, dann aber als eine Kontrastfigur zur Hauptheldin, zu der innerhalb der Schranken des Hauses weilenden züchtigen schönen Doña Juana, während jene die nicht minder schöne, aber freche auf pikareske Abwege geratende Abenteurerin ist. Sympatisch ist der Charakter nicht, so wenig wie der des Don Blas, aber ich glaube nicht, daß wir dramatisch etwas dagegen einwenden dürfen. Haben doch Lope de Vega, Tirso de Molina, Montalvan u. a. junge Damen, die sich einen treulosen Geliebten wieder erobern oder einen von ihnen verehrten Galan erringen wollen, auch oft zu recht bedenklichen Mitteln greifen lassen. Der einzige Vorwurf, der allen diesen unternehmungslustigen jungen Mädchen mit Recht gemacht werden kann, ist der der Unwahrscheinlichkeit.

Die Sprache von Peor es hurgallo ist einfach, natürlich, fließend. Freilich reicht sie nicht an die Diktion Lope de Vegas, Tirso de Molinas und selbst noch nicht an die Don Antonio de Mendozas heran, aber sie ist frei von kultistischen Auswüchsen und der Dialog verrät Gewandtheit.

Merkwürdig ist es, daß in unserem Lustspiel die drei Einheiten beobachtet sind. Die Ereignisse umfassen noch nicht eine Zeit von 24 Stunden, sie tragen sich in Madrid in den Wohnungen der Doña Antonia und des Don Gutierre, bezw. in den Straßen vor denselben zu, und die Handlung ist streng einheitlich. Ist diese

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Beobachtung der Regeln" das Werk des Zufalls, oder wollte Coello, vielleicht angeregt durch Lope de Vega's Arte nuevo de hazer Comedias oder irgend eine Poetik, den Versuch machen, den Anforderungen der Gelehrten zu entsprechen? Ich muß die Frage unbeantwortet lassen.

Fasse ich mein Urteil über Peor es hurgallo kurz zusammen, so muß ich sagen, daß Coello die Novelle des Cervantes El Curioso impertinente in durchaus origineller Weise zu einer wirkungsvollen komischen Handlung ausgebildet hat, deren Entwickelung und Lösung Spannung, deren Charaktere Interesse erregen. Den Grundgedanken der Novelle, von ihm im Titel seines Stückes durch das Sprichwort Peor es hurgallo, und gegen Schluß durch die Verse

ya ninguno fe meta

en probar a las mugeres,

que es peligrosa experiencia

wiedergegeben, hat er konsequent durchgeführt und ein recht artiges Lustspiel geschaffen.

Mit diesem Stück hat er die maßvolle Figuron-Comedia auf der Bühne heimisch gemacht und rasch zahlreiche Nachahmer 31) gefunden, die ihn allerdings zum teil an Bedeutung und Ruf übertreffen sollten. Merkwürdiges Schicksal! Seine Figuron-Comedia, welche anderen spanischen Komikern den Weg zeigte, geriet in vollkommene Vergessenheit, während eine darauf beruhende französische Nachahmung fast bis in unsere Tage wenigstens in den Ausgaben der Werke des Dichters fortleben konnte. Ich meine Scarrons Lustspiel. Wir kommen jetzt zu dem französischen Stücke. Durch seinen Titel

Le Marquis Ridicule ou la Comtesse faite à la haste32) verrät er seine Quelle nicht. Ob Scarron die Absicht hatte, sie zu

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31) Wir haben bereits oben gesehen, wie dazu als erster D. A. Mendoza gehört. Don A. del Castillo Solórzano mit seinen beiden Stücken El Mayorazgo Figura (geschr. 1637) und El Marques del Cigarral beide von Scarron nachgeahmt - folgte ihm. Als dritten möchte ich Rojas Zorilla anführen, der in seinem 1638 verfafsten Lustspiel Entre bobos anda el juego in vielen Dingen sich an Coello anlehnt. Da letzteres Stück von Thomas Corneille 1650 unter dem Titel Don Bertrand de Cigarral nachgebildet wurde, so ist dieser Dichter auch mittelbar Coello verpflichtet.

32) Über die verschiedenen Ausgaben des Stückes werde ich weiter unten handeln. Die ziemlich seltene editio princeps Paris Quinet 1656 lag mir leider nicht vor, sondern folgende Elzevier-Ausgabe: LE MARQUIS || RIDICULE ou la || COMTESSE || faite a la haste | Comedie. || Par Mr. Scarron. (Buchhändlerzeichen). || Suiuant la Copie imprimée | A PARIS MDCLN. 93 Seiten 160. Rückseite des Titelblattes frei.

Auf Seite 3-5 die Dedikation A Monsieur L'Abbé Fovequet. Auf S. 6 die Liste der Schauspieler. Der Text beginnt S. 7. Exemplar im Besitze des Antiquars Jacques Rosenthal dahier, dem ich auch an dieser Stelle für die freundliche Überlassung danke.

verbergen, läßt sich mit voller Bestimmtheit nicht sagen; denn wenn er einen anderen Titel wählte, so konnte der Grund ja sein, weil ihm der spanische nicht gefiel, oder weil er ein Sprichwort war, das schwer durch ein ähnliches französisches wiederzugeben war oder, richtiger gesagt, weil Sprichwörter als Comödien-Titel auf der französischen Bühne nicht üblich waren. Jedenfalls läßt die Wahl seines Titels deutlich erkennen, daß es ihm in seinem Stücke nicht sowohl um die leitende Idee Coellos, peor es hurgallo", als vielmehr um die burlesken Gestalten des lächerlichea Landtölpels und der heiratslustigen Abenteurerin zu tun war.

Weniger ängstlich war Scarron auf Beseitigung der Namen seiner Vorlage bedacht. Er behielt mehrere davon bei, wie aus der nachfolgenden Zusammenstellung der Personenlisten ersichtlich ist.

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Von den Namen hat also Scarron drei: Don Blas (Blaize), Luisa (Louize) und Ortuño (Ordugno) ganz beibehalten; außerdem den Familiennamen des Don Gutierre, de Varcas. Aus de Villoria hat er das lautlich ähnliche de la Victoire gemacht. Weggelassen hat er den in der Tat überflüssigen Joachin. Seine Änderungen lassen sich meist begreifen: Sanche und Cosme klingen für französische Ohren annehmbarer als Diègue und Gutierre. Blanche, Stefanie und Merlin fügen sich besser in den Vers als Jeanne, Antoinette und Calabaças; Lizette ist ein in Frankreich verbreiteter Bedientennamen, Beatriz dagegen nicht. Ob Scarron den Conde-Duque dachte, als er den efcudero Rodriguez in Olivares umtaufte, will ich dahingestellt sein lassen. Vielleicht auch änderte Scarron jene Namen ohne jeden Grund, rein willkürlich; denn Diègue kommt in seinem Héritier ridicule vor und Beatriz für eine „,servante" findet sich in seinem Maistre Valet, in seinem Jodelet souffleté und in L'Héritier ridicule.

an

Was die im Texte vorkommenden Namen anbelangt, so hat sie Scarron alle geändert. Es entsprechen sich bei

Coello:

Don Luis de Vivero

Dona Ynes de Figueyra

la Condefa de Alentexo

Scarron:

Dom Juan Palomeque
Elvire de Pacheque
Comteffe Alcala

Der Schauplatz der Handlung ist in Original und Nachahmung Madrid. Mit den Charakteren hat der Nachahmer nicht unwesentliche Veränderungen vorgenommen. Alle Personen sind derber, realistischer geworden. Die feinen Nuanzen in den einzelnen Rollen sind verschwunden. Alle weisen nunmehr eine gewisse Familienähnlichkeit auf. Besonders zeichnen sich die Bedienten durch große Keckheit ihren Herrschaften gegenüber aus, was sich von den Bediensteten bei Coello nicht sagen läßt. Dementsprechend müssen bei Scarron wieder die Herrschaften gröber gegen die Diener sein, aber auch unter einander schlagen jene oft einen Ton an, wie er in der guten Gesellschaft nicht üblich ist. Wie das alles sich im Einzelnen verhält, ersieht man am besten aus der Vergleichung der französischen Nachahmung mit dem spanischen Original.

Acte I.

Wie bei Coello eröffnet die portugiesische Abenteurerin mit ihrer Dienerin das Lustspiel. Die ganze erste Scene entspricht inhaltlich und vielfach wörtlich dem Anfang des spanischen Stückes. Indes führten ein paar Änderungen, die Scarron anzubringen für gut fand, zu verschiedenen Abweichungen im Dialog. So benimmt sich z. B. Louise (Luisa) ziemlich naseweis ihrer Herrin gegenüber. Dann spielt die Handlung, im spanischen Lustspiel, wie oben erwähnt, im Monat Mai, bei den Franzosen dagegen im heißen Sommer. Doña Antonia spricht mit ihrer Dienerin im Hause bezw. unmittelbar vor ihrem Hause, während Scarron das Gespräch auf freier Straße vor sich gehen läßt. Auf diese Weise sind die Anfänge bei beiden Dichtern grundverschieden.

Doña Antonia bei Coello hatte Luisa, wie es scheint, fortgejagt und empfängt zu Beginn des Stückes die Wiederkehrende mit offenen Armen. Die Comedia hebt mit ihren Worten an:

Buelua a cafa, pan perdito,

que fin ti no valgo nada;

la mas effencial criada

eres que en el mundo ha auido.

Dame los braços.

Antonia sagt ferner:

Mira, las cofas de dentro

folo las fio de ti.

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