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der Unterscheidung des Bartolus schon in einigen Prozessen jener Zeit bemerken haben.282) Jedenfalls, hätte auch wirklich Coluccio den Begriff der Unterscheidung zwischen Tyrannis ex def. tit. und Tyrannis exercitii dem Traktate des Bartolus entnommen, so steht es immer fest, dass er, wie uns die Erwägung seiner Lehre deutlich zu erkennen geben wird, den Begriff bemerkenswert entwickelt und vervollständigt, d. h. zu Anwendungen und Folgen gebracht hat, zu denen der Begriff selbst bei Bartolus gar nicht gelangt war. Trotzdem jedoch kann das genaue Verständnis des Gedankens Coluccios durch das Verständnis des Gedankens des Bartolus bedeutend erleichtert werden.

3. Das Verhältnis der monarchischen zur tyrannischen Regierung bei Coluccio.

58. Die Tyrannis ist nach Coluccio die in einem autonomen Staate entweder non iure gewonnene oder non iure ausgeübte Regierung283). Es ist zunächst ein wichtiger Unterschied zwischen diesem Begriffe und dem durch die ganze mittelalterliche Überlieferung übermittelten pseudaristotelischen Begriffe zu bemerken, nach dem die tyrannische Regierung schliesslich eine besondere Gattung der monarchischen Regierungsform war. Die Tyrannis nämlich ist nicht mehr die schlechte Gattung der monarchischen Regierungsform, sondern die monarchische unter jedweder Form unrechtmässig ausgeübte Regierung24), d. h. es gibt jetzt keinen Unterschied zwischen guten und schlechten Regierungsformen, sondern nur einen Unterschied zwischen rechtmässigen und unrechtmässigen Ursprüngen, zwischen rechtmässigen und unrechtmässigen Ausübungen der Regierung

282) Vgl. oben s. 68 ff.

99...

283) Vgl. Col. Salut. De Tyra n n. c. 1. § 8: . . . Proprium... est tyranni non iure principari, quod quidem duplici ratione contingere potest:. vel si non suum quis occupaverit principatum vel si regat iniuste..."“ etc.: vgl. oben systematische Darstellung s. 29: auch Epist. an Carlo di Durazzo cit. s. 33.

284) Col. Salut. De Tyrann. c. 1. § 7: vgl. system. Darstellung. cit.

selbst. So befindet sich der Begriff von tyrannischer Regierung in einem bestimmten Verhältnisse zur monarchischen Regierung, sogar zu jeder Form der monarchischen Regierung; und so z. B. ist die Tyrannis deutlich von der despotischen Regierung unterschieden. Eine despotische Regierung nämlich kann wohl, der Ansicht Coluccios nach, eine rechtmässige Regierung sein, wenn auch gewöhnlich in der Mehrheit der Fäll ein despotischer Herrscher wirklich ein tyrannischer Herrscher ist, und eine solche Regierung ist eine tyrannische, nur wenn die despotische Regierung unrechtmässig ausgeübt wird, d. h. wenn der Herrscher kein Recht, despotisch zu regieren, hat.285 Coluccio weicht infolgedessen bemerkenswert von den Anschauungen des Thomas, des Tholomaeus von Lucca und des Aegidius ab, denen er jedoch den Begriff der Unterscheidung zwischen königlicher, politischer, despotischer und ökonomischer Regierung entnommen hatte286), und nach denen schliesslich, trotz der grossen Verwirrung und Unordnung in der Behandlung, tyrannische Regierung und despotische Regierung gleichbedeutend sind;287) und scheint einer Stelle von Guilelmus Ockam gefolgt zu haben.288 Aber auch zwischen seiner An

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285) Col. Salut. De Tyrann. c. 1. § 7: Tyrannus autem licet omnibus opponatur, quia tamen eius proprium est pessundare leges superbe se gerere suisque non subditorum utilitatibus providere, magis cum iconomico convenit atque dispotico secundum finem cuius est que sibi conduxerint maxime sequi... sed in eo quod ad voluntatis arbitrium spectat cum regali congruit principatu . . .“ etc.,,Proprium enim est tyranni non iure principari...

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286) Col. Salut. De Tyrann. c. 1. § 7.

287) Vgl. Thom. Aquin. De regim. Princip. I. c. 6; II. c. 8, 9; III. c. 11 etc.; Aegid. Columna, De regim. Princip. II. p. 2. c. 3 ff; und darüber Janet, Hist. de la science polit. I. s. 393 ff.

288) Vgl. Guilelm. Ockam, Dialogus p. III. T. II. c. 6:,,. . . malus rex tyrannus fit: si enim secundum legem incipiat principari involuntariis propter bonum proprium, fit tyrannus; si incipiat principari voluntariis propter bonum proprium fit proprie despotes. Cuius principatus nonnumquam tyrannicus ab Aristotele vocatur propter similitudinem magnam ad despoticam: non tamen Tyrannis proprie est despotia.... principatui regali... non solum Tyrannis proprie dicta sed, etiam principatus despoticus aliquo modo opponitur..."

schauung und der Anschauung Ockams gibt es einen Unterschied. Schließlich wiederholt Ockam die echte und nicht so einfache, wie die mittelalterliche Überlieferung geglaubt hatte, aristotelische Lebre: er wiederholt nämlich den von uns schon angedeuteten schwankenden und unbestimmten aristotelischen Doppelbegriff, demgemäss man Regierungen, besonders despotische Regierungen, haben kann, die von einem Gesichtspunkte aus königlich und von einem anderen tyrannisch sind.289) Ein solcher mittlerer Begriff scheint Coluccio ganz unbekannt zu sein: für ihn, wie schliesslich schon für Bartolus, ist die Regierung entweder rechtmässig oder tyrannisch, und die despotische Regierung ist tyrannisch oder nicht, je nachdem sie rechtmässig ist oder nicht. Die Tyrannis ist also etwas, das sich der despotischen wie der politischen und der königlichen Regierungsform deshalb entgegensetzt, weil sie bei jeder dieser Regierungsformen stattfinden kann. Der Unterschied zwischen Ockam, d. h. zwischen Aristoteles, und Coluccio liegt besonders darin, das Coluccio, wie schon damals Bartolus, von einer wirklich streng juristischen Definition und von einer deutlichen Unterscheidung zwischen den zwei Tyrannisbegriffen ausgeht.

4o. Die Tyrannis ex defectu tituli bei

Coluccio.

59. Der Begriff von Tyrannis titulo oder ex def. tituli ist wesentlich bei Coluccio derselbe Begriff, den wir aus der Behandlung des Bartolus herausgezogen und dargestellt haben. Nämlich, jede Regierung ist nach ihm als eine tyrannische exdef. tituli zu betrachten, bei der der Herrscher entweder eine ihm gar nicht übertragene, oder eine ihm durch einen aus

...

289) Vgl. Guil. Ockam, Dialog. III. C. II. c. 6:,,... Quidam principatus unius Monarchae non est institutus totaliter propter bonum commune sed etiam propter bonum proprium et talis principatus regalis aliquid habet de principatu tyrannico vel despotico et est quodammodo mixtus ex principatu despotico tyrannico et regali. . . unde aliquis principatus regalis et tyrannicus vocatur ab Aristotele..." etc. das ganze Kap. ist jedoch zu lesen: vgl. über den aristotelischen Begriff oben 8. 35.

Mangel an irgendeiner wesentlichen Eigenschaft der auf die Übertragung selbst gerichteten Willenserklärung ungültigen und fehlerhaften Akt übertragene Gewalt ausübt.290) Die tyrannische Regierung ex def. tit. ist also auch bei Coluccio mehr als eine verfassungswidrige, eine vor dem Rechte nicht bestehende Regierung.291) Der Begriff aber wird, wie schon erwähnt, von Coluccio vervollständigt und zu Bartolus unbekannten Folgen gebracht, die dem Traktate Coluccios einen besonderen Platz in der Geschichte der Tyrannislehre hauptsächlich verschaffen.

A) Die Unterscheidung zwischen,,civitates super. recognosc." und ,,civit. super. non recognosc." und die ,,confirmatio superioris."

60. Die Lehre Coluccios setzt, wie schon die Lehre des Bartolus, den Grundsatz voraus, dass jeder Übertragungsakt der Gewalt von einem Subjekte herkommen muss, das die Gewalt selbst zu übertragen fähig sei. Sie setzt nämlich die Unterscheidung zwischen fähigen und unfähigen, d. h. zwischen autonomen und abhängigen civitates voraus. Bei den ersten stammt die Gewalt, entweder in absolutem Sinne, bei den ganz selbständigen civitates, oder in relativem Sinne, d. h. innerhalb der Schranken der anerkannten Autonomie, bei den bloss autonomen civitates, direkt von der civitas her: bei den anderen muss die Gewalt immer und nur von der höheren Autorität herstammen. Hier eben liegt schon ein wesentlicher Unterschied zwischen Bartolus und Coluccio. Denn bei Bartolus kann die Gewalt nur entweder von der höheren Autorität, oder, innerhalb der Schranken der Autonomie, von der autonomen civitas herstammen: bei Coluccio dagegen kann auch die Gewalt von der autonomen civitas und von der höheren Autorität herkommen. Wenn

290) Vgl. System Darstellung s. 20 ff.

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291) Vgl. z. B. De Tyrann. c. 4 §. 3: et quis tunc repertus est qui causaretur dictatorem vitio factum reluctatibusque legibus rite nichil facere potuisse ? ...

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also Bartolus die blosse Unterscheidung zwischen rechtsfähigen und rechtsunfähigen civitates, d. h. zwischen den civitates,,quae ius eligendi Rectorem habent" und den civitates, welchen ein solches Recht nicht anerkannt wird, voraussetzt, so führt Coluccio in die Unterscheidung dadurch ein neues Element ein, dass er auch nur teilweise rechtsfähige civitates ausdrücklich annimmt: d. h. civitates, die ja als zur Übertragung der obersten Gewalt fähig zu betrachten sind: deren Übertragungsakt der Gewalt aber, um rechtsgültig und vollendet zu sein, eine nachfolgende Vervollständigung durch die feierliche Zustimmung der höheren Autorität braucht. Der Unterschied liegt also besonders darin, dass bei Coluccio die von einer noch abhängigen - d. h. super. recognosc.civitas genossene Autonomie so weitgehend sein kann, dass der civitas selbst eine direkte Einwirkung auf den Ursprung jener obersten Gewalt zustehe, die jedoch immer nur im Namen der höheren Autorität ausgeübt werden kann. Und der Begriff Coluccios ist um deshalb wichtig, weil er wahrscheinlich eben von der Betrachtung der positiven staatsrechtlichen Verhältnisse der italienischen Städte jener Zeit veranlasst worden ist, und zur Beantwortung einer für die Verfassungsgeschichte der italienischen Renaissance wesentlichen Frage gelangt.

61. Stand wirklich die absolute Fähigkeit, rechtsgültige und legitime Regierungen entstehen zu lassen, den italienischen Städten der Renaissance zu? Die Frage ist wesentlich, um es nach der oben dargelegten Lehre feststellen zu können, ob die aus dem Stamme des Commune entstandenen italienischen Regierungen als tyrannische e x def. tit. oder nicht zu betrachten sind. Auf diese Frage ist aber bei Bartolus keine überzeugende Antwort zu finden. Bartolus hatte einmal folgende Worte geschrieben: Cum quaelibet civitas Italiae hodie dominum non recognoscat, in se habet liberum populum et habet merum imperium in ipsa et tantam potestatem habet in populo, quantam Imperator in universo.292)..." Es ist aber wenigstens sehr

292) Bartold. ad L. 1. Dig. 48. 1: so ad L. 1. 2. 51 u. 21 in,,consilium vicem imperatoris gerit in illa civitate . . ."; ad L. 4. Dig. 50. 9. n. 7.: . . populus

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