Slike stranica
PDF
ePub

aber ist bei seiner Antwort über die Grenzen der gestellten Fragen hinausgegangen, indem er nicht bloss das besondere Problem, das ihm der Student vorgelegt hatte, sondern das allgemeine Problem der Tyrannis überhaupt untersuchte: Die Lösung der besonderen Frage ergab sich dann durch Rückblick auf das allgemeine Gebiet. Der Traktat beginnt mit einem langen und emphatischen Prolog, in dem der Verfasser die übermässigen Lobeserhebungen des Studenten abzuweisen versucht, und mit Ausdrücken und Begriffen, welche sehr oft in seinen Briefen anzutreffen sind, betont, dass alles Gute in ihm nur von Gnaden Gottes komme. (Prol. § 2-4.) Der darauf folgende Traktat selbst zerfällt in fünf Teile oder Rubriken: in den zwei ersten Teilen untersucht der Verfasser das Problem in seinen allgemeinen Umrissen (1°, was unter Tyrann und Tyrannis zu verstehen sei, Cap. 1°; 2°, ob es gestattet sei, den Tyrannen zu töten, Cap. 2o): in den drei anderen geht er zu der Prüfung des besonderen Falles über (3° ob Caesar ein Tyrann gewesen sei, Cap. 3°; 4°, ob Caesar mit Recht getötet worden sei, Cap. 4o; 5°, ob Dante Brutus und Cassius mit Recht verurteilt habe, Cap. 5o): letztere Rubrik schliesst mit einer kurzen Erörterung der Frage, welche ihm Antonius in untergeordneter Weise aufgeworfen hatte, ob Aeneas und Anthenor wirklich das Vaterland verraten hätten.

Kap. II.

Die literarische Bedeutung des de Tyranno.

3. Der Traktat de Tyranno muss als eine der bemerkenswertesten Erscheinungen der humanistischen Literatur betrachtet werden. Er hat eine zweifache Bedeutung: einerseits für die Literaturgeschichte, und anderseits für die Rechtsgeschichte der italienischen Renaissance. Was erstere anlangt, so genügt es, an das Ansehen des Verfassers zu denken, um den Wert der Schrift genau zu schätzen. Der de Tyranno ist vor allem ein beachtenswerter Beitrag zur Kenntnis der klassischen Bildung Coluccios; denn beinahe alle damals bekannten klassischen und postklassischen lateinischen Schrift

-

steller, Cicero, Vergilius, Livius, Seneca, Suetonius, Lucanus, Juvenal, Valerius Maximus, Justinus, Orosius, Eutropius, Florus, Macrobius, S. Augustinus etc., werden mit grosser Leichtigkeit und Kenntnis von Salutati benutzt und angeführt, sehr oft sogar ganz wörtlich wiederholt; besonders bemerkenswert ist die tiefe Kenntnis von Ciceros Werken, und hauptsächlich von Ciceros Briefen. 20) Dieser Kenntnis verdankt man vielleicht die relative Stylbescheidenheit und Einfachheit des Traktates, der, trotz eines gewissen unvermeidlichen und ganz humanistischen rhetorischen Aufwandes besonders im Prolog und in der Polemik mit Cicero über die Tugenden Caesars einen unbestreitbaren Fortschritt bemerken lässt gegenüber dem schnörkelhaften und durch Phrasen, Übertreibungen und Synonymen schwülstigen Styl,

den wir in den ersten Schriften und mehreren früheren Briefen Coluccios sehen, in denen der Verfasser in seiner noch nicht vollkommenen ciceronianischen Bildung, seinen Styl dem von Seneca, von Plinius und besonders von Petrarka nachzubilden versucht hatte. 21) Auch das ist besonders zu bemerken, dass der Traktat in seinen weitläufigen und zu dem Zwecke der Darstellung ganz nutzlosen Erörterungen über die Wahrhaftigkeit und die Richtigkeit einer Stelle von Valerius Maximus deutlich jene Neigung hervortreten lässt, die Texte zu vergleichen und zu verbessern, in der, wie wir schon durch andere Anzeichen wissen, Coluccio sehr tüchtig war.") Und besonders wichtig, von diesem Standpunkte aus, ist Coluccios Erklärung, die falsche Lesart einer Stelle der ihm gehörenden Handschrift von Valerius Maximus in die richtige

30) Vgl., besonders die Cap. 3 u. 4 des Traktates, welche beinahe vollständig nach ciceronianischen Quellen ausgearbeitet werden.

21) Vgl., über den Styl von Coluccio, die kenntnisreichen Bemerkungen von Sabbadini, Storia del ciceronianismo e di altre questioni letterarie nell' età della Rinascenza. Torino 1886. s. 11 ff. auch Voigt, Wiederbel. II. s. 418 ff.; Rossi, Quattro c. s. 52.

22) Voigt, Wieder bel. I. 213; II. 387: vgl. Tra k t. Cap. 2. § 4 ff.

Fassung mit seiner eigenen Hand gebracht zu haben.") Ausserdem findet die uns schon durch mehrere seiner Briefe als durchhaus nicht mangelhaft oder unsicher bekannte juristische Bildung Coluccios 24) eine neue Bestätigung in der Leichtigkeit, mit welcher er gewisse Behauptungen durch ganz genau dem Corpus Juris entnommene Ausführungen zu verstärken versteht, 25) und in der Sicherheit mit welcher er den juristischen Gesichtspunkt gewisser Fragen zu treffen im Stande ist.")

4. Die literarische Bedeutung unseres Traktates besteht aber besonders in dem darin behandelten Gegenstand. Er ist schliesslich eine ausdrucksvolle Verteidigung Dantes, oder, besser gesagt, einer der meist besprochenen und behandelten Dante'schen Urteile. Er verknüpft sich deshalb unmittelbar mit einer der charakteristischsten Episoden der literarischen Geschichte der florentinischen Renaissance, nämlich mit der Polemik, welche unter den ersten Humanisten in Florenz, gegen Dante und die Dante'sche Dichtung am Ende des XIV. Jahrhunderts geführt wurde.") Schon daraus erhellt, dass Coluccio trotz der Anklagen und Angriffe einiger Ge

[ocr errors]

23) Vgl. Trakt. C. 2 §. 5: Ego tamen corruptionis et mendi certus ex codice meo Valerii voces illas Scipio Nasica sustuli, et asina, sicut ab initio scriptum arbitror, annotavi...“ Vgl. über die Bedeutung dieses Stückes des Traktates, Novati, Epist. III. s. 400, Anm. zum cit. Briefe 27. Juni 1400. 24) Mit der juristischen Bildung Coluccios werde ich mich nächstens in einer besonderen Abhandlung beschäftigen: vgl. inzwischen was über seine jugendliche Ausbildung Novati, La giovinezza di Coluccio Salutati. Torino 1883. s. 66 ff., schreibt.

25) Vgl. Trakt. c. 2. § 1, 2, 7-9, und die in den Anmerkungen unserer Ausgabe angeführten Stellen.

26) Vgl. besonders alles was Coluccio über die Frage des Tyrannenmords schreibt, in Behandlung derselben weicht er von der ganzen vorigen Literatur fast vollständig ab: Trakt. c. 2 und c. 3, und Einleit. Kap. IV § 4.

27) Vgl. besonders Wesselofsky, Il Parad. degli Alberti s. 12 ff.; auch Voigt, Wiederbeleb. I. 384 ff.; Rossi, Quattro c. s. 70 ff.; Kirner, I Dialogi ad Petrum Histrum. s. XI ff., und neuerdings Santini, La produzione volgare di Leonardo Bruni e il suo culto per le tre corone fiorentine, in Giorn. Stor.

della Letter. Ital. 1912. s. 289 ff.

lehrten gegen Dante, unter welchen sich auch sein Freund Niccoli befand, sich in die Reihe der Bewunderer und Verteidiger des Dichters gestellt hatte; 28) und zweifellos stellt sein Traktat, welchen wir ausdrücklich in jenem Dialoge Brunis, der für uns eine der hauptsächlichsten Urkunden für jenen Streit bietet, angeführt finden, einen entscheidenden Beweis seiner Begeisterung und seiner Ergebenheit für den Dichter dar. Die Frage, die ihm der paduanische Student vorgelegt hatte, war übrigens gar nicht neu, und ging im Wesentlichen auf Beantwortung einer der gegen den Dichter am häufigsten erhobenen Anklagen aus. Denn das in mehreren Zeitgenossen und Vorläufern Coluccios lebendige republikanische Bewusstsein war von dem strengen Urteil verletzt worden, das Dante gegen diejenigen Hauptmörder Caesars ausgesprochen hatte, die von der klassischen Überlieferung mit dem Heiligschein des Heldentums und der Vaterlandsliebe umgeben worden waren.") Coluccio wollte aber, obwohl er florentinischer Staatssekretär und in der Tiefe der Seele überzeugter Republikaner war, 30)

28) Vgl. Wesselofsky, Parad. degli Alberti, s. 32 ff.; Rossi, Quattroc. s. 70; Klette, Beitr. II. 7 etc.

29) Vgl. die wichtigen Andeutungen von Bezold, Republik u. Monarchie in der italien. Liter. des XV. Jahrhund. cit. s. 34, Anm. 1: als hauptsächlicher Vertreter dieser Tendenz erscheint L. Bruni, Dialog. ad Petrum Histr., bei Klette, s. 61:,,. . . est . . . gravius atque intollerabile, quod M. Brutum, hominem iustitia, magnitudine animi, modestia omni denique virtute taudem praestantem, ob Caesarem interfectum libertatemque populi romani ex faucibus latronum evulsam, summo supplicio damnavit... Caesar autem vi et armis rem publicam occupaverat, interfectisque bonis civibus patriae suae substulerat . . ." etc.

30) Das republikanische Gefühl Salutatis geht aus mehreren seiner Briefe hervor, und besonders aus den amtlichen und offiziellen Briefen, die er als Staatssekretär während des berühmten Krieges degli Otto Santi (1375—1376) schrieb: vgl. Voigt, Wiederbel. I. 198 ff. und Gherardi, Laguerra dei Fiorentini contro Gregorio IX. etc., in Arch. Stor. Ital. 5. III. Vol. 5. p. II: besonders Salut. Epist. I, L. III. ep. 23. 5. nov. 1375. s. 213 ff. Von diesem Gesichtspunkte aus ist die bekannte Invectiva in Antonium Luschu m von Coluccio (Florentiae 1826) auch bemerkenswert, wo er, gegen die Anklagen des lombardischen Humanisten, die Freiheit und die republikanische Verfassung von Florenz verteidigt.

die volle Rechtmässigkeit des Dante'schen Urteiles beweisen, und konnte das mit einem solchen Reichtum an Beweisgründen und mit einer so vollkommenen individuellen Eigentümlichkeit, welche allen denjenigen fremd war, die vor oder nach ihm dieselbe Frage behandelt haben.") In dieser Eigentümlichkeit liegt vielleicht eine der hauptsächlichsten Vorteile des Traktates. Denn fast alle früheren oder späteren Erklärer Dantes stimmen darin überein, dass Caesar tatsächlich ein Tyrann, Brutus und Cassius dagegen Befreier des Vaterlandes und Wiederbegründer der Freiheit gewesen seien; 2) alle aber rechtfertigen auch Dantes Urteil und ver

31) Diesbezüglich sind die lebhaften in dem Cod. Sessor. 1443 (Bibliothek Vittorio Emanuele von Rom: vgl. darüber diese Einleitung Kap. VI) enthaltenen Rand bemerkungen zum Texte unseres Traktates beachtenswert, in denen man das Urteil Dantes und die Meinungen Coluccios nach der republikanischen Überlieferung und durch zum grossen Teile dem Dialoge Brunis entnommene Beweisgründe noch bestreitet (vgl. Trakt. c. 3. passim): denn daraus ergibt sich, dass die Frage immer die Aufmerksamkeit der literarischen Kreise erregte, und dass der Traktat Coluccios durchaus nicht unbemerkt vorübergegangen war. Eine andere bedeutende Andeutung über den de Tyra n n o Coluccios ist vielleicht, nach beinahe zwei Jahrhunderte, noch bei dem Dialoge Giannotti's, Dé giorni che Dante consumònel cercare l'Inferno. Firenze 1859. s. 54, zu finden, in dem die Frage über die Dantesche Verurteilung der Mörder Caesars auch wieder zum Vorschein kommt, und man darüber sagt: è querela vecchia, e da altri è stata confutata. .“

[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

32) Vgl. Stefano Talice da Ricaldone, Com me n t. alla Div. Commed. Torino 1886. s. 209: quamvis Caesar esset dignus tali morte, propter sanguinem humanum quem sparserat . . ." so Niccoli, nach Bruni, Dialog. in Petr. His t r. cit. s. 76: „,. . . An tu putas Dantem virum omnium aetatis suae doctissimum ignorasse, quo pacto Caesar dominium adeptus fuerit; ignorasse libertatem sublatam et ingemiscente populo romano diadema a M. Antonio capiti Caesaris impositum: ..“und so später, Crist. Landino, Com ment. in Dante. Venetiis 1578: Cesare, non essendo giusto, non poteva essere giusto imperatore... Non niego Cesare essere stato hornato di molte virtù; ma subito che in lui nacque si efferata empietà che, per speranza di occupare la tirannide, passò il fiume Rubicone, d'uomo eccellentissimo divenne immanissima fiera... "etc., und Giannotti, De' giorni etc. s. 56 ff.:,,... Che Bruto e Cassio meritino quelle lodi che tutto il mondo ha dato loro, consento . . . Non è da credere che Dante non conoscesse che Cesare fu tiranno della sua

[ocr errors]
« PrethodnaNastavi »