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Kap. III.

Die juristische Bedeutung des de Tyranno:

§ 1o.

Das verfassungsrechtliche Merkmal des

Traktates.

6. Die Bedeutung des Traktates liegt besonders im rechtlichen Gebiet. Wäre auch sein literarischer Wert ganz unbedeutend, so müsste er noch immer seines juristischen Inhaltes wegen einen besonderen Platz in der italienischen publizistischen Literatur der Renaissance einnehmen. Wir haben schon erwähnt, dass in der Art und Weise, in der die Frage behandelt wird, ob Brutus und Cassius schuldig seien, ein Widerschein der politischen Neigungen der damaligen Zeit zu erblicken ist. Es war in der Tat ganz natürlich und verständlich, dass der Humanist der letzten Jahre des XIV. Jahrhunderts, der florentinische Staatssekretär, der Mann, dessen realistische Deutung der politischen und staatsrechtlichen Begriffe sich durch das öffentliche Leben und die diplomatischen Beziehungen zweifellos verstärkt und verfeinert hatte, in Caesar nicht bloss die reine, von der Rechtmässigkeit der Mittel, durch welche Caesar die Macht gewonnen und ausgeübt hatte, unabhängige kaiserliche Würde, erblicken wollte. Denn, wenn auch, gegen das Ende des XIV. Jahrhunderts, der Begriff des Kaisertums aus dem italienischen Verfassungsrechte durchaus nicht verschwunden war, das sich ja im Gegenteil noch immer auf diesen Begriff begründete, so hatte sich doch der Begriff selbst vollständig umgewandelt. Das Kaisertum war in dem Rechtsbewusstsein der Männer der Renaissance nicht mehr dasselbe Kaisertum, welches Dante und mehrere seiner Zeitgenossen noch begreifen konnten. Und in mehreren Stellen seiner Werke beweist Salutati, dass er, wenn er auch die kaiserliche Autorität ausdrücklich anerkennt, doch einen ganz verschiedenen Begriff als Dante davon gehabt hat. 48) Über diese bedeutende Veränderung des kaiserlichen

48) Vgl. Col. Salut., Epist. I. L. II. ep. 12. 8. apr. 1369. s. 86; ep. 13. 22. apr. 1369. s. 88; II. L. V. ep. 6. 1381. s. 29; L. VIII. ep. 21. 15. Sept. 1395

Begriffes habe ich schon ausdrücklich in einer speziellen Abhandlung gesprochen, auf welche ich, um hier nicht zu ausführlich zu werden, den Leser jetzt verweise.") Die Bedeutung des Traktates Coluccios liegt aber eben, meiner Ansicht nach, darin, dass er einen neuen Beweis dieser Veränderung bringt und den Weg feststellt, den einige bestimmte Begriffe und Ideen des öffentlichen italienischen Bewusstsein dieser Zeit zurückgelegt hatten. Das liegt besonders darin, dass Coluccio, durch seine Anschauungsweise der spezifischen Frage, gezwungen wird, Gegenstände und Probleme zu untersuchen, die die Grenzen der Frage überschreiten und ein viel weiteres Gebiet umfassen: d. h. Probleme, die den Grund des ganzen italienischen Verfassungsrechtes der Renaissance unmittelbar betreffen. Da eben Coluccio, bevor er über die Schuld der Mörder Caesars zu sprechen beginnt, die Frage untersuchen will, ob Caesar wirklich als ein Tyrann richtig getötet zu werden verdiente, findet er sich genötigt an die Lösung zweier ganz allgemeinen Fragen heranzutreten: wann kann man sagen, dass eine Regierung tyrannisch ist? Und kann eine tyrannische Regierung auch durch Ermordung des Tyrannen niedergeworfen werden? Wer die italienische politische Geschichte des XIV. und XV. Jahrhunderts auch nur einigermassen kennt, wird die grundlegende Bedeutung dieser zwei Fragen ohne Zweifel richtig würdigen. Denn es handelte sich nur nicht mehr um die ganz unbedeutende Frage der Rechtmässigkeit der Regierung Caesars und die Verantwortlichkeit seiner Mörder, sondern vielmehr um die juristische Grundlage der italienischen Signoria. Vielleicht war die Frage Coluccio auch nicht ganz neu: denn schon früher hatte er Gelegenheit gehabt, seine Meinungen

6. 463; III. L. X. ep. 4.20. Aug. 1397; In veot. in Anton. Lusch. s. 105 ff. etc.

4) Vgl. Ercole, Impero e Papato nella tradizione giu. ridica bolognese e nel diritto pubblico italiano del Rinascimento (sec. XIV.—XV.), in Atti e Memorie della R. Deputaz. di Storia Patria per la Romagna. 1911: besonders, s. 95 ff.

über die Tyrannis und den Tyrannenmord darzustellen.") Es waren aber lediglich unvollständige Andeutungen, welche eingeschränkt oder verstärkt, mit vielen neuen Bemerkungen, in dem Traktate wiederkehren.") In diesem Traktate kommt er, wie schon gesagt, der Frage, auch vom staatsrechtlichen Gesichtspunkte aus, auf den Grund, und es ist nicht unmöglich, aus dem etwas unklaren Verlauf der Erörterung die Grundlage zu einer systematischen und vollendeten Lehre zu ziehen.

§ 2o.

Systematische Darstellung der Lehre
Coluccios über die Tyrannis.

7. Jede Regierung muss, um rechtmässig zu sein, d. h. um einen nicht nur tatsächlichen, sondern auch rechtlichen Bestand zu haben, hauptsächlich zwei Bedingungen unterliegen sie muss rechtmässig gewonnen und gesetzmässig ausgeübt werden.5)

Das rechtmässige Ergreifen der Gewalt hängt nicht davon ab, dass man irgend einer bestimmten Vorschrift Folge geleistet hat, die dem Begriffe eines unbeschränkten Überwiegens von bestimmten Regierungsformen entspräche.") Jede Regierungsform ist als rechtsgültig zu betrachten, wenn sie auf den Willen des Volkes begründet ist; und jede Gewalt wird gesetzmässig

60) Vgl. besonders Epist. II. L. V. ep. 6, an Carlo von Durazzo, König von Sizilien und Jerusalem. 1381. s. 33 ff., und II. L. VI. ep. 5, an Andreolo Arese, 25. Okt. 1385. 8. 146 ff.

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51) Vgl. Einleit. unter Kap. IV, § 3, 1. 52) De Tyranno c. 1. § 9: legitimus princeps est cui iure principatus delatus est, qui iustitiam ministrat et leges servat...“ Epist. II. L. V. ep. 6., an Carlo von Durazzo, s. 33: rex sive iniuste intraverit sive iniuste regat, tyrannus est . .

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53) Vgl. De Tyranno c. 1. § 6-7, wo er die monarchische Regierungsform in der königlichen, politischen und despotischen Form unterscheidet und jede dieser Formen in sich selbst als rechtsgültig betrachtet: bes. § 6: "... proprie tripliciter potest, sicut principatus dividitur, dipartiri: est enim principatus regius, est politicus, est despoticus. . .". etc., § 7: . . . ,,... In quibus quidem regnandi differentiis, qui superbiam exercet, convertitur in tyrannum . . eto.

gewonnen, wenn sie von dem Willen des Volks herstammt. Man muss aber einen wesentlichen Unterschied machen, zwischen den Ländern, welche keine über sie selbst stehende Autorität anerkennen civitates superiorem non recognoscentes, und den Ländern, welche eine solche über sich selbst stehende Autorität anerkennen civitates superiorem recognoscentes -.54) Die Unterscheidung hat für den rechtmässigen Erwerb der Gewalt grundlegende und entscheidende Bedeutung. In den ersten Ländern ist jede Gewalt als gesetzmässige und rechtsgültige zu betrachten, welche als solche von der Mehrheit des Volks anerkannt wird, sei es dass das Volk dieselbe ruhig und fügsam erduldet und ihre Macht daher, durch seine stillschweigende Zustimmung bestätigt, sei es, dass das Volk dieselbe sich ausdrücklich erwählt hat.55) In den andern Ländern ist dagegen der Wille des Volks nicht genügend,) um eine rechtsgültige und gesetzmässige Gewalt zu schaffen. Die von dem Volke hergeleitete Gewalt muss vielmehr von der über das Volk stehenden Autorität eine ausdrückliche und feierliche Bestätigung erhalten.") Und

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"De Tyranno c. 2. § 10:,,si sit princeps populus qui superiorem non habeat nec agnoscat. . ."; § 11: sin autem superioris in habente principem populo confirmatio subsequatur .", § 11:,,. . . Sin autem populus recognoscat principem sed non habeat. "; § 13: Si superior vel auctoritatem habens ipsum iudicaverit hostem... etc. - Für die Unterscheidung zwischen civitat. super. recognosc. und civit. super. non recognos c., vgl. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht. Berlin 1881 III. s. 389 ff., 639 ff.; Rehm, Gesch. der Staatswissenschaft, in Hand b. v. offentl. Rechts, herausg. von Seydel u. Marquardt. Freiburg 1896. s. 192 ff.; Jellineck, Allgemeine Staats lehre 1900. s. 404 a. 3; Ercole, Im p. e Papato cit. s. 137 f. und besonders diese Einleitung unter Kap. IV, § 2.

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55) DeTyranno c. 2. § 10:,,... si sit princeps populus qui superiorem non habeat nec agnoscat, quod maior populi fecerit ratum esse. ."; § 21: non debet unus, non debent et plures citra.... auctoritatem . . . populi statum quem populi placitum ordinavit, vel obedientia vel tacitus aut expressus consensus civitatis induxerit auctoritate propria pertubare . . 56) De Tyranno c. 2. § 11: ... sicut iure populus nichil agit . . .' 57) De Tyranno c. 2. § 11: sin autem superioris in habente principem populo confirmatio subsequatur, legitimus erit procul dubio prin

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wenn diese Autorität zu fern ist, oder sie ihre souveräne Rechte nicht ausüben kann, darf wohl die von dem Volke hergeleitete Gewalt in der Zwischenzeit mit Gültigkeit ausgeübt werden, aber sie muss einer Art aufhebender Bedingung unterliegen: sie kann sie kann nämlich gültig ausgeübt werden, solange keine entgegengesetzte Erklärung der souveränen Autorität hervortritt.58) Andererseits kann die Erklärung dieser Autorität allein keine rechtmässige Gewalt schaffen, wenn diese nicht wirklich ihren Grund auch in den Volkswillen hat,") was jedenfalls durch zwei Wege geschehen kann, entweder wenn die Gewalt durch eine gültige Wahl gewonnen wird, zu der man nicht durch Zwang oder durch Betrug gekommen ist, wenn auch durch ausserordentliche und scheinbar ungesetzliche oder verfassungswidrige Mittel, was aber eine reine Tatbestands-, nach Lage der Fälle lösbare Frage ist, oder wenn die Gewalt durch die stillschweigende Zustimmung der Mehrheit des Volks genehmigt wird.")

cipatus... Eius vero deficiente consensu, sicut iure populus nichil agit, sio electus si non expectata confirmatione se dominum gesserit est tyrannus.

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58) De Tyranno o. 2. § 11: " . . . . Sin autem populus recognoscat principem, sed non habeat, cum non gubernet, sed maneat in remotis, forte iustus erit titulus, donec per principem contrarium declaretur . . .“: auch § 8:"... forte tacitus ille consensus et obedientia tanti fuerit, quod, nisi prius superioris sententia contrarium declaretur, similitudinem iusti principis obtinebit...

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5) Invect. in Anton. Luschum, s. 105:,,... Cur dominum tuum appellas ducem, qui verissime sit tyrannus: Sed dices: nonne Caesareae Maiestatis auctoritate dux factus est Mediolani" . . . Si possit, qui tyrannidem praescripserit, tyrannusque continuo vivit, nec prius desierit esse tyrannus, in Comitem vel Ducem legitimum commutari .." etc.

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60) De Tyranno c. 2. § 9:,,.... Et quoniam dissentiente republica plerumque contingit intestinum et civile certamen quotidianaque contentio, et tollende discordie gratia tedioque rerum presentium dominus eligitur, quandoque vero tumultuante populo sine consilio vel delectu quidam in prin. cipem sublimatur, quandoque prevalente factionis potentia, dum ad arma ventum est, uni summa rerum defertur et totius urbis regimen et gubernatio delegatur, dubitaret forte quispiam numquid taliter assumpti possint iustum titulum obtinere. Super quod dicendum reor. quod si sit princeps populus qui superiorem non habeat nec agnoscat, quod maior pars populi fecerit ratum esse:

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