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es so gross oder so klein es will, aus einer und derselben Zeit gewonnen zu haben, schwindet uns aller Boden unter den Füssen. Die Grundformen können in ganz verschiedener Zeit entstanden sein und wir haben noch gar keine Bürgschaft dafür, dass die Grundform A noch unverändert war, als B entstand, dass die zugleich entstandenen C und D auch gleich lange unverändert geblieben sind usf. Wenn wir also einen zusammenhängenden Satz in der Ursprache schreiben wollen, kann es leicht geschehen, dass er, wenn auch jedes Element desselben für sich richtig reconstruiert ist, als Ganzes dennoch nicht besser da steht als die Uebersetzung eines Verses der Evangelien, deren einzelne Worte man theils aus Vulfilas theils aus des sogenannten Tatians, theils aus Luthers Uebersetzungen entnommen hätte, da alle geschichtliche Perspective in der Ursprache noch fehlt"). Ich will noch ein Beispiel anführen. Dass das s des Nominativs z. B. in lupu-s, lúxo-s, vulf-s der Rest eines Demonstrativ pronomens ist, hat Bopp gewiss richtig erkannt. Wenn aber Curtius 25, glaubt, dieses s habe man im Plural doppelt gesetzt, daher die Länge, so steht dies völlig in der Luft. Ueberdies würde eine solche und ähnliche Erklärungen zu viel Philosophie in die Sprachbildung hineintragen. Man philosophiert ohne dies viel zu viel in die Sprache hinein und aus derselben heraus. Meine Ansicht ist, dass mit der Sprachbildung Philosophie gar nichts zu schaffen habe, wenn ich auch nicht mit dem Satze Geigers einverstanden bin, dass der Mensch ursprünglich vernunftlos gewesen sei und mit der Sprache erst die Vernunft bekommen habe. Wenn daher Erklärungen gegeben werden, wie sie z. B. Raabe 26) gibt: Wz. bhú, qvDas Eingeschlossen sein in einem gemachten Grossen, d. h. in der Umgebung selbst gesetzter Gegenstände" usw., so kann man solche Hirngespinnste auf sich beruhen lassen.

Schon Pott, der junge Nestor, wie ihn Max Müller 27) treffend nennt, hat sich zu wiederholten Malen gegen eine Reconstruction der indog. Ursprache in dem Sinne, wie sie Schleicher vorgenommen hat, ausgesprochen 2). Neuestens sind ihm mit Recht andere Gelehrte beigetreten 29). Ja, mir scheint sogar das Resultat, welches von allen Forschern, soweit mir bekannt, auch jetzt noch festgehalten wird, nämlich „dass alle indogerm. Wurzeln einsilbig seien", am meisten anfechtbar. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass die meisten indogerm. Wurzeln zweisilbig waren. Man sagt gewöhnlich, dass keine Hypothese alle Schwierigkeiten beseitige, diejenige aber den Vorzug verdiene, die am wenigsten Schwierigkeiten übrig lasse. Ich habe meine Hypothese von der Zweisilbigkeit der Wurzeln zu wiederholten Malen an allen uns bekannten indogermanischen Wurzeln, die in Betracht kommen, geprüft und ich habe zum mindesten weniger Schwierigkeiten gefunden, als die Theorie von der Einsilbigkeit uns bietet.

Die Zurückverfolgung der Wurzeln auf die letzterreichbare Form ist von Niemandem eingehender versucht worden, als von Fick in seinem schon genannten vergl. Wörterbuche. Er hat die Wurzeln in folgende Rubriken gebracht: I. blosser Vocal, II. a + Consonant, III. Consonant +a, IV. Doppelconsonanta. Zu der zweiten Gruppe macht Fick die merkwürdige und sonderbare Bemerkung: Vor der Aufzählung der Wurzeln mit anlautendem a und schliessenden Consonanten ist das Factum

24) J. Schmidt, Verwandtschaftsverhältnisse S. 30 f.
25) Zur Chronologie S. 9 (193).

26) Erforschung des ursprünglichsten elementarsten tiefsten Verständnisses der alten Sprachen, Berl. 1869, S. 165.

2) In der Rede bei der Eröffnung der Universität Strassburg, S. 10. 26) Vgl. die Einleitung zum III. Bande (1871) seines Wurzelwörterbuches.

29) Vgl. Delbrück in Kuhn's Zeitschr. XVIII (1869). S. 73 ff.; Windisch ebendaselbst XXI (1873), S. 385 ff.

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zu constatieren, dass neben ihnen sinngleiche oder doch sinnähnliche Wurzeln liegen, die mit den entsprechenden Consonanten anlauten und mit dem aVocal schliessen, äusserlich also ganz wie Umstellungen der ersteren aussehen; so steht z. B. neben ap erreichen pa nάoua gewinnen, neben ad essen da theilen, Speise zutheilen, wovon dant Zahn, dak beissen, neben ak erreichen, durchdringen, scharf sein, ka schärfen, wetzen, ki wetzen, erregen usw". Fick fährt weiter: Wie dieses Factum zu erklären sei, soll hier nicht untersucht werden." Es ist mir bis jetzt nicht bekannt geworden, dass Fick anderswo seitdem die Erklärung dieses Factums versucht habe. Das bequemste Mittel, eine Schwierigkeit los zu werden, ist freilich, wenn man sich in eine Lösung derselben von vornherein gar nicht einlässt. Ich wage aber zu behaupten, dass es in der Sprache keine Umstellung oder Metathesis gibt in dem Sinne, wie es gewöhnlich genommen wird, dass vielmehr, wo solches der Fall zu sein scheint, die Synkope eingetreten ist im Flusse der Rede der leichteren Sprechbarkeit halber. Wenn wir sagen, in ßeßhyna (St. Baλ-) hat Metathesis stattge funden, so ist dies unrichtig: βέβληκα steht statt βεβαλ-η-κα. Ebenso steht 9-ox-w statt Jura-ox-w, 900-ox-w statt 9000-oz-w usw.

Nehmen wir z. B. die Wurzel ak- und die Variation davon ka-. Es wird gewiss der Grund dieser Doppelgestalt der Wurzel schwer sich psychologisch oder physiologisch angeben lassen. Nehmen wir aber als ursprüngliche Wurzel aka an, so erklären sich die beiden Formen leicht. Ob dieses aka nominelle oder verbale Bedeutung hatte, darüber mag man streiten. Ich bin entschieden der Ansicht, dass das Nomen das prius ist. Demnach würde aka einen spitzen Gegenstand bedeuten, vielleicht gar einen spitzen, schneidigen Stein. Lassen wir (gleichviel ob es gerade bei der Wurzel zutrifft) an aka die erste Person antreten, aka-ya-mi, so kann daraus mit Abfall des anlautenden a entweder ka-ya-mi oder durch Synkope ak-ya-mi werden. Dass sich die beiden Formen ak und ka nebeneinander erhielten, ist nicht auffallend 3o).

Bei der Bestimmung der indogerm. Ursprache kommt noch ein anderes Moment in Betracht. Ich meine die Verwandtschaft mit dem Semitischen. Ich habe schon oben erwähnt, dass eine Verwandtschaft von vielen Gelehrten stillschweigend angenommen wird. Es haben sich auch in neuerer und neuester Zeit mehrere Gelehrte 3) daran gemacht, einen Zusammenhang auf irgend eine Weise zu ermitteln und zu beweisen. Wenn man auch zugeben muss, dass bis jetzt der rechte Weg nicht ge

30) Vgl. auch Windisch in Kuhn's Zeitschr. XXI (1873), 391 ff. 31) Ich nenne blos Ewald, Olshausen, Lassen (Indische Alterthumskunde 12, S. 637 f.), Ascoli (Del nesso ârio-semitico, Milano 1864; Studj Ario-Semitici im X. Bande der Memorie del Reale Istituto Lombardo, Milano 1867), besonders R. v. Raumer (gesammelte sprachwissenschaftliche Schriften, Frankfurt und Erlangen 1863, XV. Die Urverwandtschaft der semitischen und indoeuropäischen Sprachen, S. 461 bis 539. Herr Prof. Schleicher in Jena und die Urverwandtschaft der sem. u. indog. Sprachen, Frankf. 1864. Erörterung über die Urverw. der sem. u. indoeur. Sprachen in der Berliner Gymnasialzeitschr. XIX, 801-818. Fortsetzung der Untersuchungen Franki. 1867, zweite Forts. 1868, dritte Forts. 1871, vierte Forts. 1873) und andere, welche aufge zählt werden in der Schrift: Studien über indogermanisch-semitische Wurzelverwandtschaft von F. Delitzsch, Leipz. 1873. Endlich ist in neuester Zeit ein Aufsatz zu nennen von J. Grill in der Zeitschr. der deutschen morgenländischen Gesellschaft XXVII (1873), S. 425-460: Ueber das Verhältnis der indogermanischen und der semitischen Sprachwurzeln. Ein Beitrag zur Physiologie der Sprache. In einem etwas anderen Sinne: Ueber Indogermanen- und Semitenthum von Joh. Röntsch, Leipz. 1872. Die Semiten in ihrem Verhältnis zu Chamiten und Japhetiten von J. G. Müller, Gotha 1872 [Raumer, Kuhn's Zeitschr. XXII, 235 ff.].

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funden scheint, so möchte ich doch nicht mit Fr. Müller 32) einen Zusammenhang beider Sprachstämme als Unmöglichkeit hinstellen. Ich glaube, wir müssen abwarten, bis der indogermanische Sprachstamm selbst völlig durchforscht ist, vielleicht ergeben sich die Anknüpfungspuncte von selbst. Nehmen wir noch dazu, dass von vielen Gelehrten 33) ein inniger Zusammenhang des Aegyptischen mit dem Semitischen einerseits und mit dem Indogermanischen andererseits behauptet wird [ja, es ist in neuester Zeit mit allem Ernste behauptet und zu beweisen gesucht worden, dass das Indogermanische mit dem Chinesischen enge zusammenhange. So geschehen von Gust. Schlegel in der Schrift: Sinico-Aryaca ou Recherches sur les Racines primitives dans les langues Chinoises et Aryennes. Etude philologique. Tirage à part du XXXVI Volume des Transactions de la Société des Arts et des Sciences à Batavia, A Batavia 1872. Man kann dem Verfasser die Belesenheit in den einschlägigen philologischen Werken nicht absprechen, doch hat er mit seinem Buche nicht mehr als einzelne Anklänge von indog. Wörtern und Wurzeln an chinesische bewiesen, was ja in jeder Sprache nachzuweisen sein dürfte] wenn wir, sage ich, dies bedenken, so werden wir zugeben müssen, dass eine Reconstruction derjenigen Sprache, die die Indogermanen gesprochen haben mögen, äusserst schwer, wenn nicht, für jetzt wenigstens, unmöglich sei.

Es bleibt demnach die Ursprache bis auf weiteres, wenn wir sie als Ganzes betrachten, eine wissenschaftliche Fiction. Die Forschung wird durch diese Fiction allerdings wesentlich erleichtert, aber ein historisches Individuum ist das, was wir heute Ursprache nennen dürfen, nicht 34).

Müssen wir vor der Hand darauf verzichten, in diese geheimnisvollsten Tiefen einer grauen Vorzeit zu dringen, so verwirklicht sich doch, um mit Gosche 35) zu sprechen, das Ideal einer einheitlich bewegten und ihrer Einheit bewusst werdenden Menschheit immer mehr. Die vorgeschrittenen Enkel kommen aus dem fernsten Westen und erobern die Länder ihrer asiatischen Urheimath wieder, sei es mit Waffen der Gewalt oder mit der grösseren ihrer Gedanken. Der vereinsamte Koloss des chinesischen Reiches, der entsagende Hochmuth altindischer, der philosophisch-elegante der neuindischen Bildung, die wilde Heimatlosigkeit des turanischen Steppenlebens, die zwecklose Freiheit der arabischen Wüste, der blutige Stumpfsinn des Afrikaners alle werden von Tag zu Tag bestimmter in den Kreis unserer europäischen Gedankenarbeit gebannt und gewinnen ihre ersten oder doch wieder neue Ziele. Sie alle empfangen von uns und können ein neues Leben anheben.

Wir alle, meine Herrn, sind berufen, wenigstens ein Sandkorn zum unendlichen Baue zu liefern und, haben wir auch keine Aussicht es mitzuerleben, wenn der Schlussstein beim Riesenbaue gelegt wird, so haben wir doch das stolze Bewusstsein, das Unsere nach Kräften beigetragen zu haben.

[Wien, am 10. Nov. 1873.]

Val. Hintner.

32) Indogermanisch und Semitisch, ein Beitrag zur Würdigung dieser beiden Sprachstämme, im Aprilhefte des Jahrg. 1870 der Sitzungsb. d. phil.-hist. Cl. der kais. Ak. d. W. (LXV. Bd.] S. 5 ff. In der Ethnographie S. 527.

33) z. B. von Lauth in mehreren Aufsätzen der Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft. Bunsen: Aegyptens Stelle in der Weltgeschichte. Brugsch im hieroglyphisch-demotischen Wörterbuche u. sonst Neulich L. Reinisch freilich auf eine ganz unwissenschaftliche Weise, vgl. darüber Fr. Müller im Ausland, 41 (1873), S. 804 f. 8) J. Schmidt, Verwandtschaftsverhältnisse, S. 31.

35) in seinem wissenschaftlichen Jahresberichte über die morgenländischen Sudien 1862-1867, Leipz. 1871, Hft. I, S. 1.

Nachruf an L. Vielhaber.

(Vortrag*) gehalten am 11. April 1874 im Verein die Mittelschule.") Geehrte Herren! War ich nicht unter der Zahl der besonderen und näheren Freunde des Verstorbenen, zu dessen Gedächtnis ich in dem Saale, in welchem seine Rede so oft uns fesselte, einige Worte vorzutragen mir gestatte, so kann jener Umstand, wie ich glaube, nur zur Erhöhung und Verherrlichung des zu früh uns Entrissenen beitragen. Wenn innige Freunde ihren Freund vermissen und einen in ihren Augen grossen Mann beklagen, so hat damit die Geschichte der Menschheit nicht immer einen unersetzlichen Verlust erlitten. Liebe und Freundschaft liessen bei ähnlichen Gelegenheiten, bei noch frischem Schmerze oft Klagen ertönen, welche die Geschichte und ruhige Ueberlegung als übertrieben beurtheilt haben. Um so höheren Werth scheint mir ein Nachruf für die Verdienste eines Verstorbenen zu haben, der von einer durch die Bande der Freundschaft nicht gebundenen, gleichen Bestrebungen und Zielen huldigenden, objectiv abwägenden Seite gehalten wird. Das Geschick unseres zu früh geschiedenen Collegen ist an sich so ergreifend, dass es auch den persönlich ferner Stehenden mächtig rührt und bewegt. Manneskraft in der Blüte rüstigen Schaffens in reicher und immer vollerer Entwickelung vom unerbittlichen Tode trotz alles Widerstrebens der Natur geknickt zu sehen, weckt in allen Sterblichen ein unaussprechliches Gefühl der Theilnahme und des Mitgefühls, der Trauer und Betrübnis. Kommt noch hinzu, dass ein Familienglück gestört, dass der Gattin der Gatte, den einer kräftigen Leitung bedürf tigen Kindern der Vater, der ganzen Familie der Ernährer geraubt wurde, dass einer wissenschaftlichen Anstalt, deren Ruf er begründen, deren Umgestaltung er hätte durchführen können, dass einem Staate, der mit Energie eine wissenschaftliche und pädagogige Umgestaltung vollzogen hat, eine der ersten und thätigsten Kräfte, bevor sie den Erwartungen des Vaterlandes voll entsprechen konnte, im unerwarteten traurigen Geschicke verloren geht; da ist die Mahnung an das „De mortuis nihil nisi bene" unnöthig, da würde auch der Feind und Hasser verstummen, und dem Todfeinde eine Thräne der Rührung nicht fehlen.

Leopold Vielhaber ist geboren zu Nussbach in Oberösterreich am 14. October 1835. Seine Eltern sind wenig vermögende Bauersleute. Um so höher muss man das Streben, ihrem begabten Sohne zur Bildung zu verhelfen, anschlagen. Dass der kleine Leopold aber selbst, um eine bessere Stellung im Leben zu erringen, keine Mühe scheute, zeigt schon der Umstand, dass er die Kenntnisse der Volksschule in einem Nachbardorfe in Schlierbach an der Krems suchen musste. Welche Hindernisse auch dem strebsamen Knaben oft der rauhe Winter jener Gegend, die Hitze im Sommer bereitet haben mag, er liess sich in seinem Streben zu lernen nicht beirren. In seinem elften Jahre, im Jahre 1846, kam er nach Kremsmünster auf das Gymnasium. Der junge Student lebte hier sehr fleissig und zurückgezogen. Seine Studien unterbrachen nur botanische Ausflüge in die Umgegend, die wol bisweilen, wenn ein Ferialtag es erlaubte, bis in das zwei Meilen entlegene Vaterhaus ausgedehnt wurden. Die Dürftigkeit der Seinigen nöthigte ihn, in Kremsmünster Kosttage zu suchen, die dem braven jungen Menschen auch zu Theil wurden. Fielen seine Studienjahre der Mehrzahl der Jahre nach schon in die Neugestaltung der österr. Gymnasien, so wurden doch noch viele Gegenstände (mit Ausnahme des Griechischen) nach der alten Methode

*) Die Daten verdankt der Verf. Herrn Regierungsrath Mitteis, den Herren Proff. H. Ficker und Hermann und insbesondere dem Herrn Schwager des Hingeschiedenen Prof. Fried. Müller und dessen Frau Gemahlin.

gelehrt, da sich doch erst nach und nach theilweise geprüfte Lehrkräfte fanden. Jedenfalls litt Vielhaber, wie alle Studenten, unter den Verhält. nissen der Uebergangsjahre; der Maturant vom Jahre 1854 hatte in den philologischen Fächern manche Lücke, die ein so fleissiger Student unter normalen Verhältnissen nicht haben kann.

Vom theueren Boden der Heimat nahm er nun Abschied, um in Wien unter Bonitz und Grysar classische Philologie zu studieren, um als Gymnasiallehrer seine glückliche Lehrgabe, die sich schon in Kremsmünster in seinen Privatstunden gezeigt hatte, zu verwerthen. Der Eifer und der unendliche Fleiss des jungen Philologen bestimmten Professor Bonitz, ihm den Unterricht seines älteren Sohnes anzuvertrauen. Eifrig betheiligte er sich an den Seminararbeiten und an Disputationen.

Bonitz übte den grössten Einfluss auf den jungen Philologen aus. An seiner sicheren Hand wurde Vielhaber bald aller Schwierigkeiten Herr, die sich ihm nach seiner Gymnasialbildung entgegentürmen mussten. Wie eingehend sich der praktische Lehrer mit jedem halbwegs eifrigen Jünger der Philologie in der Privatlectüre abgab, ist Ihnen allen, meine Herren, bekannt. Vielhaber stand aber seine Thure immer offen, und schon nach einem Triennium schien er Bonitz ausreichend befähigt, um am akadem. Gymnasium als Supplent wirken zu können. Von Anfang November 1857 stand er an dieser Anstalt in Thätigkeit, wurde ein Jahr darauf, am 22. October 1858, von der wissenschaftlichen Prüfungscommission für Latein und Griechisch an ganzen Gymnasium approbiert und schon nach einem halben Jahre zum definitiven Gymnasiallelirer in Salzburg (24. März 1859) ernannt.

Seinen Beruf als Lehrer und Pädagog erfasste der junge kaum 24jährige Professor mit dem vollen Ernste, den das Bewusstsein einer schweren und heiligen Pflicht einflösst. Gründlichkeit und Genauigkeit, selbst auf Unkosten der Form, verlangte er vor allem in einer Uebersetzung aus einem lat. oder griech. Classiker, grammatische Correct heit in der Uebersetzung aus dem Deutschen in's Latein und Griechische. Er stellte überhaupt an die Schüler bedeutende Anforderungen, namentlich in der Uebersetzung aus dem Deutschen in's Lateinische, indem er mit Recht annahm, dass die Aufgabe des Gymnasiums im Latein auf anderein Wege nicht erreichbar sei. Da nun aber Schüler, an welche von anderer Seite weit weniger Anforderungen gestellt worden waren, ihm anfangs selten genügten, so war es natürlich, dass er fast an keiner Anstalt Liebling der ganzen Classe war, und dass nur einzelne talentvolle Schüler ohne Vorbehalt seinen Werth anerkannten und ihn von Herzen liebten. Diess Verhältnis besserte sich aber von Jahr zu Jahr seiner pädagogischen Laufbahn, namentlich, wenn er die Schüler einer Classe mehrere Jahre nach einander hatte. Die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, die Sonne auch der strengsten Pädagogik, strahlte über allen seinen Schülern gleichmässig, und diese Eigenschaften machten ihn neben seiner täglich wachsenden Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit stets zum angesehensten Lehrer an all' den Anstalten, an welchen er der Reihe nach wirkte. In Salzburg verblieb er vier Jahre und kam, da namentlich das Verhältnis, in welches er zum Landesschulrathe Kurz durch die Heirat mit dessen ältester Tochter getreten war, es wünschenswerth machte, mit Ostern 1863 nach Marburg, von da schon nach einem halben Jahre an das Gymnasium der theresianischen Akademie nach Wien (St. M. E. 22. Juni 1863). An dieser Anstalt, der sein reichstes Wirken durch neun Jahre zu Theil wurde, entfaltete er, neben einer fast unglaublich starken schriftstellerischen Productivität, eine ausserordentliche pädagogische Thätigkeit. Diese schon um das Jahr 1746 von der Kaiserin Maria Theresia gestiftete Anstalt, in einem grossartig angelegten Hause untergebracht, bot dem strebsamen Manne viele Anregung durch den dort wirkenden Lehrkörper, durch eine reichhaltige Bibliothek, und viele Annehmlichkeiten durch den schattigen Park und die SchwimmaZeitschrift f. d. österr. Gymn. 1874. IV. Heft.

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