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Hochverehrtester Herr Professor,
Theuerster Herr und Freund!

Sie haben, theuerster Herr und Freund, auf die Richtung meines religiösen Lebens, welche mich wiederum auf das innigste mit unserer heiligen, Apostolisch - Römisch - Katholischen Kirche vereint, so mächtig und so entschieden eingewirkt, daß ich Ihrerseits auf gütige Nachsicht rechnen darf, wenn ich mich hierüber etwas nåher auslasse; wäre es auch nur um Ihnen und dem Publikum, namentlich dem teutschen, die Entstehungsweise vorliegenden Werkes darzuthun.

Bereits seit mehr denn einem Jahre bin ich Ihnen die Bes antwortung Ihres letzten lieben Schreibens vom 13. Oktober 1832 schuldig. Eine so schnelle und so lange Unterbrechung eines kaum seit vier Monaten mit Ihnen eingegangenen, und für mich so segensvoll gewordenen brieflichen Verhältnisses, wird Sie allerdings sehr befremdet haben. Doch Sie werden sich mit mir aussöhnen, wenn ich Ihnen bemerke, daß ich ein gleiches Stillschweigen gegen alle Welt, sogar gegen jene Personen, welche mir am theuersten sein müssen, gegen meine Familie, nicht minder beobachtet habe.

Es giebt gewisse feierliche Augenblicke im Leben des einzelnen Menschen, wo er, mißtrauisch gegen fremde Eindrücke, in sich selbst zurückkehrt, um den innern Kampf seines geistigen Lebens nur in Gegenwart seines Gewissens und seines Gottes auszukämpfen. Denken Sie mich in diese Lage. Sie wird Ihnen den Freundescommentar zu meinem Stillschweigen geben. Ich kann es nun heute brechen für Sie, für meine Familie, für das betreffende Publikum.

Sie werden sich wohl noch immer, theuerster Freund, an meine ersten Briefe erinnern, welche ich Ihnen von Paris und

dann von Orleans aus sandte. Ich kann nie ohne wehmüthiges Schmerz und reuiges Schamgefühl an Sie denken. So arm war ich dazumal an Geiste! Ich befand mich auf jenem fürchterlichen und schrecklichen Standpunkte der christlichen Anschauung, wo es mit mir zu einem entscheidenden und entschiedenen Durchbruche kommen mußte. Entweder mußte ich meine gegenkirchliche Stellung ferner noch behaupten, und sie gegen erhaltene Angriffe rechtfertigen, wie ich es zu thun auch fest entschlossen war; oder ich mußte in den Schooß unserer heiligen Mutter, der Kirche, zurücktreten, um hier wieder in aller Demuth und Selbstentåusserung jenen Trost und jenes Leben zu schöpfen, welches die Seele meiner Jugend war, dessen Andenken mich stets in jene glücklichen Jahre mit unsåglicher Wonne zurückverseßte. Die göttliche Vorsehung hat mich letzterer Gnade gewürdigt. Der Protestantismus stritt, vermöge seiner kirchlichen und gesellschaftlichen Grundlage, wenn der Charakter der Kirchlichkeit im wahren Sinne des Wortes noch dem Protestantismus beigelegt werden darf, zu sehr gegen meine politische, mehr noch als gegen meine religiöse Ueberzeugung, als daß ich mich für ihn hätte entscheiden können; und der materielle Indifferentismus hatte sich zu gewaltig an mir geråcht, als daß ich sein schnödes Joch und seine höhnende Geisel noch långer hätte ertragen sollen. Man hat Unrecht, wenn man den Indifferentismus für eine gar zu leichte Sache hålt. Ich habe mich durch eine Reihe der schönsten Jahre meines Lebens des Gegentheils überzeugen können; - jener Jahre gerade, wo sein Gifthauch die schönsten Entwürfe des Jünglings in ihren Knospen unwiederbringlich zu tödten pflegt, falls sie nicht, unter besonderm Wechsel des Geschicks, von unbekannter Hand begoffen werden, um spåter, unter den kräftigen und steten Strahlen der Mittagssonne, sich entfalten und zum Baume der That heranreifen zu können.

Die Bewegungen, welche sich im Schooße der katholischen Kirche in Schlesien seit den zwanziger Jahren zeigten und ein so gastfreundliches Echo in ganz Teutschland fanden,

durch meines Bruders und meine Bestrebungen, in Folge unserer genommenen eigenthümlichen Geistesrichtung, hervors gerufen, mußten natürlich meinen innern Zwiespalt mit der Kirche, durch falschen Studiengang einmal erzeugt, vollenden und zum vollen Ausbruche kommen lassen. Höhnische Treuund Lieblosigkeit legte sich im Augenblicke der Entscheidung ins Spiel, und die ohne Gott obschon unter seiner Firma und in reinster und unbescholtenster Wohlgemeintheit anges fangene Sache wurde durch Gottes Beiwirken, wenn auch erst in Folge blinder Befangenheit der Leidenschaft, doch glücklich beigelegt, und das Ungewitter zur Zeit beschworen.

Von nun an erhoben sich gewaltige Tage der Prüfung für mich. Ich fühlte das Bedürfniß, mich vom unangenehmen Schauplahe der brüderlichen Freundes - Niederlage zurückzuziehen, und dem Horizonte der Wirklichkeit, wie ich ihn früher mir gesteckt, der sich aber an meinem Studjertische zu sehr mit der Ideenwelt vermählt hatte, etwas näher zu treten. Ich wählte hierzu den von tief blickenden Weisen des alten Griechenlands empfohlenen Weg, das Reisen, um neben wissenschaftlichen Arbeiten in den unbekannten handschriftlichen Schäßen der alten Welt, das Gebiet meiner Erfahrungen zu erweitern, und Menschen und Sitten in reeller Vergleichung zu studieren.

Oestreich, an welches mich noch überdieß die schönsten Erinnerungen und die heiligsten Familienbande knüpften, reißte vor allem meine Aufmerksamkeit und Sehnsucht. Ich bin noch gegenwärtig voll des Eindruckes, welchen der Anblick der St. Stephanskirche in Wien in mir zurückließ. Ich fand in ihrer typisch gemüthlichen Architektur das treue Bild des religiösen und politischen Charakters dieses braven und glücklichen Volkes in den sprechendsten Zügen ausgedrückt. So ist es doch wahr! Jedes Volk hat sich in seinen Kirchen seine Denkmale gefeßt. Des Kölner Doms kühn himmelanstrebender majestätischer Bau, das größte und vollendetste Riesenwerk gothisch-architektonischer Conception, ist durch den Zwerggeist der folgenden Zeit unvollendet geblieben, wie des

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teutschen Volkes Charakter. Der Protestantismus hat seine Tem pel, wenn sie nicht alte Kirchen oder nach alten Mustern kopiert sind, nie über elegante und geräumige Wohnstuben hinausges bracht; ihre wahre, und allein nur mögliche, gesellschaftliche Bestimmung. Wie suchte ich in den Hallen des ehrwürdigen Wiener Gotteshauses mein Gemüth mit den Holdseligkeiten des alten Glaubens, von dem er so schöne Bürgschaft giebt, zu nåhren, und von neuem wiederum zu gebåren! Ich empfand hier zum erstenmale die ganze Blöße meiner Seele. Dürre war kaum mehr empfänglich für den himmlischen Thau, welcher in so segenreicher Fülle durch das gemeinsame Gebet frommer Priester und andächtiger Gläubigen vom Himmel herabstieg, um in die Herzen der auserwählten Schaar den stårkenden Balsam der Gnade zu gießen. So sehr war sie von den Brennstrahlen stolzer Vernünftelei ausgesogen!

Ihre

Jene schmerzlichen und peinvollen Stunden, welche ich ohne Glauben, und doch mit heißer Sehnsucht nach Glauben, in Wien zubrachte, stehen mir noch gegenwärtig lebhaft vor meiner Seele. Troß des graufendsten Wetters und des ellentiefen Schnees, es war nämlich tief im Winter 1829, vers säumte ich keinen Abendsegen in der St. Stephanskirche und mischte mich unter die fromme Masse, um wenigstens, anges lehnt an einen Pfeiler, aus der Ferne jene himmlischen Symphonien an mir vorüber ziehen zu hören; in der frohen Erwartung, daß ihre Töne vielleicht die zerstörten Akkorde meiner Seele wieder herstellen könnten, und um eine Thråne der Reue ob dem Verluste des theuersten Kleinods des Christen, des Glaus bens, im Stillen zu weinen. Wie sehr beneidete ich so manchen frommen und ehrwürdigen Greis, an dessen Seite ich mich, gleichwie in der Nähe einer erquickenden Dase, niederließ, um in seinem heitern und ruhigen Blicke die Wonne und die Seligkeit begreifen zu lernen, welche einem auf Gott vertrauenden Gemüthe vergönnt ist. Ich blieb aber zu sehr mir überlassen, als daß ich durch derartige Eindrücke mit mir håtte versöhnt werden können. Ich vermied allen Umgang mit den Dienern unserer Religion, selber auf Anrathen mei

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