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man bemerken, dass ein solcher Missbrauch der Gewalt eine notwendige unvermeidliche Folge eines solchen Arbitriums war: diese Bemerkung aber, welche eine ganz politische und historische Bedeutung hat, ist hinsichtlich der staatsrechtlichen Lage der Signoria ganz unwichtig.

§ 4.

Das Widerstandsrecht gegen den Tyrannen: Die Lehre Coluccios und ihre Grundlagen.

72. Wie schon bemerkt, lässt sich Coluccio auf die die Rechtsgültigkeit oder Unrechtsgültigkeit der Akte der tyrannischen Regierung betreffende Frage nicht ein, welche doch der hauptsächliche Gegenstand des Traktates des Bartolus ist; sondern er tritt, ganz entsprechend der spezifischen Gelegenheit, aus welcher sein Traktat entsprungen war und dem spezifischen Ziele, dass sich er vorgestellt hatte, einer nicht weniger wichtigen von Bartolus ganz vernachlässigten Frage näher: der Frage nämlich, ob und innerhalb welcher Schranken dem Volke und den Einzelnen das Recht, sich gegen die tyrannische Regierung zu empören und dieselbe niederzuwerfen, zusteht.

1o. Das Aufstandsrecht des Volkes.

73. Aus den oben erwähnten Grundsätzen Coluccios kommt man logisch und natürlich zum Schluss, dass jede tyrannische Regierung niedergeworfen werden darf.328) Das Recht des Volkes zum Widerstande oder zum Aufstande wird von Coluccio ausdrücklich und feierlich anerkannt: ein solches Recht stehe dem Volke unbeschränkt und ohne Unterschied zu, in dem Falle einer Tyrannis ex def. tit: unterliege dagegen einer wesentlichen Einschränkung in dem Falle einer Tyrannis exercitio.

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de Camino: Gerardus... rexit. . . sicut homo qui poterat facere id quod volebat et alte at basse de ipsa civitate . . ."; Dom. Francisc. de Axillo:,,. . . . rexerunt... magis more tyrannico quam rationabiliter..." etc. etc.; für die carraresische Regierung und den Prozess von 1389 vgl. Cessi, II malgoverno di Francescoil Vecchio cit. s. 741 ff. und oben s. 328) Vgl. System. Darstell.

74. Diese Einschränkung ist eine notwendige Folge seiner Lehre hier kommt noch die Unterscheidung zwischen fähigen und teilweise unfähigen Gemeinwesen wieder zum Vorschein, die, wie schon bewiesen, für die Lehre Coluccios grundlegend ist. Wie bei einigen civitates die auf die Entstehung einer neuen Regierung gerichtete Willenserklärung des Volkes durch eine aus einer höheren Autorität herkommende feierliche confirmatio vervollständigt werden muss, so ist bei denselben civitates auch für die auf die nachträgliche Absetzung derselben Regierung gerichtete Willenserklärung des Volkes eine solche Vervollständigung nötig: wenn nämlich in den civitates ,,quae superiorem non recognoscunt" das Volk das Urteil über die tyrannische Handlungsweise seiner Regierenden abgeben kann, so kann dagegen bei den anderen ein solches Urteil nicht bloss von dem Volke, sondern auch von dem im Namen des Volkes über die Regierung selbst richtenden Superior erlassen werden.329) Daraus ist natürlich nicht zu folgern, dass das Volk von der höheren Autorität ein solches Urteil immer erwarten müsse: es kann sogar in der Mehrheit der Fälle das Urteil freiwillig hervorrufen: denn dem Volke steht natürlich das Recht zu, sich gegen die Tyrannis seiner Regierung an das Gericht der höheren Autorität zu wenden. In diesen Ländern also besteht das Aufstandsrecht des Volkes gegen den Tyrannen exercitio im Rechte, von der souveränen Autorität ein Absetzungsurteil zu verlangen. Natürlich ist es dem Begriffe nach unbegreiflich, wie eine souveräne Autorität sich weigern könne, eine wirklich tyrannische Regierung zu verurteilen: und wenn der Superior tatsächlich bei einer solchen Weigerung hartnäckig beharrt, so wird derselbe endlich zum Tyrannen.330) Jedenfalls ist eine solche Ablehnung nicht genügend, um einer gegen den Volkswillen handelnden Regierung den Charakter der Tyrannis abzusprechen, sondern nur

329) Vgl. Col. Salut. De Tyrann. c. 2. § 13:,,... et quod a superiore deponi valeat atque puniri, nullum crediderim denegare, dummodo rite processum fuerit .. etc.

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um die feierliche Anerkennung dieses Charakters zu verzögern.331) Wenn anderseits die höhere Autorität so entfernt oder so ohnmächtig ist, dass sie ihre Rechte nicht ausüben kann, hat das Volk das Recht, den Tyrannen in der Zwischenzeit aus eigener Macht abzusetzen: die Absetzung aber unterliegt einer gewissen aufhebenden Vorbedingung, solange nicht ein ordnungsmässiger Prozess seitens der höheren Autorität die vorläufige Willenserklärung des Volkes vervollständige.

75. Diese Lehre ist nichts anderes als eine logische Entwicklung des Tyrannisbegriffes Coluccios, und hat dieselben ideellen Ursprünge: d. h. sie steht in Beziehung mit der Lehre der Volkssouveränetät. Wahrscheinlich aber ist ihre direkte Quelle mehr als bei Marsilius, bei Thomas zu suchen. Denn nicht nur wird bei Thomas das Aufstandsrecht des Volkes gegen den Tyrannen ausdrücklich anerkannt, sogar als eine Pflicht betrachtet,332) sondern es wird schon bei Thomas der Begriff des Berufungsrechtes des Volkes an eine höhere Autorität gegen den Tyrannen angedeutet.333) Man darf jedoch nicht vergessen, dass dieser Begriff und der Begriff des Aufstandsrechtes des Volkes im allgemeinen bei Thomas durch theokratische vorhergefasste Ideen eingeschränkt wird, die der Lehre Coluccios unbekannt sind.

2. Das Recht zum Tyrannenmorde. 76. Aber die Frage des Aufstandsrechtes hat für Coluccio eine ganz untergeordnete Bedeutung: besonders wichtig ist für 331) In der Tat hat das Kaisertum fast niemals die italienischen Städte der Renaissance von den Tyrannen befreiet, es hat sogar ganz tyrannische Regierungen sehr oft durch die Verleihung des Vicariats bestätigt; eine solche Bestätigung aber konnte nicht den Missbrauch der Gewalt heilen: vgl. oben s. 122 Anm. 303.

332) Vgl. Thom. Aquin. Summa Theolog. P. II. 2. q. XLII. Art. 23: perturbatio huius regiminis non habet rationem seditionis. . ." etc. Magis autem tyrannus seditiosus est, qui in populo sibi subiecto discordias et seditiones nutrit ut citius dominari possit. Hoc enim tyrannicum: cum sit ordinatum ad bonum proprium praesidentis, cum multitudinis nocumento

.

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333) Vgl. Thom. Aquin. De Regim. Princip. I. c. 6: si vero ad ius alicuius superioris pertineat multitudini providere de rege, expectandum est ab eo remedium contra tyranni saevitiam . . .

ihn die Frage des Tyrannenmordes, welche den grössten Teil seines Traktates umfasst. Steht dem Einzelnen oder den Einzelnen das Recht zu, den Tyrannen zu töten?

Die Frage des Tyrannenmordes ist eine der meist behandelten Fragen der mittelalterlichen Publizistik, und es gibt darüber eine ganze Literatur.334) In der Geschichte dieser Frage nimmt Coluccio durch seinen Traktat eine sehr wichtige und bis jetzt unbekannte Stellung ein, deren Bedeutung zweifellos Niemand entgehen kann, wenn man denkt, dass der Traktat nur wenige Jahre vor dem Konzil von Konstanz und der berühmten Polemik zwischen Jean Petit und Gerson erschien, die, wie bekanntlich, eine so bedeutende Phase in der Geschichte der Frage darstellte. In der Tat hatte die Frage vor Coluccio keinen entscheidenden Schritt zu einer Lösung gemacht, und dazu gerieten noch in der Überlieferung verschiedene entgegengesetzte Elemente untereinander in Streit.

A) Der Tyrannen mord nach der klassischen, biblischen und christlichen Überlieferung.

77. Bekanntlich war der Tyrannenmord im klassischen Altertum, in Griechenland und selbst im republikanischen und kaiserlichen Rom, immer als eine Heldentat gepriesen worden, und es würde uns hier gewiss zu weit führend, alle Lobeserhebungen zu erwähnen, die, seit dem Gesange der Athener zum Loben des Harmodius und des Aristogeiton, von Dichtern, Historikern und Philosophen des Altertums den berühmten Tyrannenmördern gewidmet wurden.335)

334) Vgl. besonders Janet, Hist. de la science polit. I. 372 ff.; Huber, Der Jesuitenorden. Berlin 1873. s. 26 ff.; 263 ff.; Lossen, Die Lehre vom Tyrannenmord in der christlichen Zeit, München 1894. cit.; Gennrich, Die Staats- u. Kirchenlehre v. Johannes von Salisbury. Gotha 1894. s. 97 ff.; Treumann, Die Monarchomachen cit. s. 41 ff.; Schmidt, Die Lehre vom Tyrannenmord. Ein Kapitel aus der Rechtsphilosophie. Tübingen 1901; Böhme, Der Tyrannenmord nach der Lehre der katholischen Kirche. München, bei G. Birk & Co. etc.

335) Vgl. Treumann, Monarchom. s. 42; Schmidt, Lehre v. Tyra n n. s. 5 ff: besonders wichtig für die nachträgliche Überlieferung die Stelle

78. Nicht so bekannt vielleicht ist dagegen, dass eine solche Verherrlichung des Tyrannenmordes auch in einer anderen Reihe von Quellen des Altertums zu finden ist, die obgleich mit der klassischen Überlieferung nichts zu tun haben, demnoch eine starke Einwirkung auf den mittelalterlichen Gedanken ausübten d. h. die Bücher des Alten Testaments.336) Bei diesem grundlegenden Werke wird der Tyrannenmord nicht nur gerechtfertigt, sondern sehr oft bis in den Himmel erhoben. Wenn man nur an die Geschichte von Judith und vom König Amman denkt, so wird man davon vollständig überzeugt. Vielleicht war sogar die Neigung den Tyrannenmörder als einen Helden zu betrachten, noch stärker und entscheidender im Alten Testament, als in der klassischen, und besonders in der früheren griechischen und lateinischen Überlieferung. Denn solange der griechische Tyrannisbegriff ein ganz rein juristischer Begriff geblieben war, nämlich der Begriff einer verfassungswidrig erworbenen Gewalt, war es für die republikanische Überlieferung natürlich und logisch, den Mord des Tyrannen als eine Befreiung des Vaterlandes zu betrachten und zu preisen. Aber eine solche allgemeine und unbeschränkte Lösung musste etwas gefährlich werden, seitdem der Begriff begann, der schon von uns geschilderten Veränderung zu unterliegen :337) denn es war immer möglich, eine rechtmässige Regierung als schlecht und gemeinschädlich ungerecht zu verurteilen. Wie konnte der Einzelne darüber ein gerechter und unparteilicher Richter sein ?338) So war die Frage des Tyrannenmordes schliesslich zu einer von Fall zu Fall lösbarer reiner Tatbestandsfrage geworden, die jedoch fast immer durch die Rechtfertigung des Mörders gelöst wurde.

Ciceros, De offic. III. c. 4. 19:,,... Quod potest maius esse scelus quam non modo hominem sed etiam familiarem hominem occidere? Non igitur se astrinxit scelere, si quis tyrannum occidit quamvis familiarem? Populo quidem romano non videtur, qui ex omnibus praeclaris factis illud pulcherrimum existimat ."; auch Böhme, Tyrannen mord, 7 f.

336) Vgl. darüber Schmidt, Lehre v. Tyran n. s. 19 ff.

337) Vgl. Zeller, Üb. den Begr. d. Tyrann. bei den Griechen, cit. s. 1137 ff.

338) Vgl. Zeller, Üb. den Begr. 1440.

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