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Feder. Ich will dabei etwas ausführlich zu Werke gehen. Es scheint mir von Wichtigkeit, an einem der jüngsten Erzeugnisse der Scarronschen komischen Muse sein Verhalten gegenüber der spanischen Comedia zu zeigen. Zwischem dem ersten Lustspiel Scarrons Le Jodelet ou le Me Valet und dem Marquis ridicule liegen fast 12 Jahre, Hat Scarron sein Nachahmungsverfahren mittlerweile geändert, hat er Fortschritte gemacht? Wurde er freier, selbständiger? Diese Fragen werden uns außer dem Forschen nach der Quelle zu beschäftigen haben.

Am 8. Februar 1656 wurde der Druck eines Lustspiels von Scarron vollendet, das den Titel

Le Marquis Ridicule ou la Comtesse faite à la haste trug und dem Abbé Fouquet, dem Bruder des bekannten Finanzministers, gewidmet war. Verfaßt und aufgeführt muß also das Stück schon früh im Jahre 1655 worden sein. Der Dichter entnahm den Stoff einer sehr seltenen spanischen Comedia, die von den Historikern des spanischen Dramas ganz übersehen worden ist und sich nur in den Katalogen verzeichnet findet. Ich meine das Lustspiel

Peor es hurgallo

welches vom gleichen Verfasser wie der vielgenannte Conde de Sex nämlich von dem Madrider Dichter Don Antonio Coello 18) herrührt. Da dieser Dichter bereits 1652 starb, so ist sein Stück noch einige Zeit früher zu datieren. Gedruckt wurde dieses, so viel wir wissen, nur als Einzeldruck, nicht in einer Sammlung. Ein solcher Einzeldruck (Suelta) aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts befindet sich in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München19) und ein ähnlicher wird Scarron als Vorlage gedient haben. Wie fast alle Stücke jener Zeit ist es in 3 jornadas eingeteilt, letztere sind aber nicht in Szenen geschieden. Beschäftigen wir uns mit seinem Inhalt.

Peor es hurgallo (Es ist ratsamer die Sache nicht näher zu erforschen.)

I. Jornada.

Doña Antonia mit ihrer Dienerin Luisa eröffnen das Stück. Wir erfahren aus dem Gespräche der beiden, daß die erstere eine portugiesische Abenteuerin ist, die sich einen distinguierten Gemahl ergattern will. Nach manchen fehlgeschlagenen Versuchen, hatte sie zuletzt von einem Visconde aus Altkastilien gehört, der in Madrid

18) Wegen biographischer Einzelheiten über diesen Dichter verweise ich auf La Barrera y Leirado Catálogo bibl. y biogr. del Teatro antiguo español (Madr. Rivadeneyra 1860) S. 94 ff.

19) Eine Beschreibung dieses Druckes brachte ich in der Zsch. für romanische Philologie Jahrgang 1907, S. 487 f.

angekommen sei um sich in Madrid zu vermählen. Sofort hatte sie ihren Escudero ausgeschickt „a informarfe de la cafa donde viue." Rodriguez, so heißt der Mann,

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kommt jetzt zurück und meldet, daß der Ankömmling in demselben Zimmer wohne, wie Don Diego, Doña Antonia's armer Verehrer. Er habe diesen selber im Reisekostüm aus dem Hause kommen sehen. Doña Antonia mutmaßt, daß Don Diego der Vifconde sei, der seinen Stand verheimliche. Sie sieht ihn mit einem Male mit seinem Diener Calabaças kommen und zieht sich schnell zurück mit ihren Leuten, um ihn zu belauschen.

Don Diego will seinen Bruder empfangen, Calabaças belehrt ihn, daß der Vifconde schon in Madrid sei. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß letzterer auf dem Lande in Altkastilien ohne Bildung, ohne höfische Sitte aufgewachsen, ein Original sei. Calabaças meint dazu:

Eftà Castilla la vieja

tan vieja ya, que le nacen
en vez de frutos y trigo

Don Quixotes y Refranes.

Wir hören ferner aus dem Gespräche der beiden, daß Don Diego der Doña Antonia, der Dame „linajuda y dada a principes grandes," nur zum Zeitvertreib den Hof mache und daß die Närrin ihm gleichgiltig sei. Übrigens wisse sie von ihm weiter nichts, als daß er Don Diego heiße, mas no fabe mi apellido y patria, tanto que cree que foy Infante de Aragon!"

Don Diego entfernt sich und die Verborgenen kommen zum Vorschein. Doña Antonia fragt den Diener aus. Dieser spiegelt ihr vor, Don Diego sei von hoher Abkunft; aber obwohl sie ihm einen Diamanten schenkt, verrät er seinen Namen nicht. Er geht und läßt im Gehen einen Brief fallen. Luisa hebt ihn auf. Es zeigt sich, daß in dem Brief noch ein anderer eingeschlossen ist und daß der erstere vom 25. Mai datiert und von Visconde Don Blas de Villoria unterzeichnet ist. Für den Schreiber hält Doña Antonia den Don Diego und freut sich, daß dieser ein so hoher Herr sei. Als sie den Brief liest und daraus ersieht, daß Don Blas nach Madrid gekommen um sich zu verheiraten und daß er seinen Bruder beauftragt, den inliegenden Brief an seine Braut zu befördern, wird sie von Eifersucht erfaßt. Der zweite Brief belehrt sie, daß die Erkorene Doña Juana de Vargas heißt. Sein alberner Inhalt und bäurischer Stil fällt der Dienerin Luisa sofort auf, aber Doña Antonia, von dem hohen Titel verblendet, sieht darin nur Bosheiten. Sie ist außer sich über den, wie sie glaubt, von Don Diego ihr gespielten Betrug und beschließt, sich dafür zu rächen. Plötzlich ertönen Rufe hinter

der Szene. Die Pferde eines Wagens sind durchgegangen und haben ihn umgeworfen. Don Diego erscheint alsbald mit der ohnmächtigen Doña Juana in den Armen. Er hat sie gerettet und trägt sie in Begleitung ihrer Diener und der seinigen ins Haus. Doña Antonia aber beschließt die geplante Ehe zu stören und zu diesem Zwecke die Braut aufzusuchen.

Szenenwechsel. Don Diego setzt die ohnmächtige Juana auf einen Stuhl, die Dienerschaft läuft fort nach einem Arzt. Inzwischen kommt Doña Juana wieder zu sich und dankt ihrem Retter, fordert ihn aber auf, sie jetzt zu verlassen, denn ihr Vater müsse jeden Augenblick kommen und sie wolle nicht, daß er den Fremden, und sei er auch ihr Retter, bei ihr finde. Don Diego, der sich Knall und Fall in die von ihm Gerettete verliebt hat, ist sehr ungehalten über diese kühle Behandlung, aber Beatriz, die Dienerin der jungen Dame, tröstet ihn und verspricht ihm ihre guten Dienste bei der Herrin. Don Diego geht. Doña Juana mit ihrer Zofe allein, gesteht ihr

No fé que nueua

inquietud tengo en el alma

Beatriz meint, das sei Liebe. Von dieser will indes Doña Juana nichts wissen; sie sei ehrenwert, erklärt sie, und wolle für niemand Zärtlichkeit empfinden,

eftoy cafada y muy cerca

de llegar ya mi marido.

Noch diesen Abend solle er eintreffen. Beatriz wundert sich, daß die Herrin, ohne zu wissen, wie der ihr bestimmte Gatte heiße wer er sei und wie er aussehe, ihr Jawort gegeben habe. Die für ein junges Mädchen etwas gar zu vernünftig denkende Doña Juana erwidert hierauf:

Mira Beatriz, las mugeres,

fi algun amor no las ciega,
con los ojos de fu padre
miran mejor lo que aciertan.
La que fe enamora, fuple
con el amor la nobleza,
o la hazienda de fu efpofo,
y cariñofa atropella
por los primeros dias
que dura de amor la fuerça,
la comodidad continua
de la vida que le queda.
Mas los padres, como nunca
fe enamoran ni se prendan
de fus yernos, solo miran

la ajuftada conueniencia.
Mi efpofo dizen que es rico
y noble, no ay mas que fepa,
que a mi que no me enamora,
baftame, aunque no lo vea
riqueza y fangre.

Beatriz fragt sie nun, was sie täte, wenn der Bräutigam verschiedene von ihr angeführte Fehler hätte. Auf alle weiß die junge Herrin eine resignierte Antwort.

Jetzt kommt Calabaças mit der Arznei und bietet sie Juana an, die aber keine Verwendung mehr dafür hat und die Zofe fragt, wer der Mensch sei. „Con el otro hidalgo llegó a tu focorro," anwortet letztere. „Dann schicke ihn fort!" meint Doña Juana kalt. Noch ehe Beatriz das tun kann, erscheint Don Gutierre, der Herr des Hauses und erkundigt sich nach dem Befinden der Tochter. Er bemerkt Calabaças und fragt ihn, was er hier wolle und wer er sei. Calabaças in seiner Verlegenheit, gibt sich für einen Apotheker (Boticario) aus, der Arznei für die Tochter gebracht habe. Gutierre heißt ihn gehen. Der angebliche Apotheker will zuvor noch die Rechnung bezahlt haben. Aber Juana, seine Lüge unnötig findend, entdeckt dem Vater, der Hidalgo sei kein Apotheker, er habe gelogen; er sei mit einem anderen Manne bei ihrer Rettung tätig gewesen. Don Gutierre fragt ihn, warum er die Lüge ersonnen habe. Calabaças antwortet, es sei dies eine alte Gewohnheit und die Zunge sei ihm durchgebrannt. Um die Wahrheit zu gestehen, sei er gerade aus Altkastilien mit dem Visconde don Blas de Villoria angekommen, der im Begriffe stehe, sich zu verheiraten. Freudige Überraschung des alten Herren. Auf seine Frage, ob er dem Vifconde diene, antwortet Calabaças, er diene dessen Bruder. Don Gutierre verkündigt alsbald der Tochter die Ankunft ihres Bräutigams. Er ist sehr überrascht, daß sie sich nicht dazu freut. Doña Juana antwortet ruhig: yo no lo deffeo ni lo rehufo." Stolz auf die Tochter, ruft der Alte entzückt aus: Que cuerda!

aprendan a refponder

defte modo las donzellas!

Den Calabaças fragt Don Gutierre, wo der Visconde sei und warum er nicht in seinem Hause abgestiegen. Calabaças meint: Er sei eben ein engherziger Biscayer (Es Vizcaino encogido). Er fügt hinzu, daß er Schrullen und Launen gerade genug habe. Gutierre hat davon schon gehört und wünscht zu wissen, ob er sich vielleicht in irgend einer Beziehung zu bessern habe (tiene acafo algo en que enmendarfe pueda?) Calabaças meint ironisch, er habe wohl einige Fehlerchen, aber die seien unverbesserlich; denn jener halte sich für unfehlbar („en nada pienfa que yerra). „Fehler eines Majoratserben!"

meint nachsichtig Don Gutierre. Calabaças schildert nun zuerst des Visconde abgeschmackte Tracht, die an die des wahnsinnigen Königs erinnere (el traxe del Rey que rabió fe acuerda). „Dem," bemerkt der Alte, helfe ein Schneider ab.“ „Dann,“ fährt Calabaças fort, ist seine Sprechweise altväterisch:

Hablo a lo antiguo,

y por encima les echa
vnos pocos de refranes

como açucar y canela.

Das mache nichts, ist die Einrede, er werde schon durch den Umgang besser sprechen lernen. Dann sei er sehr streitsüchtig, fährt Calabaças fort. Das gäbe sich mit dem ersten Zweikampf versetzt der Greis. Ferner habe er, charakterisiert der Diener weiter, eine sehr hohe Meinung von seiner Person und glaube, daß jedes Mädchen sich in ihn verliebe. Das rühre daher, erläuterte Don Gutierre, daß er unter lauter Häßlichen gelebt habe. Außerdem sei er so fürchterlich eifersüchtig, daß er Doña Juana's Bildnis, damit niemand es sehen könne, unter Verschluß führe und auf dem Mantelsack, in dem es sei, schlafe, schließt Calabaças seine Charakterschilderung. Die letzte Eigenschaft, versichert Don Gutierre, sei die einzige, die ihm Besorgnis einflöße. Seine Tochter jedoch, immer klug und weise, meint:

A mi no, porque fi yo

por mi fer honrada es fuerça,

no he menefter para nada

yo que zelofo no fea:

y defpues que él aya vifto
lo que foy con experiencias,
fe quietará; y quando no,
que el fea muy centinela
que me ha de importar, fi yo
no he de tener que me vea?

Beatriz bemerkt mit Recht:

La primer muger has fido

que habla afsi en efta materia.

Aber der Vater ruft wieder mit Stolz:

"Ay refpuefta mas prudente?"

Er befiehlt ein Zimmer für den Schwiegersohn zu richten und geht mit Calabaças fort, um ihn zu holen.

Doña Juana ist von dem Bilde, daß Calabaças von ihrem Znkünftigen entworfen hat, wenig entzückt. Doch tröstet sie sich mit dem Gedanken:

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