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sonders durch die entscheidende Einwirkung des platonischen philosophischen Gedankens einer wesentlichen Veränderung unterlegen istoo) und zwar: von der urspringlichen, durchaus staatsrechtlichen Idee einer verfassungswidrigen, das heisst unrechtmässig in einem freien Gemeinwesen erworbenen unbeschränkten Alleinherrschaft,) habe sich der griechische Tyrannisbegriff zu einer nicht mehr juristischen, sondern moralischen und philosophischen Idee entwickelt, nämlich zur Idee, einer, von der Rechtmässigkeit und Verfassungsmässigkeit ihres Ursprunges abgesehen, ungerecht und unbillig ausgeübten monarchischen Herrschaft.") Wenn deshalb, vor Plato, die

90) Vgl. die kurzen, aber immer grundlegenden Seiten von Zeller, Über den Begriff der Tyrannis beiden Griechen, in Sitzungsberichte der königl. Preuss. Akad. der Wissensch. zu Berlin. 1887 s. 1137 ff.

91) Ich habe hier das von Zeller, Üb. den Begriff etc. s. 1138, in seiner Definition gebrauchte Wort gesetzwidrig durch das Wort verfassungswidrig ersetzt, um die sehr wichtigen kritischen von Rehm, Gesch. d. Staatswiss. s. 18, gegen die Definition Zellers angesetzten Bemerkungen zu vermeiden: denn mit Recht bemerkt Rehm, dass sich Basileia und Tyrannis, dem ursprünglichen griechischen Tyrannisbegriffe nach, nicht dadurch trennen, dass die Tyrannis, zum Unterschied von Basileia, immer und notwendig eine gesetzwidrige Regierung sei; sondern dadurch, dass die Basileia auf verfassungsmässigen, die Tyrannis auf unrechtmässigen Weg erworben wird. Positivrechtlich ist die Tyrannis, obgleich nicht rechtmässig sogar, möchte ich sagen, nicht verfassunsgmässig erworbene, doch rechtliche Gewalt. Gesetzwidrigkeit ist also nur eine mögliche, nicht die notwendige Art der tyrannischen Herrschaftsausübung. Usurpation und gesetzmässige Herrschaftsausübung schliessen sich nicht aus. Vgl. auch Curtius, Griech. Geschichte. Berlin 1887. I. 228 ff.; 335 ff. etc.; Meyer, Gesch. des Alterthums. Stuttgart 1893. II. 608 ff.; Below, Griech. Geschichte Leipzig 1893. I. 331 ff.: für weitere Berichte über die griechische Tyrannis in dieser ersten Phase ihrer Entwicklung ist immer das alte Werk von Plass, Die Tyrannis in ihrer beiden Perioden bei den alten Griechen. Bremen 1852., bes. I. 123 ff.; 328 ff., vorteilhaft zu lesen.

92) Vgl. Zeller, Überden Begriff etc. s. 1140 ff.; Janet, Histoire de la science politique dans Bes rapports avec la morale. Paris 1887. I. 127 ff.; Hildenbrandt, Gesch. u. System der Rechts- u. Staatsphilosophie. Leipzig 1860. I. 121 ff.; Rehm, Gesch. d. Staatswiss. 8. 51 ff. etc.

Verfassungswidrigkeit und Ungesetzlichkeit der Ergreifung der Gewalt ein wesentlicher Faktor des Tyrannisbegriffes war,") ging doch nachher das Wesentliche des Begriffes auf die schlechte gemeinschädliche Ausübung der Gewalt über.") Dem ersten Begriffe nach war nur derjenige als Tyrann zu betrachten, der in einem verfassungsmässig unter republikanischen Regierungsform lebenden Staate, gegen den Willen des Gesetzes, als allmächtiger und lebenslänglicher Alleinherrscher zur Macht gelangt war, und nur ausnahmsweise konnte eine usurpierte monarchische Regierung als tyrannische betrachtet werden:) dem jüngeren Begriffe nach, konnte dagegen jeder König oder Monarch, auch in einem ursprünglich unter monarchische Verfassungsform lebenden Staate, oder auch, durch eine sehr natürliche analogische Ausdehnung des Wortes, jede zeitweilige kollegiale Behörde einer aristokratischen sowie demokratischen Republik als Tyrannen betrachtet werden. Diese theoretische Veränderung hatte aber in der griechischen postplatonischen publizistischen Literatur ihre vollkommene Entwicklung gar nicht erreichen können. Denn die Einwirkung des platonischen Gedankens auf Aristoteles war in dieser Beziehung nicht so wirksam und entscheidend gewesen, wie Zeller gedacht zu haben scheint.") Es war dagegen ganz natürlich, dass dem grossen politischen Scharfsinn des Aristoteles die Unvollständigkeit der platonischen Lehre nicht entgehen konnte, und dass deshalb Aristoteles die Möglichkeit einer, von der Art und Weise der

s. 1138.

93) Vgl. Plass, Die Tyrann. I. 125–26; Zeller, Üb. den Begr.

94) Zeller, U b. den Begr. 1143: das Entscheidende ist nur jedenfalls der Gebrauch, den ein Fürst seiner Gewalt macht: wenn ein legitimer Fürst schlecht regiert, ist dies eine Entartung des Königtums zur Tyrannis: wenn eine gewaltsam erworbene Macht dem gemeinen Besten dienstbar gemacht wird, ist ihr Inhaber nicht mehr als Tyrann zu bezeichnen: auch Rehm, Gesch. 51. Es ist zu bemerken, dass diese theoretische Veränderung einer wirklichen tatsächlichen Entartung der griechischen, als positivrechtliche Regierungsform betrachteten, Tyrannis nachfolgte: Plass, Die Tyrannis II. 38 ff.

95) Rehm, Gesch. d. Staatswiss. 18; Plass, Die Tyran n. I. 125.

96) Vgl. Zeller, Üb. den Begr. 1142.

Herrschaftsübung abgesehen, an sich tyrannischen, nämlich positivrechtlich rein verfassungswidrigen Regierung vorausahnte.") Es gelang ihm aber nicht die Grenzen des Unterschieds zwischen den zwei Tyrannis festzustellen: die zwei Begriffe vermischen und verknüpfen sich bei ihm, ohne dass er dieselben jemals deutlich definieren und erklären vermochte. Und selbst damit gelang es ihm nicht einen klaren und definitiven Unterschied zwischen Tyrannis und Königtum aufzustellen. Denn, z. B., einige besondere Gattungen der monarchischen Regierungsform, wie das Barbarenkönigtum und die sogenannte Asymnethie werden von ihm bald als Baotletai bald als Tuρavvides betrachtet.98) An einer vollkommenen deutlichen Erkenntnis des Unterschieds zwischen philosophisch-moralischer and positivrechtlicher Tyrannis fehlt es also bei Aristoteles; und das hängt vielleicht davon ab, dass sich hier, wie sehr oft bei Aristoteles, zwischen dem theoretischen Begriffe und dem praktischen Gefühle des Philosophen ein starker Gegensatz geltend macht."")

15. Der philosophisch-moralische Begriff scheint dagegen in die lateinische literarische and publizistische Überlieferung, besonders durch die Ausbreitung der platonischen

97) Vgl. über die politischen Lehren des Aristoteles im Allgemeinen und über den aristotelischen Tyrannisbegriff, Oncken, Die Staatslehre des Aristoteles. Leipzig 1870. II. 117 ff.; 201 ff.; 296 ff.; Janet, Hist. dela science polit. I. 191 ff.; 211 ff.; Hildenbrandt, G e 8 c h. u. System etc. I. 250 ff.; 418 ff.; 462 ff.; Gercke, art. Aristoteles, in Pauly Encyclopädie. Bd. II. 1895; Rehm, Gesch. 72 ff.; 104 ff.; 134 ff. etc. 98) Vgl. Aristotel. Politic. III. c. 5. § 2—5; c. 9. § 3—5; L. VIII.

c. 9. § 10 ff.

99) Die Unbestimmtheit der aristotelischen Tyrannislehre und das Vorhandensein eines solchen Doppelbegriffes der Tyrannis bei Aristoteles, das von beinahe allen Auslegern des aristotelischen Gedankens, wie Janet, Wildenbrandt, Oncken etc. (vgl. auch Bernatzik, Republik und Monarchie. 1893. s. 40, und Meyer, Gesch. d. Altert. II. 613) verkannt worden war, wurden von Rehm, Gesch. d. Staatsw. 123 ff. hervorgehoben: vgl. darüber auch einige Bemerkungen in meiner Abhandlung Sulle fonti e sul contenuto della distinz. fra tirann. ex def. tit. e tirann. exerc. cit. 8. 5-6.

Philosophie, sehr bald fast vollständig eingedrungen zu sein. Die ersteren Zeichen eines solchen Übergewiegens sind schon bei Polybius zu sehen,100) und dann, durch Polybius, befestigt sich das Überwiegen selbst bei den nachfolgenden Schriftstellern der letzten republikanischen Zeit noch entschiedener. Gewiss war nicht jede Spur des urspringlichen positivrechtlichen Begriffes verschwunden: denn dieser z. B., kommt noch. einmal bei Nepos, obgleich vom rein geschichtlichen Gesichtspunkte aus, ausdrücklich wieder zum Vorschein, in einer solchen Form jedoch die in Nepos das Gefühl beurkundet, dass in dem römischen öffentlichen Bewusstsein seiner Zeit der Tyrannisbegriff ein etwas ganz anderes war,101) Worin dieser Begriff eigentlich bestehe, kann jedermann, der die ciceronianischen Schriften, und besonders den ciceronianischen Traktat de Re Publica, aufmerksam gelesen hat, sehr leicht feststellen. 102) Zweifellos werde ich hier nicht bestreiten, dass Cicero, wenn er z. B. Caesar oder Antonius Tyrannen nennt, oder

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100) Vgl. Polybii Histor. Lipsiae 1909. V. 11. 6.:..." Tupávvou μèv γὰρ ἔργον ἐστὶ, τὸ, κακῶς ποιοῦντα, τῷ φώβῳ δεσπόζειν ἀκουσίων, μισούμενον καὶ μισοῦντα τοὺς ἀποταττομένους. βασιλέως δὲ, τὸ, πάντας εὖ ποιοῦντα, διὰ τὴν εὐεργε σίαν καὶ φιλανθρωπίαν ἀγαπώμενον, ἑκόντων ἡγεῖσθαι καὶ προστατεῖν VI. 7. 8 ἐφ ̓ οἷς μὲν φθόνου γενομένου καὶ προσκοπῆς, ἐφ ̓ οἷς δὲ μίσους ἐκκαιομένου καὶ δυσμενικῆς ὀργῆς, ἐγένετο μὲν ἐκ τῆς βασιλείας τυραννὶς, 'αρχή δὲ κασαλύσεως ἐγεννᾶτο καὶ σύστασις ἐπιβουλῆς τοῖς ἡγουμένοις .." auch VI. 3. 7.; 4. 2; 4. 5 etc.: vgl. Janet, Hist. de la science polit. I. 230 ff.; Hildenbrandt, Gesch. u. Syst. I. 533 ff.; besonders Markhauser Der Geschichtsschreiber Polybius, seine Weltanschauung und Staatslehre. München 1858.

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101) Cornel. Nepotis, Vitae. Lipsiae 1898: Miltiad. 8. . . In Chersoneso omnes quos habitarat annos perpetuam obtinuerat dominationen tyrannus que fuerat appellatus sed iustus. Non erat enim vi consecutus sed suorum voluntate eamque potestatem bonitate retinebat: omnes autem et dicuntur et habentur tyranni qui potestate perpetua sunt in ea civitate quae libertate perpetua usa est

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102) Vgl. über die politischen und rechtsphilosophischen Lehren Ciceron Hildenbrandt Gesch. I. 537 ff.; Janet, Hist. de la sc. polit. I. 250 ff.; Rehm, Gesch. 149 ff.: der Tyrannisbegriff bei Cicero ist, insofern ich weiss, noch nicht gründlich untersucht worden.

wenn er Sulla, Spurius Cassius, Marcus Manlius als Tyrannen betrachtet, in denselben scheinbar Gewalthaber erblickte, die die Freiheit der Republik vernichtet und gegen die republikanischen Verfassungsgesetze zur Allmacht zu gelangen versucht hätten.103) Es handelt sich aber um flüchtige und schwankende, mehr auf die politischen Vorurteile als auf die staatsrechtlichen und philosophischen Lehren Ciceros sich beziehenden Andeutungen. Die Tyrannislehre Ciceros ist eher aus seinen philosophischen Schriften, als aus seinen zu oft von Parteileidenschaften getrübten Reden herauszuziehen, und, obgleich schliesslich auch die Lehre Ciceros eine juristische ist, unterscheidet sie sich deutlich von dem altgriechischen positivrechtlichen Begriffe. 104) Denn, wenn auch aus seinen Schriften der ganz juristische Begriff hervorgeht, dass die tyrannische Regierung notwendig eine unrechtmässige sei,105) hat jedoch bei Cicero diese Unrechtmässigkeit der tyrannischen

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103) Cicero, De officiis Lipisiae 1881. I. c. 31. 112: .Catoni .. moriendum potius quam tyranni vultum aspiciendum fuit . . .“; II. c. 33: .,. . . huius tyranni solum quem armis oppressa pertulit civitas...“ auch I. c. 8. 26; c. 14. 43 etc.; Philippi car. Lipsiae 1885 XIII. 18 qua enim in barbaria quisquam tam taeter, tam crudelis tyrannus quam in hac urbe ... Antonius. . .""; XIV. 15; etc.; Epist. ad Attic. Lipsiae 1880 XIV. ep. 29, 14. 2; Oratio de lege agraria. Lips. 1881 III. 2. 3.: his reipublicae tyranni (Sulla) lege constituta . . ."; De Re Publica Lips. 1881. II. 27. 49 etc.: vgl. darüber Zeller, Üb. den Begr. 1141 f.

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104) Der Widerstand zwischen den griechischen und dem römischen Tyrannisbegriffe wird von Cicero selbst vorausgeahnt, durchaus aber missverstanden: De Re Publ. II. c. 27. 49: „,... Habetis igitur primum ortum Tyrannis: nam hoc nomen Graeci in iu s t i regis (d. h. eines gegen das Recht regierenden Königs); nostri quidem omnes reges vocitaverunt, qui soli in populos perpetuam potestatem haberent. . . .

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105) Cicero, De Legibus. Lips. 1881. I. c. 15. 42: ... Jam vero illud stultissimum existimare omnia iusta esse quae sita sint in populorum institutis aut legibus. Etiamne, si quae leges sint tyrannorum. ? ." etc.; De Re Publ. I. 33, 50:,,... Ceteras vero res publicas ne appellandas quidem *putant iis nominibus quibus sese illae appellari velint. . ." etc.; III. 51. 43:: ... Ergo ubi tyrannus est,ibi non vitiosam ... sed dicendum est. . . nullam esse rempublicam. .“; Orat. de lege agraria. III. 2. 5.: ceteris in civitatibus tyrannis institutis leges omnes extinguantur...

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