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ist, ja sogar diesem Willen widerspricht: wenn nämlich die Wahl eine vor dem Rechte nicht bestehende Willenserklärung ist.

50. In dieser Vervollständigung der Lehre des Marsilius ist die entscheidende Einwirkung der juristischen Bildung des Bartolus und der allgemeinen romanistischen Überlieferung ersichtlich und unbestreitbar; und daraus ergibt sich deutlich der entscheidende Unterschied zwischen der altgriechischen Tyrannis und der italienischen Tyrannis der ersten Renaissancezeit. Sei es uns hier gestattet, einige Worte des Cornelius Nepos in der Biographie des Miltiades anzuführen: . . . (Miltiades) in Chersoneso omnes quos habitarat annos perpetuam obtinuerat dominationem tyrannus que fuerat appellatus sed iustus. Non erat enim vi consecutus sed suorum voluntate eamque potestatem bonitate retinebat: omnes autem et dicuntur et habentur tyranni, qui perpetua potestate sunt in e a civitate quae perpetua libertate usa est 252) In diesen Worten ist das Wesen der altgriechischen Tyrannis deutlich dargestellt: die Tyrannis also bestand nicht in der Gewalttätigkeit oder in der Hinterlist der Mittel, durch welche der Tyrann die Macht erworben hatte oder etwa in dem Missbrauch dieser Macht, sondern in der Ersetzung einer freien durch eine tatsächlich oder scheinbar unfreie Regierungsform, d. h. sie lag nicht in dem Widerspruche zwischen Regierung und Willen der Regierten, sondern in dem Widerspruche zwischen monarchischer Regierung und republikanischer Überlieferung. Die monarchische Regierung war daher nur als eine verfassungswidrige, nicht aber notwendig an und für sich als eine absolut unrechtliche Regierung betrachtet;253) denn man konnte natürlich nicht sagen, dass eine Regierung, die dem Willen der Untertanen entsprach und zu ihrem Gemeinwohl geschaffen war, eine vor dem Rechte nicht bestehende Regierung wäre. Aber ein solcher Tyrannisbegriff

252) Cornel. Nepot. Miltiades c. 8.

253) Vgl. oben s. 33.

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war den publizistischen Neigungen und der romanistischen Überlieferung der Renaissance gegenüber ganz unmöglich: denn, ersteren zufolge, erschien jetzt das Volk jeder autonomen oder selbständigen civitas Herr seiner selbst und seiner Regierungs- und Verfassungsform; und letzterer zufolge, konnte man nur entweder innerhalb oder ausserhalb des Rechtes sein: die mittlere schwankende staatsrechtliche Lage der altgriechischen Tyrannis war für das politische und juristische Bewusstsein der Renaissance unbegreiflich. Und schliesslich war der Begriff von Verfassungswidrigkeit der tyrannischen Regierung fast verschwunden und hatte dem Begriffe von rechtlicher Nichtbeständigkeit den Vorrang gelassen.254) Eine Spur vom Verfassungswidrigkeitsbegriffe war tatsächlich noch geblieben, aber es handelte sich jetzt um einen ganz von dem griechischen verschiedenen nämlich um den Begriff eines Widerspruches, nicht aber zwischen einer neuen und einer vorherbestehenden Verfassungsform, sondern zwischen der wirklichen Handlungsweise einer Regierung und der scheinbaren Form ihrer positiven Verfassung: und dieser Begriff ist in der Tyrannis velata et tacita des Bartolus ausgedrückt.255)

§ 3.

Der Tyrannisbegriff Coluccios: seine Originalität und seine Quelle n.

51. Wir haben in den vorigen Seiten den langen Weg verfolgt, den der Tyrannisbegriff bei der klassischen und bei der italienischen mittelalterlichen publizistischen Überlieferung

254) Die Entgegensetzung zwischen tyrannischen und legitimen Regierungen entspricht also jetzt nicht der Entgegensetzung zwischen verfassungswidrigen und verfassungsmässigen Regierungen, sondern der Entgegensetzung zwischen rechtsnicht bestehenden und rechtsbestehenden Regierungen, d. h. zwischen Regierungen de facto und Regierungen de iure: vgl. z. B. Bartol. Tract. Represaliar. cit. n. 13: .. Quandoque tamen potest haberi copia de facto et non de iure: exemplo aliquis tyrannus occupavit multas terras de facto, non de iure: non est dominus etc.

255) Vgl. darüber oben s. 82 ff.

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bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts, nämlich bis fast zur Zeit der Abfassung des Traktates Coluccios, durchlaufen hatte. Denn, wie bekannt, ging der Traktat des Bartolus dem Traktate Coluccio wenige Jahrzehnte vorher. Jetzt können wir endlich die Lehre Coluccios in genauere Erwägung ziehen und es festzustellen versuchen, in welchen Beziehungen diese Lehre mit der ganzen vorangehenden Überlieferung stehe und innerhalb welcher Schranken sie als wirklich originell und neu der Überlieferung selbst gegenüber zu betrachten sei: nämlich was für einen eigentümlichen und originellen Beitrag zur Entwicklung der Tyrannislehre sie wirklich gebracht habe.

1. Der Tyrannisbegriff bei den der Abfassung des Traktates vorhergehenden Schriften Coluccios.

52. Wie schon erwähnt, hatte schon Coluccio mehrere Male vor der Abfassung seines Traktates, in seinen Briefen die Gelegenheit gehabt, einige seiner Ideen über die Tyrannis darstellen zu können. Obgleich aus einem von ihm während des berühmten Krieges de gli Otto Santi geschriebenen Briefe hervorzugehen scheint, dass er die Entgegenstellung von Freiheit und Tyrannis in streng republikanischem Sinne aufgefasst, dass er nämlich jede nicht republikanische Regierung als tyrannisch betrachtet hatte256, ergibt sich doch aus allen seinen späteren Briefen, dass er wirklich jede vorgefasste politische Meinung überwunden und dem allgemeinen überlieferten Begriffe beigestimmt hatte, demzufolge nur jede schlechte und gemeinschädliche monarchische oder alleinherrschaftliche Regierung als tyrannisch zu betrachten sei. Wenn er deshalb Andreolo Arese seiner Freude über den gewaltsamen Untergang von Bernabò Visconti einen begeisterten Ausdruck verleiht, den

256) Vgl. Col. Salutat. Epist. I. T. III. ep. 17. an Francesco Guinigi von Lucca. 7. Dezemb. 1374. s. 190 ff.:,,. haec est enim illa urbs, hic est enim ille populus, qui et intestinam tyrannidem detestatur et exterarum urbium libertatem suis operibus semper est prompta defendere . . .“

er ja als wirklichen Tyrannen betrachtet, so begründet er sein Urteil, nicht auf eine angebliche Verfassungswidrigkeit der Regierung Bernabos, sondern auf ihre Gewalttätigkeit, Ungerechtigkeit und Grausamkeit257, und hat nichts dagegen, die nachfolgende Regierung Gian Galeazzos als Befreier des Vaterlandes und Wiederhersteller der Rechtmässigkeit zu preisen, die doch nicht weniger monarchisch und despotisch war.258) So betrachtet er in der bekannten Invectiva in Antonium Luschum, wo er die Signoria der Visconti überhaupt als eine tyrannische schildert259), mehrere andere Signorien des Oberitaliens als durchaus rechtmässige und legitime.260)

53. Wo aber der Gedanke Coluccios über die Tyrannis vor der Abfassung des Traktates am deutlichsten hervortritt, ist es in dem langen ausführlichen Briefe an den König von Sizilien

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257) Col. Salut. Epist, II. T. VI. ep. 5, an Andreolo Arese. 25 oct. 1385 s. 146 ff.: . . quid. . . iustius quam saevissimum tyrannum, amicis, si quos amicos tamen habere potuit terribilis illa crudelitas, formidabilem, subditis gravem, vicinis exitiosum, coniuctis pestilentem ac trucem omnibus oppugnare? Tyrannum. . . blandum ut deciperet, humilem ut conculcaret, propicium ut perderet, et tractabilem ut seviret ? . . ." etc: dieser Brief hat eine besondere Bedeutung für die Lehre vom Tyrannenmord bei Coluccio: darüber, vgl. Einleit. unter s. 144 ff.

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258) Col. Salut. Epist. II. T. VI. ep. 5. s. 151: Inter quos quis dubitet. . . numerandum gloriosissimum Virtutum Comitem qui feliciter tantam patrui tyrannidem deposuit et perfregit? . . . . nec Galeaz. . . tanti tyranni iustissimus atque gloriosissimus triumphator. '; s. 154:,,... hunc . . . dominationis socium, sed tyrannidis inimicum pro tot liberatione populorum in. stincto divino ad tantum extinguendum facinus surrexisse... Gaudebunt enim populi de tyranni crudelitate in veri et iustissimi domini clementiam benignitatemque translati . . ." etc.

259) Col. Salut., Invect. in Anton. Lusch. cit. s. 53:,,. . . Conquerebar enim tot gentes, tot urbes, tot oppida, quod domini iugum premit, saevae urius tyrannidi subiacere... etc.: die ganze Schrift ist übrigens zu lesen: besonders s. 103 ff.

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260) Col. Salut., Invect. in Anton. Lusch. s. 104: antiquissimum principem tam dominatu quam sanguine Nicolaum Estensem. . . tyrannum appellas?... Cur... heroa Patavinae civitatis multa iam successione moderatorem et dominum tam dilectum suis tamque formidabilem aliis tamque cunctis suis virtutibus et animi magnitudine celebratum. . ." etc., s. 105 ff.

und Jerusalem, Karl von Durazzo, wo Coluccio, nachdem er die Unternehmungen des Königs gepriesen hat, ihm eine Reihe moralischer und politischer die Regierungskunst betreffender Ratschläge gibt.261) In diesem Briefe nimmt er ausdrücklich den Begriff von Seneca wieder auf, demzufolge König und Tyrann sich nur dadurch unterscheiden, dass der König ein guter, der Tyrann ein böser Monarch ist nicht die Rechtmässigkeit der Gewalt, sei diese entweder durch Erbrecht oder durch Wahl gewonnen worden, sei das Erbrecht resp. die Wahl durch feierliche Krönung bestätigt worden oder nicht, unterscheide den König von dem Tyrannen, sondern die Art und Weise der Herrschaftsausübung. Wenn aber die Rechtmässigkeit der Gewalt nicht genügend ist, um einen echten König zu schaffen,262) so bedeutet dies gar nicht, dass sie auch nicht nötig sei: nämlich dass jede in gerechter Weise verfahrende Regierung, auf welcher Weise auch immer man zur Macht gelange, als eine rechtmässige und legitime zu betrachten sei. So schleicht sich unbemerkt neben dem moralischen der juristische Tyrannisbegriff ein: ...,,sive iniuste intraverit .... sagt Salutati — ,,sive iniuste regat, tyrannus est. . ."263) Es gibt also zwei Arten Tyrannides. So wird im Briefe von 1381 der Begriff kaum angedeutet, der in dem Traktate von 1400 zu vollendeter Entwicklung kommen sollte. 2. Die Beziehungen des Traktates Coluccios zu dem Traktate des Bartolus.

54. Bevor wir in die Lehre Coluccios tiefer eingehen, müssen wir zuerst auf eine wichtige Vorfrage antworten. In

261) Col. Salut., Epist. II. L. V. ep. 6. an Carlo di Durazzo, König von Sizilien und Jerusalem 1381. s. 11 ff.; 31 ff.

262) Col. Salut. Epist. II. T. V. ep. 6. s. 33:,,. . . sola virtus, non titulus, non unctio, non diadema, non consecratio regium nomen gignit: habe optimum vatis testimonium, . . . quid regem deceat: iusticia, pietas, bellique doctrina. Hec regem faciunt, hec regium sceptrum ornant . . . nihil inter tyrannum et regem interest, nisi quia hic bonus, ille malus est: apud antiquos enim et tyranni reges et reges tyranni vocabantur: litteris quidem hec nomina, non significatione differebant.

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etc.

263) Col. Salut. Epist. II. L. V. ep. 6. s. 33 cit.

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