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wurden,356) aber jedenfalls scheint es uns, dass die Bemühungen einiger Ausleger des Gedankens des Thomas um dieser Stelle jeden beweisenden Wert für die Meinung des Thomas über den Tyrannenmord absprechen zu können, nicht sehr überzeugend sind und jedenfalls ist es wenigstens zuzugeben, dass der grosse Theolog sich dabei mehr von den heidnischen Autoritäten leiten liess als von den Vorschriften des Evangeliums.357) Und jedoch ist seine Auffassung der heidnischen Überlieferung gegenüber dadurch originell, dass er einige jener Überlieferung unbekannte Einschränkungen eingeführt hat, durch welche der Tyrannenmord nur im Falle einer Tyrannis e x de f. tit. und nur im Falle, dass keine Anrufung einer höheren Autorität möglich sei, als zulässig zu betrachten ist. Darum scheinen uns diese Einschränkungen bedeutend zu sein, weil sie die Frage nach einer Lösung einleiteten, die scheinbar das Vorspiel zur Lehre Coluccios abgab.

C) Der Tyrannenmord bei Bartolus.

83. Die Frage war aber vor Coluccio noch bei Bartolus ohnehin wieder zum Vorschein gekommen; und sie hatte von Bartolus eine ganz besondere und einfache Lösung erhalten. Der Tyrann ex def. tit. — sagt er — ist der Lex Julia Maiestatis unterworfen, d. h. er kann zur Todesstrafe verurteilt werden: der Tyrann exercitio,,ex eo quod subditos adfligit", kann mit der Lex Julia de vipublica, d. h. mit Deportation und Infamie, und auch nach der Lex Julia de ambitu bestraft werden: Bartolus selbst fügt

356) Vgl. besonders Eusebio Eraniste (Gianvincenzo Patuzzi), Lettere apologetiche ovvero difesa della dottrina dell'angelico Dottore... sulla materiadelTirannicidio. Venezia 1763, und Jourdain, La philosophie de S. Thomas d'Aquin. Paris 1858. I. Anm. 12: auch Lossen, Lehre v. Tyrann. 14; Treumann, Monarch. 44; Janet Hist. de la science polit. I. 416 etc.

357) Vgl. Lossen, Lehrev. Tyr a n n. 19: vgl. auch im Hist. Jahrb. des Görre - Ges. 1892. Heft 3, die Polemik über die Lehre des Thomas vom Tyrannenmord zwischen dem Eichstätter Professor Jos. Schlecht und dem P. Bernh. Duhr, S. J.

"357)

noch sorglich hinzu:,,. . . Item forsan incidit in poenam capitalem . Diese Lösung der Frage entspricht ohne Zweifel der juristischen romanistischen Bildung des Bartolus: sie lässt jedoch die wesentlichen Punkte der Frage selbst-besonders den die Beziehung zwischen dem Superior und dem untertanen Volke betreffenden Punkt — fast ungelöst. Von wem soll das Todes- oder Deportationsurteil gegen den Tyrannen erlassen werden: von dem Superior d. h. nach Bartolus ge

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wöhnlich das Kaisertum oder von dem Volke? Oder wann von dem Superior und wann von dem Volke? Und ist der Tyrann e x d e f. tit. als ein „,privatus pro potestate magistratuve gerens...358) zu betrachten dem Superior oder dem Volke gegenüber? Die schon oben bemerkte Unvollkommenheit der Lehre des Bartolus erscheint hier noch deutlicher. Wie dem auch sei, ist es wenigstens und zweifellos aus seiner Lehre zu entnehmen, dass er den Tyrannenmord in seinem gewöhnlichen Sinne ausgeschlossen hat. Denn, indem er die Ausübung der Tyrannis als ein bestimmtes Verbrechen betrachtet, das nur durch einen ordnungsmässigen Prozess festgestellt werden kann, setzt er zweifellos voraus, dass das Todesurteil nur von einer mit öffentlicher Macht ausgestatteten Person vollzogen werden kann. Jedenfalls sollte die Lehre des Bartolus notwendig unvollkommen sein, weil sie auf juristische Stellen begründet war, die tatsächlich mit der Tyrannis in dem eigenen Sinne dieses Wortes nichts zu tun hatten.

D) Der Tyrannenmord bei Coluccio.

84. Ganz unabhängig von Bartolus ist die Lehre Coluccios, die von Thomas unmittelbar anzuheben scheint. Es ist aber vorauszuschicken, dass bei den Zeitgenossen Coluccios die Ver

48. 4:

gesserit

357)bis Bartol. De Tyrann. 13. 33: auch 1. 3 Dig. adleg. Jul. M a j.

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quive privatus pro potestate magistratuve quid sciens dolo malo capite punitur.

66

358) C. 3 Dig. 48. 4: über die Stelle des Bartolus vgl. Treumann, Monarch. 48.

herrlichung des Tyrannenmordes in voller Kraft blüte.359) Verschiedene Elemente hatten dazu beigetragen: die Wiederbelebung des klassischen Altertums, die Ausdauer der republikanischen Gesinnungen, die wirkliche Grausamkeit und Bösartigkeit mehrerer damaliger italienischer Alleinherrschaften. Ohne Zweifel würde es zu ausführlich sein, alle in der italienischen Literatur der Renaissance anzutreffenden Lobeserhebungen zu erwähnen, und es genügt, bei den schon angeführten Quellen über das dantesche Urteil gegen die Mörder Caesars länger zu verweilen.360)

85. Dieser allgemeinen Neigung seiner Zeit scheint Coluccio in seinem Briefe von 1385 über den gewaltsamen Untergang Bernabos Visconti wirklich gefolgt zu haben. In der Tat hatte Gian Galeazzo seinen Onkel Bernabò nicht getötet, sondern durch Verrat aus der Regierung vertrieben, und in einen Kerker geworfen. Coluccio aber stellt sich, als glaube er wirklich, dass ein Mord stattgefunden habe, und rechtfertigt, verherrlicht sogar ausdrücklich einen solchen Mord ohne irgendeine Unterscheidung und Einschränkung einzuführen.361) Bernabò verdiene als abscheulicher und grausamer Tyrann und zwar als Tyrann e x parte exercitii — d. h. als Feind des Volkes und des Gemeinwohls getötet zu werden: und daher sei Gian Galeazzo als Befreier des Vaterlandes zu verherrlichen; und es mache nichts aus, dass der Mord eine freiwillige, von jedem Todesurteile des Volkes oder des Kaisertums unabhängige Tat gewesen sei. Das Recht zum Tyrannenmorde erhält so unbeschränkte Anerkennung. Es ist aber dabei zu bemerken, dass

359) Vgl. darüber Martini, Il tirannicidio nel Rinascimento 8. 21 ff.: auch Burckhardt, Die Kultur der Renaiss. I. 16 ff.

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360) Vgl. oben s. 105: auch Boccaccio, Decasib. viror. illustr. II. c. 5: Hostis est (scil. Tyrannus): in hunc coniurare, arma capessere, insidias tendere, vires opponere magnanimum est, sanctissimum est et omnino necessarium... Cum nulla fere Deo sit acceptior hostia quam tyranni sanguis . . . Et regum vita, quantumcunque satellitum praesidio vallata est, plus aestimari non potest, quam is velit qui pro morte eius suam vitam effundere dispositurus est ..." etc.

381) Col. Salut. Epist. II. L. VI. ep. 5. s. 146 ff.

ein grosser Teil der in diesem Briefe dargelegten Meinungen den vorläufigen politischen Absichten Coluccios zuzuschreiben ist.362) Die wahre Meinung Coluccios über den Tyrannenmord ist nicht diesem Briefe, sondern seinem Traktate zu entnehmen. In dem Briefe von 1385 jedoch werden Argumente und Quellen gebraucht, die, obgleich mit verschiedenen Zielen und in verschiedenem Sinne noch in dem Traktate erschienen.363) Das beweist, dass der Traktat als die vollendete und ausgebreitete Darstellung von Ideen und Begriffen zu betrachten ist, die seit mehreren Jahren in dem Gedanken Coluccios sich entwickelt hatten.

86. Dass Coluccio seine Lehre vom Tyrannenmorde hauptsächlich aus Thomas herausgeholt habe, bedeutet gar nicht, dass er auf die klassische Überlieferung ein geringes Gewicht gelegt habe. Wenn auch keine Spur von biblischen Quellen bei ihm anzutreffen ist, braucht er doch fast alle schon von Johannes Sarasberiensis herangezogenen klassischen Quellen und Beispiele und fügt noch andere hinzu. Dieser Überlieferung verdankt man sogar, wenn er, zum Unterschied von Thomas, den Tyrannenmord nicht nur rechtfertigt, sondern ausdrücklich anerkennt und für rechtmässig hält.364) Aber er weiss die Übertreibungen und Ungewissheiten der klassischen Überlieferung und der Tyrannislehre Johannes Sarasberiensis dadurch zu vermeiden, dass er Unterscheidungen und Einschränkungen

362) Über die Ereignisse, die den Brief veranlasst hatten, und die politische Bedeutung des Briefes selbst, vgl. die Anmerkung von Novati, E p is t. cit. II. 8. 146 ff.

868) Vgl. Col. Salut. Epist. II. L. VI. ep. 5 s. 152, mit dem Traktate De Tyrann. c. 2. § 1 u. 2.

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364) Col. Salut. De Tyrann. c. 2. § 1:,,. . . quis negare potest invadentem principatum urbis provincie vel regni resisti per quemlibet iure posse ?...." § 2: Ergo licebit invasores unius hominis vel agri vi repellere et etiam perseverantem occidere, et illum qui dominium civitatis aut monarchiam vel politicum principatum per vim occupare tentaverit non poterimus armis etiam cum cede vel sanguine prohibere ?..." etc.,,... Quis esset legum tam iniquus interpres. . . qui non censeat hoc idem contra tyrannidem inducere conantes esse permissum, et tanto magis quanto maior est salus publica quam privata ? 66 etc.

...

braucht, zu denen er wahrscheinlich von Thomas selbst veranlasst worden war.

87. Zunächst wendet er die für seine ganze Lehre wesentliche Unterscheidung zwischen Tyrannis ex def. tit. und Tyrannis ex parte exert. an. Und für die Tyrannis ex def. tit. spricht er nicht bloss der Mehrheit des Volkes, sondern auch den Einzelnen oder sogar dem Einzelnen ein unbeschränktes Recht zum Tyrannenmorde zu, das er auf einige streng juristische und ganz bemerkenswerte Argumente begründet. Denn er betrachtet die Anmassung der Gewalt durch Zwang oder List nicht nur, wie schon Bartolus, als ein Verbrechen gegen den Staat und gegen die öffentliche Gewalt, das von dieser Gewalt und in ihrem Namen verurteilt werden soll, sondern auch als ein Verbrechen, oder besser gesagt, als einen gewaltsamen Akt gegen die einzelnen Mitglieder des Staates selbst, die Untertanen, gegen den es jedermann gestattet ist, sich und seine Habe auch mit Ermordung des Gewalttätigen zu verteidigen. Schliesslich ist also der Tyrannenmord nichts anderes als ein Fall zulässiger Selbstverteidigung. Der Grundsatz der Selbstverteidigung fand daher eine ganz neue und sonderbare Anwendung, die wahrscheinlich Thomas als übertrieben und gefährlich abgelehnt hätte. Und doch war vielleicht der erste Ursprung des Begriffes bei Thomas zu suchen. Hatte nicht Thomas wirklich gesagt, dass die Niederwerfung einer tyrannischen Regierung nicht den Charakter einer Empörung an sich trägt, weil der Tyrann selbst der Empörer sei 2365) Coluccio geht noch weiter, und fügt hinzu: Wer den Tyrannen tötet, sei kein Mörder, weil der Tyrann schon ihm gegenüber als ein Mörder zu betrachten sei. Den Grund dieser Erörterung und dieser Lösung werden wir jetzt nicht behandeln, und werden nur auf diese Bemühung Coluccios, eine juristische Basis für seine Meinung zu finden, aufmerksam machen. Denn zweifellos ist beim Traktate Coluccios die ganz originelle Anwendung von dem Corpus iuris genau entnommenen durchaus juristischen Stellen auf

265) Thom. Aquin. Summa Theolog. II. 2. q. XLII. art. 2. 3. cit.

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