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die Lehre vom Tyrannenmorde zu bemerken.866) Schliesslich jedoch kann die Erörterung Coluccios auf folgenden Begriff zurückgeführt werden: der Tyrann ex de f. tit. setzt an Stelle des Rechtes, d. h. des Willens des Volkes und der Genehmigung der souveränen Autorität, falls diese nötig ist, Gewalttätigkeit oder List: wer den Tyrannen tötet, stellt das Recht, d. h. den Willen des Volkes oder der souveränen Autorität, wieder her.

88. Denselben Grundsatz wendet Coluccio auf den Fall der Tyrannis ex parte exercitii an. Aus eben diesem Grunde ist aber die Frage hinsichtlich dieser Tyrannis in verschiedener Weise zu lösen als die hinsichtlich der Tyrannis ex def. tit. Denn zwischen den zwei Arten der Tyrannis gibt es einen für diesen Gegenstand sehr wichtigen Unterschied: nämlich dass die Tyrannis e x def. tit. aus einer bestimmten Tat, der gewaltsamen oder betrügerischen Anmassung der Gewalt, besteht, die gewöhnlich von der Mehrheit wie von den Einzelnen erkannt und festgestellt werden kann: die Tyrannis ex parte exercitii dagegen, aus einem Verhältnisse der Entgegenstellung von tatsächlicher Ausübung einer rechtmässig erworbenen Gewalt und dem Willen oder dem Gemeinwohl des Volkes —, worüber nur die Mehrheit des Volkes, und nicht der Einzelne, zuständiger Richter ist.367) Daraus ergibt sich natürlich, dass dasselbe Recht, das in dem ersten Falle dem Einzelnen zuzuerkennen ist, in dem zweiten Falle dagegen ausgeschlossen werden muss. Schliesslich darf immer, auch in dem zweiten Falle, der Tyrann zur Todesstrafe verurteilt werden: aber nach einer ausdrücklichen Willenserklärung der Mehrheit des Volkes oder der souveränen Autorität.368)

89. Denn natürlich kommt hier noch die Unterscheidung zwischen fähigen und teilweise unfähigen Gemeinwesen in Betracht: nämlich, bei ersteren darf die Todesstrafe gegen den Tyrannen direkt von der Mehrheit des Volkes erlassen werden,

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die bei letzteren nur durch feierliche Verurteilung des Superiors erreicht werden darf.369) Aber weder bei ersteren noch bei letzteren darf der Einzelne den Tyrannen töten. Coluccio ist dabei noch deutlicher als Thomas, dessen Worte jedoch auf seinen Gedanken einen bedeutenden Einfluss zweifellos ausgeübt hatten. Für ihn ist im Falle einer Tyrannis ex parte exerc. der Tyrannenmord d. h. der Mord des Tyrannen durch einen einzelnen privaten Mann nicht nur unzulässig, sondern sogar als ein abscheuliches Verbrechen zu betrachten870); und schliesslich handelt es sich hier nicht um einen Tyrannenmord, sondern um einen Königsmord. Der Einzelne darf seine persönlichen politischen Auffassungen, sein persönliches Sehnen nach Freiheit nicht der Mehrheit des Volkes aufdrängen.,371)

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90. Die wesentliche Abweichung der Lehre Coluccios von der klassischen Überlieferung lässt sich also ganz genau daraus erkennen, dass die klassische Überlieferung, die Freiheit der Regierung als ein Wohl betrachtete, das auch ausserhalb des Volkswillens und gegen denselben angestrebt werden könne: die Freiheit der Regierung werde dagegen, der Lehre Coluccios zur Folge, nur in dem Falle als ein Wohl betrachtet, wenn sie wirklich dem Willen und den Interessen des Volkes entspreche,372) So hatte eine Lehre, welche von der unbeschränkten Anerken. nung der Volkssouveränität ausging, die Rechtfertigung der monarchischen willkürlichen Regierung zur Folge, und sogar die Erkenntnis, dass die monarchische der republikanischen Regierungsform vorzuziehen sei.

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870) De Tyranno c. 2. § 21-22.

871) De Tyranno c. 2. § 21-24: das ganze c. 4. ist zu leser.
372) De Tyranno c. 4. § 10 ff., 14. 17.

Kap. V.

Die Verhältnisse der Tyrannislehre Coluccios zu der nachfolgenden publizistischen Überlieferung und besonders zu den demokratischen Staatslehren der XVI. und XVII. Jahrhunderte.

91. Trotz der Bedeutung und Originalität seines Inhaltes hat scheinbar der Traktat Coluccios keinen glücklichen Erfolg gehabt. Ein merkwürdiges Anzeichen dieser Erfolglosigkeit ist schon daraus zu entnehmen, dass der de Tyranno uns nur durch fünf Handschriften bewahrt worden ist.373) Und dies ist auch bemerkenswert, dass, obwohl die in dem Traktate Coluccios behandelte Frage über die Rechtmässigkeit des Mordes Caesars eine der ganzen humanistischen Literatur der XV. und XVI. Jahrhunderte sehr geläufige Frage war, der Traktat trotzdem in keiner nachfolgenden humanistischen Schrift ausdrücklich angeführt wird: nur bei Giannotti ist vielleicht ein indirekter Hinweis darauf zu finden.374) In der Tat hat der Traktat sich ausserhalb des Kreises der Freunde Coluccios kaum ausbreiten können. Und zweifellos hat seine Tyrannislehre auf die ganze nachfolgende italienische Publizistik keine direkte Wirkung ausgeübt. Wahrscheinlich ist zum grossen Teile diese Erfolglosigkeit der Form selbst des Traktates und dem ganz gelegentlichen Merkmal seines Inhaltes zuzuschreiben: man muss jedoch auch nicht übersehen, dass eine der uns bekannten Handschriften des Traktates eine merkwürdige Reihe Randbemerkungen enthält, in denen einige der Anschauungen und der wesentlichen Punkte der Lehre Coluccios kräftig und energisch bekämpft werden,375) was vermuten lässt, dass der Traktat, wenn er auch durchaus

878) Vgl. die der Veröffentlichung des Textes des Traktates vorausgeschickte Anmerkung über die Handschriften des Traktates selbst.

874) Vgl. Giannotti, De' giorni che Dante consumo nel cercare l'Inferno. Firenze. 1859. cit. p. 54: è querela vecchia e da altri è stata confutata . . .": oben s. 12.

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875) Vgl. darüber unter: besonders zu c. 3. § 4. 10. 11; c. 4. § 1. 3. 4.

6. 7. 10. 18.; c. 5. § 5. 6.

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nicht unbemerkt vorübergegangen ist, doch einen starken Widerstand bei einigen vorherrschenden Ideen seiner Zeit gefunden hat. 92. Die Erfolglosigkeit des Traktates Coluccios lässt sich mit dem gar nicht grösseren Erfolg vergleichen, den der Traktat des Bartolus in der italienischen Publizistik der XV. und XVI. Jahrhunderte gehabt hat. Tatsächlich war der bartolianische Traktat dazu bestimmt, sich mehr als der Traktat Coluccios ausbreiten zu können; denn nicht nur war ihm ein praktisches Merkmal eigen, das ihm eine grössere Ausbreitung verschaffen sollte, sondern er wurde auch oftmals mit den anderen Traktaten des berühmten Juristen herausgegeben. Besonders für die Beantwortung der die Rechtsgültigkeit oder Rechtsungültigkeit der Akte der tyrannischen Regierung betreffenden Frage, wurde die Erörterung des Bartolus von den nachfolgenden Juristen zu wichtigen Folgen geführt.376) Aber, was die Bestimmung des allgemeinen Tyrannisbegriffes und hauptsächlich des Begriffes von Tyrannis e x def. tituli betrifft, hat er auf die unmittelbar nachfolgende italienische Überlieferung keine Wirkung ausüben können. Denn in der ganzen humanistischen und publizistischen Literatur der zweiten Renaissanceszeit, in der man doch so oft den Schilderungen der tyrannischen Regierungen, den Schmähreden gegen die Tyrannen, den Lobeserhebungen der Tyrannenmörder begegnet377), ist in der Tat keine Spur der grundlegenden bartolianischen Unterscheidung zu treffen. Niemand hat, nach Coluccio, die durch die Unterscheidung zwischen den zwei Arten Tyrannides von Bartolus gebrochene Bahn in Italien verfolgt. Schon wenige Jahre nach der Abfassung des bartolianischen Traktates hatte Baldus auf

376) Wie schon gesagt, werde ich nächstens mit diesem Teile des bartolianischen Traktates und mit seinen Folgen bei der nachträglichen juristischen Überlieferung in einer besonderen Abhandlung beschäftigen.

377) Vgl. Burckhardt, Die Kultur der Renaissance I. s. 16 ff.; Martini, Lorenzino de’Medici e il Tirannicidio nel Rinascimento. Firenze. Giacchetti. 1882. s. 20 ff.; Bezold, Republ. u. Monarchie in der ital. Literatur des XV. Jahrhunderts cit. s. 365 ff. etc.

die bartolianische Unterscheidung keinen Wert gelegt, und sogar den Traktat selbst als,,valde verbosum" angesehen.578) Und der von Baldus dem bartolianischen Begriffe gegenübergestellte Tyrannisbegriff war tatsächlich nichts anderes als der allgemeine und ungenaue Begriff der vorausgehenden Überlieferung: die juristische Bedeutung der bartolianischen Unterscheidung war schon Baldus scheinbar durchaus entgangen.379)

93. Jedenfalls muss diese scheinbare Erfolglosigkeit der Tyrannislehre des Bartolus und des Coluccio uns nicht die Überzeugung beibringen, dass die Lehre selbst für die Geschichte der nachfolgenden publizistischen Literatur ganz unbedeutend sei. Im Gegenteile hat sie auch von diesem Gesichtspunkte aus eine wirkliche und grosse Bedeutung. Diese Bedeutung liegt hauptsächlich darin, dass die Tyrannislehre Coluccios eine Reihe merkwürdiger Übereinstimmungen und Analogien mit der Tyrannislehre darbietet, die erst zwei Jahrhunderte später zu ihrer vollendeten Entwicklung in einigen berühmten publizistischen Schriften gebracht wurde, denen jedoch das Merkmal der Originalität bis jetzt eben deshalb anerkannt worden ist, weil der Traktat Coluccios ganz unbemerkt bei den Historikern der publizistischen Literatur vorübergegangen war: d. h. mit der Tyrannislehre der sogenannten Monarchomachen und des Johannes Althusius. So kann Coluccio als ein Vorläufer betrachtet werden. Ein solches Verdienst ist jedoch zum grossen Teile auch dem Bartolus anzurechnen: denn schliesslich ist der Ausgangspunkt bei Coluccio sowie bei den Monarchomachen und bei Althusius immer ein einziger: d. h. die bartolianische Unterscheidung zwischen Tyrannis ex def. tituli und Tyrannis ex parte exerc. Dies ist nämlich Coluccio und den publizistischen Schriftstellern der zweiten Hälfte der XVI. Jahrhunderte gemein, dass der erste sowie die letztere eine Bahn

378) Vgl. Baldus, a d. L. 16. C o d. 1. 1.:,,. . . Bartolus fecit de hoc quemdam tractatum tyrannidis valde verbosum. Sed ego breviter loquar . . .‘

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379) Vgl. Baldus, a d. L. 16 Cod. 1. 1.:,,. . . Largo modo loquendo omnis civitas est sub tyrannide, quando subditi non possunt libera voce defendere bonum publicum . . .“

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