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sondern wirklich eine tyrannische Regierung.10) Wenn er also den Traktat durch die kummervolle dantische Ausrufung schliesst:,,hodie Italia est tota plena tyrannis! 1,163) ist die Ausrufung in keinem bestimmten antimonarchischen Sinne auszulegen; sondern nur in dem Sinne, dass Italien von einer überwiegenden Menge von schlechten Regierenden unterdrückt wurde.

82.

Der Begriff von Tyrannis ex defectu tituli und die Unterscheidung zwischen Tyrannis ex defectu tituli und Tyrannis exercitio nach Bartolus und ihre Quellen.

25. Der Tyrannisbegriff hatte also noch in der Renaissanceszeit, trotz der Entstehung neuer politischer Neigungen und neuer verfassungsrechtlicher Formen, das von der vorangehenden klassischen, christlichen, mittelalterlichen, aristotelischen Überlieferung dargebotene wesentlich moralisch-politische Merkmal hauptsächlich bewahrt. Schliesslich bestand das Wesen der Tyrannis in dem italienischen öffentlichen Bewusstsein der Renaissance immer in der unrechtmässigen, unbilligen, gemeinschädlichen Ausübung der Gewalt164): und Tyrannis war immer gleichbedeutend mit schlechter, entarteter Regierung. Gehen wir jedoch tiefer in die Lage ein, so werden wir entdecken, dass ein anderer bestimmterer Begriff neben dem oben

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162) Bartol., De regim. civitat. 1. 4.: Est septimus modus regiminis qui est in civitate romana, nunc pessimus, ubi sunt multi tyranni per diversas regiones adeo fortes quod unus contra alios non praevalet. Est enim regimen commune totius civitatis adeo debile, quod contra nullum ipsorum tyrannorum potest nec contra aliquem adherentem ipsis tyrannis nisi quatenus ipsi patiuntur, quod regimen Aristoteles non posuit et merito. est enim res mostruosa.... ."; 2. 1. 8.: secus si quilibet per se tyrannidem exerceret, ut ullus de altero non curaret, quod est nunc in urbe romana.

99....

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163) Bartol., De regim. civita t., in fine: vgl. Dante, Purgat. VI.

124. 25:.... Chè le città d'Italia tutte piene Son di tiranni...

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164) Vgl. übrigens auch Baldus, ad. L. 16 Cod. 1. 1. . . . . Largo modoloquendo, omnis civitas est sub tyrannide, quando subditi non possunt libera voce defendere bonum publicum . . .'

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geschilderten ganz allgemeinen, und, wie ich sagen möchte, gewöhnlichen Tyrannisbegriffe, allmählich zum Vorschein gekommen war; und diesmal ein wirklich juristischer Begriff: d. h. ein Begriff, welcher von der Betrachtung der Art und Weise ausging, wodurch die Gewalt gewonnen, nicht lediglich ausgeübt wurde. Es handelte sich jedenfalls um einen ganz neuen Begriff, dessen eigentümlicher und selbstverständlicher Ursprung mit dem wirklich altgriechischen Tyrannisbegriffe nichts gemein hatte, ja sogar wesentlich von diesem abwicht.

1. Der Tyrannisbegriff nach Bartolus und die erste Darstellung der Unterscheidung zwischen Tyrannis ex def. tituli und Tyrannis exercitio.

26. Dieser neue Tyrannisbegriff erscheint zum erstenmal bei Bartolus wissenschaftlich dargestellt in einer der merkwürdigsten Schriften des grossen Juristen, deren wirkliche Bedeutung noch nicht in das gehörige Licht gesetzt worden ist, und die für das richtige Verständnis des Traktates Coluccio's grundlegend ist: nämlich in dem Traktate de Tyrannia165). In diesem Traktate stellt wirklich Bartolus einen weiteren und tiefer ausgearbeiteten Tyrannisbegriff dar, als in dem de Regimine civitatis.

27. In der Tat ist der Ausgangspunkt auch in dem de Tyrannia der Überlieferung ganz entsprechend; denn Bartolus begründet seine Erörterung auf die gregorianische Definition, von der er alle moralische und philosophische Erklä

165) Bartol. De Tyrannia, in Consil. Quaest. Tractat. cit. f. 84 ff. -: ganz unzureichend die Bemerkungen von Chiappelli, Le idee politiche del Bartolo, in Arch. Giuri di. 1881. 433 ff.; Scalvanti, Un'opinione del Bartolo sulla libertá perugina, in Bullett. della soc. stor. Umbra. 1896. 77 ff.; Janet, Hist. de la science polit. I. 466 ff.; Treumann, Die Monarchomachen. Eine Darstellung der revolutionären Staatslehren des XVI. Jahrhund. Leipzig 1895. 46 ff.: Rehm, Gesch. der Staatswiss. 194 schreibt den Traktat de Tyrannia Baldus zu! ...

rungen, sogar auch die ganz ethische Ausdehnung des Tyrannisbegriffes selbst in ganz subjektivem Sinne ausdrücklich aufnimmt und wiederholt.166) Aber, fügt er hinzu, die Tyrannis welche man nur,,per latentem nequitiam apud se" ausübt, und sich daher durch äussere Handlungen nicht offenbart,,,non pertinet ad iuristam", denn Niemand ist vor dem Rechte für die reinen Absichten verantwortlich.167) Bartolus führt also eine Unterscheidung zwischen Tyrannis in moralischem Sinne und Tyrannis in juristischem Sinne ein, die, schon an sich selbst beachtet, sehr merkwürdig ist.

28. Die Folgen davon sind aber auch noch bedeutender. Denn, nachdem Bartolus, in völliger Übereinstimmung mit Gregorius, die Unabhängigkeit des Tyrannisbegriffes im juristischen Sinne von jeder bestimmten monarchischen Regierungsform ausdrücklich anerkannt und infolgedessen bestätigt hat, dass der römische Kaiser selbst, wie der König eines bestimmten Staates, wie der Herrscher einer freien civitas, wie endlich der Haupt eines Hauses Tyrannis ausüben kann,168) richtet er eben besonders seine Aufmerksamkeit auf die Tyrannis, welche in

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166) Vgl. Bartol. De Tyrann. n. 2.: ... Secund. quaero qualiter diffiniatur tyrannus. Respondit Gregorius XI. Moral: sic diffinit proprie: Tyrannus est. . . etc: haec sunt verba Gregorii ad litteram, quae pro lege servanda sunt... Superbia est radix omnium malorum quae praecipue in tyrannis apparet.

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167) Bartol., De Tyrann. 3:,,... alius per latentem nequitiam exercet apud se et incognita est sua tyrannis, quae in sola cogitatione, et ista non pertinet ad iuristam, quoniam cogitationis penam nemo meretur . . . . littera vero que sequitur (bei Gregorius) loquitur de punitione que fit in examinatione eterni iudicis; ideo hoc non expono sed dimitto theologis . . .“

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168) Bartol. De Tyran n. 2:,,Et sequuntur quinque species tyrannorum nam alius est tyrannus generalis in communi republica romanorum (d. h. das Kaisertum), alius provincialis qui in provincia non iure principatur, alius civitatis, alius unius domus, alius sui ipsius..."; vgl. die von Bartolus eingeführte Unterscheidung zwischen tyrannus universalis und tyrannus particularis...“ 1:,,. . . sicut enim rex seu imperator romanorum est iustus verus et universalis ita si quis illum locum vult iniuste obtinere appellatur proprie tyrannus dixi de tyrannia universali: hic de particulari..." eto.

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einer freien civitas ausgeübt wird.169) d. h., auf jene Gattung der tyrannischen Regierung, die so oft bei den italienischen Alleinherrschaften jener Zeit vorkam. Auch in diesem Falle, sagt Bartolus,,,est tyrannus qui non iure principatur“: nämlich ist jeder Herrscher als Tyrann zu betrachten, der die Untertanen unterdrückt, misshandelt, aussaugt. Die Unrechtmässigkeit der tyrannischen Regierung scheint also auch bei Bartolus einen rein moralisch-politischen Ursprung und Inhalt zu haben.170)

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29. Das ist aber in der Wirklichkeit nicht. Denn sofort schreitet Bartolus zu zwei nachträglichen Unterscheidungen, die scheinbar in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen mit der ganzen vorausgehenden, die Tyrannis betreffenden publizistischen Überlieferung. Die Tyrannis kann sagt er sich in verschiedener Weise offenbaren und von verschiedenen Ursachen veranlasst werden: es gibt daher verschiedene Arten von Tyrannis civitatis.171) Erstens, kann die Tyrannis entweder offenbar - manifesta- oder verschleiert velata et tacita sein172), d. h., sie kann sich entweder von aussen unmittelbar in der äusseren Regierung selbst zu erkennen geben, die deshalb eine nicht nur tatsächlich, sondern auch scheinbar verfassungsmässig alleinherrschaftliche monarchische Regierung sein muss, oder sie kann hinter einer nur scheinbaren Achtung vor einer freien Verfassungsform verborgen sein.173)

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De tyranno civitatis principaliter

170) Bartol. De Tyrann. 1: propter peccata rex privatur regno et tunc est tyrannus quia non iure principatur. . .: 3: ,,.... Notandum est singulariter quod actus tyrannicus specialiter consistit in affligendo subditos: dicitur enim tyrannus qui angustiat et cruciat suos. . ., 8:,,... Quinto quero de tyranno civitatis quotuplex sit eius species: Respond. ex praedictis constat, quod tyrannus civitatis est, qui in civitate non iure principatur. . . .' 171) Bartol. De Tyrann 8: sicut autem non iure principari multis modis contingit; ita multae sunt tyrannorum species..."

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172) Bartol. De Tyrann. 8:,,... nam quidam est tyrannus manifestus, quidam velatus et tacitus. . . .

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178) Bartol. De Tyrann. 28: De tyranno velato et tacito, qui sub quodam velamine non iuste principatur in civitate . . .“

Zweitens, kann die offenbare Tyrannis entweder ex defectu tituli oder ex parte exercitii sein: d. h. sowohl derjenige, der eine Gewalt ausübt, welche er auszuüben kein Recht hat, als derjenige, der schlecht und gemeinschädlich eine Gewalt ausübt, welche er auszuüben das Recht hat, sind als Tyrannen zu betrachten174): die verschleierte Tyrannis kann dagegen entweder propter titulum oder ex defectu tituli sein: d. h. sowohl derjenige, der in einer noch unter verfassungsrechtlich freien Regierungsform lebenden civitas eine an Dauer und Ausdehnung die Kompetenzgrenzen des von ihm innegehabten Amtes hinausgehende Gewalt ausübt, als derjenige, der, ohne ein bestimmtes Amt innezuhaben, sich tatsächlich in der civitas herrisch gebärdet und die Bürger unterdrückt, sind als Tyrannen zu betrachten.175) Aus dem Traktate des Bartolus geht also ein aus moralischen und juristischen Elementen gemischter Tyrannisbegriff hervor, in dem jedoch das moralische Element dem erstern gegenüber in die zweite Reihe tritt. Deshalb wird im Falle der verschleierten Tyrannis die Tyrannis exercitio gar nicht besprochen: denn in diesem Falle, welche auch die Art und Weise der Herrschafts

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174) Bartol. De Tyrann. 8:,,... Item esse quem tyrannum manifeste contingit, quandoque est parte exercitii quandoque ex defectu tituli . . .;“ 9: .quaero qui est tyrannus manifestus ex defectu tituli in civitate . . . ille qui in civitate sine iusto titulo manifeste principatur. . ."; ".23: · 99. .. quaero de tyranno ex parte exercitii liceat habeat iustum titulum. Dico quod iste tyrannus est ex parte eius quod opera tyrannica facit...“ etc.

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175) Bartol. De Tyrann. 8: Item eodem modo tyrannus velatus est quandoque propter titulum quandoque propter defectum tituli: "38:,,... Istud autem contingit duobus modis scil. per titulum quem fecit sibi concedi. Sciendum est. ... quod tyrannus proprie opponitur regi: sed de regia potestate est quod sit perpetuus: item quod habeat omnem iurisdictionem . Et his duobus sunt duo velamina tyrannica inventa. Primum quod quidam faciunt sibi concedi iurisdictionem et finito tempore refirmari ... etc.; 41:,, . . . . secundum quod quidam... faciunt sibi fieri aliquem titulum cui nulla quasi iurisdictio inest..... sed ex hoc ... in tantam venit potentiam quod officium civitatis ordinat prout vult . . .“; 46: Tertium... quando quis nullum titulum in civitate sibi concedi patitur sed regimina civitatis ita ordinat quod omnia procedunt secundum velle suum

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