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ausübung sei, besteht eben die Tyrannis darin, dass der Tyrann das tut, wozu er kein Recht hat, d. h. sie besteht wesentlich in der Verfassungswidrigkeit seiner Regierung. In dem anderen Falle dagegen, ist die Verfassungswidrigkeit der Regierung keine notwendige Folge: ja, im Gegenteile setzt die offenbare Tyrannis die wenigstens formell verfassungsmässig monarchische Regierung voraus. Aus welchem Begriffe besteht aber dieser defectus tituli, der nach Bartolus der hauptsächliche Grund der offenbaren und verschleierten Tyrannis ist?

2. Die Beziehungen des Begriffes von Tyrannis ex def. tit. zu dem positiven Verfa s

sungsrechte der italienischen Städte.

30. Der diesen Gegenstand betreffende Gedanken des Bartolus erhellt mehr vielleicht als aus dem Traktate selbst, aus der Erwägung einiger besonderen streng juristischen, dem Traktate nur kurz vorausgehenden Urkunden, die für das Verständnis der juristischen Grundlagen der italienischen Signoria wichtig sind. Es handelt sich um einige auf die Signorien der Caminesi in Treviso und der Carraresi in Padua bezüglichen Prozesse.

31. Zwischen 1314 und 1315 fand in Treviso ein sehr langer und merkwürdiger Prozess statt, dessen Akten im Staatsarchiv von Venedig und in der städtischen Bibliothek von Treviso noch heute vorhanden sind,176) und dessen geschichtliche Be

176) Aroh di Stato. Venezia, Codex tarvisin. ff. 105 s. ff.: Bibliot. Comun. Treviso, cod. 1091. saec. XIV. ff. 1–219: die amtlichen Urkunden des Prozesses sind wahrscheinlich in der trevisanischen Handschrift enthalten. Dieser unter dem Namen Processo degli Avogari bekannte Prozess wurde neuerdings von Picotti, im Anhang zu seinem Buche I Caminesi e la loro Signoria in Treviso dal 1283 al 1312. Livorno 1905. doc. LIV. s. 303-315 zum grossen Teil veröffentlicht: und ich werde die Ausgabe Picottis in den vorigen Seiten brauchen. Vgl. über dem Prozesse selbst und seiner geschichtlichen Bedeutung, Picotti, I Camin. etc. B. 6 f.; 74 ff.; 141 ff. etc. - Einige Stücke des Prozesses waren schon von Verci, Marca Trivigiana. VII. doc. 750. no. 762. s. 125 ff. v. 144 herausgegeben worden: vgl. auch die kurze Zusammenfassung von Minotto, A c taet Diplom,

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deutung sich dadurch erklären lässt, dass der Prozess nur zwei Jahre später als die Revolution von 1313 verhandelt worden ist, und besonders dadurch, dass diese Revolution die Herrschaft der Caminesi niedergeworfen und die republikanische Verfassung restauriert hatte.177) Der Streit war daraus entsprungen, dass das Commune der Familie der Avogari oder Avvocati das Recht anfocht, an den Toren der Stadt einige Eingangszölle einzuziehen, das die Familie selbst seit Jahrhunderten auf Grund einiger angeblich kaiserlichen Diplome ausüben zu dürfen beanspruchte.178) Da das Commune die Existenz dieser Diplome leugnete und durch mehrere Zeugen bewies, dass die Eingangszölle immer dem Commune ausgezählt worden waren, bevor Gerardus oder Riçardus da Camino, während ihrer Herrschaft, der Familie der Avogari das Recht, die Eingangszölle zu erheben, verliehen hätten, und dass man daher erst seit dieser Verleihung die Eingangszölle der Familie Avogari zu bezahlen angefangen hätte;179) so gestaltete sich die Frage in die andere um, ob diese Verleihung gültig gewesen war: nämlich ob Gerardus

e Regio zabulario Venetoregesta. vol. II. sect. III. s. 186 ff. Auf die wichtige Bedeutung dieses Prozesses habe ich schon in meiner Abhandlung Comunie Signori nel Veneto cit. s. 6 passim, die Aufmerksamkeit gelenkt.

177) Über diese Revolution und ihre politischen und verfassungsrechtlichen Folgen, vgl. den ganz auf Grund von Urkunden ausgeführten Bericht von Picotti, I Camin. etc. s. 238 ff.

178) Processo Avogarif. 116 v. ff., in Picotti, I Camin. etc. 8. 303 ff. Die Behauptung des Vertreters der Familie Avogari, dass das Recht der Familie selbst auf die Eingangszölle seinen Ursprung in kaiserlichen Diplomen hätte, wird von mehreren Zeugen befestigt: es scheint aber, dass die Familie nicht imstande war, die angeblichen Diplome dem Gericht vorzuzeigen.

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179) So eine lange Reihe Zeugen: Processo Avogarif. 111-165, in Picotti, I Camin. etc. 303 ff.: vgl. z. B. die Bezeugung von Gabriel Ronoinellus, f. 152 v.: numquam vidit nec audivit dici dictos dominos Advocatos... aliquid exigisse . . . nisi a tempore dominij et capitanarie dom. cond. Gerardi de Camino citra, a quo tempore citra audivit dici ipsos exigi fecisse ... De hoc homines de Tarvisio dolebant et conquerebantur, sed terrore dominij . . . non audiebant aliud dicere vel facere, sed murmurabant de hoc per plateas et alia loca . . ." etc.

und Ricardus wirklich das Recht gehabt hätten, das Eingangs zollrecht rechtskräftig und gültig zu verleihen. Die Frage aber erhielt plötzlich eine Erweiterung dadurch, dass das Commune nicht, wie man auf den ersten Blick denken könnte, die Rechtsgültigkeit des spezifischen Verleihungsaktes der herrschaftlichen Regierung, sondern die allgemeine Gültigkeit und Rechtmässigkeit der Regierung selbst bestritt. Das Commune gibt nämlich zu, dass Gerardus und Ricardus, wenn ihre Regierung eine gerechte und gesetzmässige gewesen wäre, das Recht gehabt hätten, die Erhebung der Eingangszölle wirksam und rechtsgültig einer privaten Familie zu verleihen; aber es behauptet, dass ihre Regierung eine tyrannische, d. h. eine unrechtmässige gewesen war.180) Und da natürlich die Familie Avogari darauf erwiderte, dass Gerardus und Ricardus keine Tyrannen, sondern rechtmässige und gerechte Regierende rectores gewesen waren,181) so sah sich das Commune gezwungen, seine Behauptung durch Zeugnisse zu beweisen. Eine Reihe von Zeugen, welche meistens den ältesten und bedeutendsten Bürgern angehörten, erschien

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180) Proc. Avogarif. 171 v., in Picotti, I Ca min, etc. s. 307: Die Vertreter des Commune behaupten: quod ab eo tempore citra quod (Gerardus) fuit capitaneus... tyrannico modo rexit dictam civitatem et districtum sue beneplacito voluntatis quousque vixit. . . . Item quod dom. Ricardus eius filius fuit capitaneus et . . . tamquam capitaneus tyrannico modo rexit . . . Item.. quod Guecelo eius frater fuit creatus capitaneus. . . et tyrannico modo rexit

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181) Proc. Avogarif. 174 ff., in Picotti, ICa min. etc. 307: auf die Frage, ob wirklich Gerardus capitaneus gewesen war, antworten Artico und Guecello, im Namen der Familie Avogari:,,. . . quod fuit rector et non aliter . . ."; und auf die Frage, ob wirklich Gerardus tyrannico mo do regiert hatte, antworten sie:,,quod non credunt tyrannico modo..."; so für die Regierung von Riçardus; eine bestätigende Antwort wird dagegen von dem Vertreter der Avogari auf die Frage über der tyrannische Regierung Guecellos da Camino gegeben; diese Frage wird daher nicht mehr den Zeugen vorgestellt; f. 177: Im Gegenteil behaupten die Avogari dass...,,dom. Gerardus und Riçardus ... temporibus quibus rexerunt civitatem Tarvisii fecerunt per potestates iudices et officiales Communis. . . reddi iura et iusticiam secundum leges et iura omnibus agere et petere volentibus. . . ." Der Vertreter des Commune antwortet darauf: . . quod non credit

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80 vor dem Gericht, um auf einer Reihe zur Feststellung des staatsrechtlichen Charakters der caminesischen Regierung führenden Fragen zu antworten. Natürlich ist es diesen Zeugnissen ein sehr geringer historischer Wert beizulegen, denn, erstens, wenden die Gegner ein, dass mehrere von der Commune herbeigeführten Zeugen bekannte Feinde der Familie Avogari waren,182) und zweitens, darf jedenfalls nie vergessen werden, dass man in einer Zeit heftiger antimonarchischer Reaktion lebte, und dass das Commune über die Zeugen die Gewalt hatte, die immer aus der Ausübung der öffentlichen Macht herkommen kann. Trotzdem haben die Zeugnisse eine grosse juristische Bedeutung. Die Mehrheit der Zeugen kommt zum Schluss, dass Gerardus und Ricardus Tyrannen gewesen waren; es ist aber zu bemerken, dass dieses Urteil niemals in einer angeblichen Verfassungswidrigkeit ihrer Regierung, sondern immer in der Art und Weise der Herrschaftsausübung begründet ist. Kein Zeuge zieht daher in Zweifel, dass Gerardus und Ricardus das Recht gehabt hätten, allmächtig und unbeschränkt zu beherrschen;183) alle aber stimmen darin überein, dass sie deshalb Tyrannen gewesen waren, weil sie dieses Recht missbraucht, nämlich gegen die Gesetze und die Gerechtigkeit, nicht zum Vorteil des Staates, sondern zu ihrem eigenen Vorteil, ausgeübt hätten184); weil sie

182) So einige von der Familie Avogari herbeigeführten Zeugen: Proc. Avogarif. 108 r., in Picotti, I Camin. 303: nochmals f. 172 r., in Picotti, 8. 307.

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188) Proc. Avogarif. 180, Dom. Petrus de Arpo:,,... esse capitaneum... est esse dominus in agendo faciendo et administrando civitatem ad suam voluntatem. . ." 183:,,Manfredinus Sartor: • 99. . regere sicut capitaneus est facere de civitate. . . . suas voluntates . . ."; f. 183 s., Montuor. de Villanova: Regere sicut capitaneus est facere de hominibus civitatis suam voluntatem. . ." etc.; f. 1830. Tholbertus de Camino: Gerardus ... rexit... sicut homo qui poterat facere id quod volebat et alte et basse de ipsa civitate..." etc. in Picotti, I Ca min. s. 308 ff. 184) Proc. Avogari, f. 180 Dom. Petrus de Arpo:,,... ita administravit et gessit... civitatem rexit ad suam voluntatem non observando statuta neque jura sepe sepius et sepissime eto. etc... Dom. Ricardus civitatem.... rexit tyrannico modo et tamquam tyrannus . . .", f. 181 s., Matth. de Castagne do:,,... Gerardus facebat consentiebat proicere collectas...

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schliesslich ,,domini - so sagten zwei Zeugen ausdrücklich non naturales" gewesen waren.185) Es kommt nicht darauf an, ob bei einigen von stärkeren republikanischen Gesinnungen begeisterten Zeugen die Ausgleichung zwischen Alleinherrschaft und Tyrannis wieder zum Vorschein kommt, denn, auch diesen Zeugen nach, liegt das notwendige tyrannische Wesen der Alleinherrschaft nicht in ihrer notwendigen Verfassungswidrigkeit, sondern in ihrer notwendigen Ungerechtigkeit und Schädlichkeit.186) Die Tyrannis der da Camino war also, der Unterscheidung des Bartolus nach, bloss eine Tyrannis exercitio, und der den Meinungen der Zeugen zu Grunde liegende Tyrannisbegriff war der oben geschilderten allgemeinen Überlieferung ganz entsprechend. An dem juristischen Grunde und an der Verfassungsmässigkeit, d. h. an dem iustus titulus dominandi, der caminesischen Regierung fehlte es nach diesen Meinungen nicht. Und zwar war diese Regierung gewiss

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et absolvebat et absolvi faciebat iuste et iniuste... et tyrannico modo... accipiebat iuste et iniuste uni et dabat alteri ... Dom. Riçardus rexit simili modo tyrannico, prout fecit... eius pater et deterius..."; f. 182 s. Manfred Sartor.: ,,... Gerardus male et malo modo rexit... tamquam tyrannus...“; f. 184 8., Rambaldus comes: rexit... ad beneplacitum sue voluntatis...et nescit alio modo esset tyrannus et tyrannico modo ipsa faceret . . .“; f. 184 v., Rolandinus de França:,,. . . Gerardus tyrannico modo fecit accipi possessionem bonorum domini Guberti . . . et dari cuidem servo suo ... Riçardus rexit magis tyrannico modo quam pater..."; f. 188 v. Franciscus de Axillo: „,... rexerunt.... magis more tyrannico quam rationabiliter...“ eto.

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185) bis) Proc. Avogari, Dom. Petrus de Arpo: secundum quod ipse testis legit in scripturis omnes qui non sunt domini naturales civitatum appellantur tyranni . . ."; Manfred. Sartor.:,,... Tyranni dicuntur qui non sunt domini naturales et illi qui accipiunt bona suorum subditorum inste et iniuste...": vgl. darüber oben s. 58 f.

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186) Proc. Avogari., f. 182 r. Manfred. Sartor.:,,. capitaneus... est malum officium pro statu terrarum . . . et mala dignitas.. f. 1840 v. Roland de França: esse capitaneus . . . hodie dicitur et sumitur secundum bieneplacitum imponentium et paliare volentium nomen tyrannie... (officium et dignitas capitanei) bonum secundum veram nominationem officii ipsius, quia bonum regere, et malum secundum paliacionem tyrannice pravitatis, quia destruere et dissipare subiectos et eorum bona . . . .

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