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sehr wichtigen Sorgen verhindert, sein Versprechen zu halten. Auch Novati hat neuerdings in jener Sammlung der Briefe Coluccios, die er mit grossem Fleisse und tiefer Gelehrsamkeit zusammengestellt und in diesen letzten Jahren abgeschlossen hat,) unseren Traktat, trotz seiner brieflichen Form, nicht gebracht, weil er wahrscheinlich die Ausgabe von Rossi noch erwartete.") In einer Anmerkung zu einem Briefe Coluccios hat jedoch Novati nur beiläufig ein gar nicht kurzes und sehr bemerkenswertes Stück des Traktates, nach den zwei florentinischen Handschriften, veröffentlicht, ein Stück, das übrigens für sich allein die Bedeutung des ganzen Werkes vermuten lässt.10) Ich hoffe deshalb, dass es den Gelehrten, und besonders den zahlreichen italienischen und ausländischen Pflegern der italienischen Literatur- und Rechtsgeschichte nicht unwillkommen sein wird, wenn die Schrift des toskanischen Humanisten jetzt endlich nach so vielen Jahrhunderten wieder ersteht. Um die Bedeutung der Schrift zu würdigen und ihre Beziehungen zu der früheren sowie zeitgenössischen publizistischen Literatur und zu dem positiven italienischen Verfassungsrechte jener Zeit festzustellen, schicke ich jetzt der Veröffentlichung des Textes kurze Bemerkungen voraus.

8) Fr. Novati, Epistol di Col. Salut. cit. I. 1891; II. 1893; III. 1899; IV. 1, 2. 1911.

9) Vgl. den bündigen Bericht Novatis über den de Tyranno, in einer Anmerkung zu dem cit. Briefe von 1. Febr. 1405: Epist. IV. 1. s. 75. 10) Vgl. Novati, Epist. III. s. 398 a. 2 ff.: Das von Novati hier veröffentlichte Stück gehört dem zweiten Kap. des Traktates: .An liceat tyrannum occidere"; und zwar von: „,... Et ut ad Graccum redeamus..." (Trakt. C. 2. § 4 ) bis:,,... sed ad propositum revertamur..." (Trakt. C. 2. § 7.)

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Einleitung.

Kap. I.

Die Zeit und der Gegenstand des De Tyranno.

1. Über die Zeit der Abfassung des de Tyranno fehlt es uns an genauen Berichten. Der Text, der uns in den fünf bekannten Handschriften bewahrt ist, enthält wenigstens nicht den geringsten Hinweis auf seine Entstehungszeit. Ohne Zweifel aber muss der Traktat früher als am 30. August 1400 abgefasst worden sein, denn wir wissen durch einen Brief des Verfassers, dass diese den Traktat an diesem Tage seinem Freunde Fr. Zabarella von Padua mit der Bitte zugesendet hatte, ihn einem gewissen Antonius von Aquila übergeben zu wollen.") Aus dem Briefe geht nicht hervor, ob der Verfasser eben damals oder in früherer Zeit den Traktat abgefasst oder wenigstens angefangen habe, und auch wissen wir gar nicht, wann Antonius von Aquila dem Verfasser die Frage vorgelegt hatte, welche den Traktat entstehen lassen sollte. Es ist aber jedenfalls unstreitig, dass der Traktat nach 1392 geschrieben wurde; denn an mehreren Stellen des Traktates zeigt Salutati wirklich eine mehr als oberflächliche Kenntnis der Briefe Ciceros, und nicht nur der Briefe ad Atticum, ad Quintum

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11) Vgl. Col. Salut. Epist. III. L. XI. ep. 22, an Fr. Zabarella. 30. Aug. 1400. s. 422: Erit cum presentibus quidam libellus ad magistrum Antonium de Aquila, studentem istic in artibus: illum, precor, fideliter tradito, sed lectum, si placet et vacat tibi tempus impendere nugis meis Der libellus war ohne Zweifel der Tractatus de Tyranno, von dem der darauf folgende, schon von mir cit. Brief 21. Febr. 1401 an Fr. Zabarella, ausdrücklich spricht: Novali, Epist. III. 422. Anm. 2.

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Jratrem, ad Brutum, sondern auch derjenigen ad Familiares,11) welche in jener berühmten Handschrift von Vercelli enthalten waren, in deren Besitz der Verfasser, wie wir durch sein bestimmtes Zeugnis wissen, erst im September 1392 durch seinen Freund Pasquino de'Capelli zum ersten Mal gekommen war.13) Vergleichen wir die zwei Endpunkte, die uns von dem Traktate und von dem Briefe des Verfassers dargeboten werden, so wird uns einleuchtend, dass der Traktat de Tyranno in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts des XIV. Jahrhunderts abgefasst worden ist. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist sogar zu behaupten, dass der Traktat gerade im Sommer 1400 geschrieben worden sei; denn am 27. Juni 1400 erzählt der Verfasser seinem Freunde Domenico Bandini von Arezzo, dass ihm damals über Scipio Nasica ein Bedenken entstanden war, das zweifellos der in einer langen Abschweifung in dem Traktate selbst behandelten Frage über die Wahrhaftigkeit einer Stelle von Valerius Maximus entspricht, was vermuten lässt, dass er gerade während des Monats Juni 1400 mit der Abfassung des Traktates beschäftigt war.") Und, obwohl die an

12) Der Verf. entnimmt den Epist. adfamil. wörtlich folgende Stellen: ad famil. I. 9. 18 (Cap. 3 § 4), II. 16.1.2. (Cap. 3 § 4, 5), 1. IV. 4. 4. (Cap, 3 § 6), IV. 9. 2. 3. (Cap. 3 § 7, 8).

13) Dass der bekannte Brief an Pasquino Capelli, welchen schon Mommsen, Die Schriften der röm. Feldmesser, Berlin 1882. II. 219; Haupt, Opuscula. Leipzig 1875. II. 116. und Voigt, Ueber die handschriftliche Überlieferung von Cicero's Briefen, in Sitzungsber. d. köngl. sachs. Gesellsch. d. Wiss. Leipzig. Phil. Kl. 1869. 61. a. 1, dem Jahre 1390, und nachher Viertel, Wiederauffindung von Cicero's Briefen von Petrarka, in Jlechs. Jahrb. 1880. 242, dem Jahre 1389 zugeschrieben hatten, in die letzten zehn Tagen vom September 1392 gehört, hat jetzt Novati, Epist. II. s. 386, Anm. 1, mit unzweifelhaften Gründen bewiesen. Vgl. auch Mendelsohn, Weiteres zur Überlieferung von Cicero's Briefen, in Neue Jahrb. für Phil. 1884. 8. 852, und Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Altertums. Berlin 1880:81. s. 211 ff.

14) Vgl. Epist. III. L. XI. ep. 18. an Domen. Bandini von Arezzo. 27. Juni 1400. s. 398: .,,.. Nuper quedam de Scipione Nasica michi suborta dubi tatio est, cuius volens te participem reddere, copiam cum presentibus mitto...":

Antonius von Aquila gerichtete Handschrift im Februar 1411 noch in den Händen von Fr. Zabarella war,15) scheint der Traktat sich doch unter den Freunden des Verfassers in Florenz sehr schnell verbreitet zu haben, denn schon 1401 konnte Leonardo Bruni bereits seinen Freund Coluccio in seinem Dialoge einführen, um auf dessen Traktat, wie auf eine wenigstens den Rednern des Dialogs wohl bekannte Sache, ausdrücklich hinzuweisen.16)

2. Es ist bekannt, dass der Traktat eine briefliche Form hat: das heisst, er gehört jener lehrhaften Epistolographie an, welche einen so grossen Teil der humanistischen Literatur bildet.) Die briefliche Form ist aber hier kein rein rhetorisches Mittel, sondern steht mit dem ganz besonderen Anlasse, aus welchem der Traktat entsprang, in direktem Zusammenhang. Antonius von Aquila, Student des kanonischen Rechtes an der Universität Padua, welcher die tiefe Gelehrsamkeit und die ausgezeichnete Liebenswürdigkeit Salutatis überall preisen gehört hatte,18) hatte sich an ihn mit der Bitte gewendet, ihm beim Lösen einiger Fragen behilflich sein zu wollen, nämlich, ob Julius Caesar ein Tyrann gewesen sei oder nicht, und, ob deshalb Dante, wenn er die Mörder Caesars zusammen mit Judas in die tiefste Hölle verdammte, richtig oder unrichtig geurteilt habe. Salutati antwortete darauf dem Studenten mit unserem Traktate, welchen Antonius jedoch nicht mehr erhalten konnte, da er, wie es scheint, schon gestorben war, als der Traktat ankam.1o) Salutati zweifellos handelt es sich, wie Novati, Epist. III. s. 398, Anm. zum cit. Brief 27. Juni 1400, richtig annimmt, um die in dem von Novati selbst veröffentlichte Stücke des Kap. 2 des Traktates behandelte Frage (T r a k t. Cap. 2. § 4—7) 15) Vgl. Epist. III. L. XII. ep. 4 s. 479 cit.

16) Vgl. über die Zeit des Dialogs Wesselofsky, Il Paradiso degli Alberti. Bologna 1879. I. 2. s. 209, und Klette, Beitr. etc. II. s. 13 ff. 17) Vgl. Voigt, Wiederbele b. II. 436 ff.; Gaspary, Gesch. der italien. Literatur. Strassburg 1888. II. 150 ff.; Rossi, Il Quattrocento, in Storia Letteraria d'Italia. Milano. Vallardi. 8. 80 ff. 18) Vgl. Prol. des Trakt. § 3.

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19) Col. Salut., Epist. III. L. XII. ep. 4. s. 479: Si autem decessit, ut scribis, metasque dati pervenit ad evi, cupio receptum in gloriam quam optamus . . .“

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