städtischen, so dass keine die andere so entschieden überwog, um sie ins Schlepptau nehmen zu können; eine ungünstige Kombination, da ein Bundesheer meistens nur bei entschiedener Hegemonie eines Teiles recht aktionsfähig ist. Schon die beiden Fürsten konnten sich, als sie am 4. Juli in Ichtershausen bei Gotha zusammen kamen, über die Oberbefehlsfrage nicht recht einigen und liessen es daher bei den Artikeln bewenden, welche sie einige Jahre früher im Braunschweiger Krieg darüber aufgestellt hatten, aber jetzt in der Eile nicht finden konnten1). Jene Artikel sagen einfach, es soll keiner der beiden Fürsten, solange sie im Zug seien, nichts für sich selber ordnen, gebieten oder verbieten, sondern alles durch ihr beider einträchtige Beschlüsse ges hehen; wo sie aber nicht einig würden. sollte man die Kriegsräte darum hören und deren Majorität die Entscheidung geben. In diesem Bundeskriegsrat hatten die 3 Fürsten je 2 Stimmen, die vier Städte je eine 2). Die Folge war, dass unter immer zunehmenden Missverständnissen und Eifersüchteleien unter den übel harmonierenden Fürsten und bei der Neigung der vermittelnden städtischen Kriegsräte zu bedenklicher Vorsicht und möglichster Rücksichtnahme auf Verteidigung ihrer Städte, nie irgend ein energischer Entschluss gefasst, am wenigsten im geeigneten Moment sofort ohne umständliche Beratung gehandelt werden konnte, dass man beständig über die entgegengesetztesten Pläne beriet, deren jeder etwas für sich gehabt und zu einem Ziel geführt hätte; aber bald erhielt dieser, bald der entgegengesetzte Plan die Mehrheit, so dass man das bisher ausgeführte preisgab, um auf einen früher aufgegebenen Plan zurückzukommen und dann wiederum die Meinung zu ändern; überall zögerte man, kehrte auf halben Wege um und liess sich durch die Bewegungen und Operationen des Feindes bestimmen, statt dem Kriege selbst die Direktion zu geben. Die Beschlüsse der immer wieder neu zusammengesetzten Mehrheit, wobei zuweilen sogar die süddeutschen Städte auseinandergiengen3), fielen immer zu Gunsten des vorsichtigsten und unklarsten Vorschlages aus, bei dessen Hauptpunkten oft noch gewisse Hintergedanken obwalteten, den bescheidenen Aktionsgehalt auch noch fallen 1) Hortleder I p. 1667 und II 259. 2) Fontes p. 90, wenn man dem Venezianer hier glauben darf. Doch wird die auffallende Angabe, dass auch Hamburg einen Kriegsrat stellte, bestätigt und präzisiert durch Schertlins Erwähnung von Gesandten der sächsischen Städte, vgl. Herberger p. 134; nach demselben p. 142 hatte auch Strassburg einen Deputierten; nach Holländer war es H. v. Mülnheim, später Jakob Sturm. 3) z. B. Herberger 142. zu lassen, wie z. B. der Kurfürst mit seinen Angriffsplänen meist nur eine Annäherung an seine Heimat bezweckte1). Bei wichtigen Meinungsverschiedenheiten mussten die städtischen Kriegsräte mit fünftägiger Verzögerung die Instruktionen ihrer Obrigkeit einholen). Wenn im ganzen wohl der Landgraf und der nur gelegentlich neben den städtischen Kriegsräten zugezogene Schertlin mehr für die Offensive eintraten, der Kurfürst, Würtemberg und die Städte sich meist zaghafter erwiesen, so fehlt es doch auch nicht an Beispielen von entgegengesetztem Verhalten; zuweilen macht es den Eindruck, dass niemand für entschiedenes Vorgehen war, wenn er nicht darauf rechnen konnte, in Minderheit zu bleiben, und dass sogar der Landgraf und Schertlin 3) ihre aggressiven Vorschläge mehr als fromme Wünsche vorbrachten, an deren Erfüllung sie selbst nicht ernstlich dachten. Auch Philipp schwankte zwischen entgegengesetzten Plänen und änderte seine Meinung in wenigen Tagen dreimal1). Protokolle scheinen über die Kriegsratsverhandlungen nicht zu existieren und sind schwerlich geführt worden, da die Beschlüsse meist so unbestimmt gehalten waren, dass die Führer selbst nachher im Unklaren über ihren Inhalt und ihr Ziel waren 5). Trotzdem, und obschon Schertlin wie die Feldmarschalle der Fürsten nur gelegentlich zugezogen wurde) und die hessische Kanzlei bestechen musste um genaueres zu erfahren), ergeben seine Briefe noch am meisten Nachrichten über die Kriegsratsverhandlungen und spiegeln mit ihren Widersprüchen die Unklarheit derselben am besten. Von den hessischen Quellen bespricht nur das am wenigsten zuverlässige Diarium die Beschlüsse des Kriegsrates, noch mehr aber die Zänkereien zwischen den beiden Fürsten, Die innere Uneinigkeit nahm immer zu, so dass bald auch noch der Landgraf und Schertlin miteinander zerfielen 8). Endlich klagte man sich gegenseitig der Feigheit und des Verrates an, so dass die aus dem schmalkaldischen Lager stammenden Quellen meist heftiger 1) Herberger 135, 173. 2) vgl. Herberger 143. 3) Herberger 135. 4) Dies zeigen seine Briefe und ursprünglichen Zeitungen, z. B. Lenz R. B. 36-38, im Gegensatz zu den späteren hessischen Berichten. 5) Dies ergibt sich namentlich aus Stellen in Schertlins Briefen, wie Her berger p. 126. 6) Vgl. Herberger 133, 142, 144. 7) Vgl. Herberger p. 141. 8) Lorenz Beiträge zur Kritik der Geschichtschreibung über den schmalkaldischen Krieg p. 6, Autobiographie p. 42 u. 62. gegen einander polemisieren als gegen den Feind1). Die kraftlose, abwartende und rein defensive Kriegführung war um so ungeeigneter, als man die Absicht des Kaisers, das anfangs weit überlegene schmalkaldische Heer auszumatten" und bis zum Winter hinzuhalten, sehr wohl erkannte, oder wenigstens als nahe liegende Möglichkeit vermutete2) und von französischer Seite schon beim Beginn des Kriegs darauf aufmerksam gemacht und zur Offensive ermahnt wurde. Auch war die defensive Kriegführung bei der ganz zerstreuten und weitentfernten Lage der verschiedenen Bundesgebiete gar nicht anwendbar3). Einem so rührigen und schnellbeweglichen Feind gegenüber, der gar keine defensiven Rücksichten nahm und sich vollständig frei bewegte, konnte man unmöglich sowohl Würtemberg als Ulm und Augsburg decken und dazu noch die Verbindung mit Sachsen und Hessen aufrechterhalten, ohne sich planlos nach den Intentionen des Gegners herumziehen zu lassen und dabei unerwarteten Überraschungen auszusetzen, selbst wenn man den Bewegungen des Gegners immer nachfolgte und ihn dadurch an zeitraubenden Belagerungen grösserer Städte verhinderte. Selbst der defensive Zweck wäre weit sicherer durch entschiedene Offensive gegen den schwächeren Feind erreicht worden. Daran scheint aber niemand ernstlich gedacht zu haben). Auch dem Kaiser hätte ja bei seiner numerischen Schwäche eine rein defensive Kriegführung zum Schutz der vorderösterreichischen Gebiete, Baierns oder der durch die Plünderungsgelüste der Feinde bedrohten. geistlichen Fürstentümer nahe gelegen, er hat aber auf diese wegen ähnlicher Zerstreutheit dieser Gebiete kaum lösbare Aufgabe mit Recht verzichtet, sich mit vollster Freiheit nur nach strategischen Gesichtspunkten bewegt, immer entschiedener den Krieg in protestantische Gebiete hineingespielt, mit kühnen, überraschenden Wendungen bald dieses bald jenes Gebiet der Feinde, ja oft alle miteinander bedroht, so dass er sie immer in nervöser Augst für ihre verschiedenen Länder 1) Namentlich Schertlins Autobiographie, das hessische Diarium und Ratzeberger, 2) Herberger 136, 137 und 160. 3) Die von Clausewitz II 129 angeführten Vorteile der Verteidigung beruhen alle auf der Voraussetzung eines geschlossenen Territoriums, wie es ein moderner Grossstaat besitzt. 4) Mit Schertlins aufrichtigsten Äusserungen, z. B. Herberger 135, man hoffe den Feind bis zum Winter aufzuhalten, dass er gegen Augsburg nichts ausrichten könne, stimmen die Briefe des Landgrafen bei Lenz R. B. p. 40-42: zieht der Feind auf Ulm, so gedenken wir ihm nachzuziehen; zieht er auf Württemberg, ebenfalls und viele ähnliche Stellen, neben welchen die offensiveren Äusserungen mehr als Phrasen erscheinen. erhielt und dadurch ihre Interessen und Kriegspläne immer mehr auseinander gehen machte, wohl wissend, dass die von ihm angenommene kunktatorische Kriegführung durchaus nicht mit einer untätig abwartenden Defensive übereinstimmt, sondern im Gegenteil erfordert, den Gegnern die Direktion des Krieges aufzuzwingen. Anstatt dieses doch von ihnen geahnte Spiel durch entschiedenen Angriff zu zerreissen, gaben sich die Schmalkaldischen demselben immer mehr hin. Und doch hatten sie noch viele andere Vorteile über den Kaiser als nur ihre anfängliche numerische Übermacht; so die einheitliche. nationale Zusammensetzung und die reformatorische Begeisterung, die man bei dem grössten Teil ihres Heeres voraussetzen kann; aber gerade. diese wurde durch Tatenlosigkeit und Uneinigkeit erstickt. Die kaiserlichen Truppen waren in nationaler Beziehung aufs bunteste zusammengesetzt; aus Spaniern, die von Ungarn kamen, Neapolitanern, italienischen Hilfstruppen des Papstes, der Herzoge von Florenz, Ferrara und Savoyen, sogar Albanesen1) und Böhmen2), Oberdeutschen aus dem Schwarzwald und anderen katholischen Gebieten, Niederländern, Preussen, Braunschweigern, ja protestantischen Brandenburgern unter Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Culmbach und dem eigentlich zum schmalkaldischen Bund gehörigen Markgrafen Hans von Brandenburg-Cüstrin, die ihre protestantischen Feldprediger mit ins kaiserliche Lager brachten. Dass die 1000 von Markgraf Albrecht geführten Reiter zu den ursprünglich für den Landgrafen geworbenen Truppen gehörten 3), und umgekehrt der hessische Ritter Reiffenberg, welcher Hessen gegen die Niederländer verteidigen sollte, kurz vorher Söldner für den Kaiser geworben hatte1), ist bezeichnend für die auch unter den Truppen herrschende Verwirrung der Anschauungen. Daher gab es auch auf beiden Seiten viele Überläufer. Dieses erst allmählig im Lauf des Krieges gesammelte Heer musste erst zu einem einheitlichen Organismus zusammengesetzt und eingeübt werden. Natürlich fehlte es auch hier nicht an Eifersüchteleien und Missverständnissen zwischen den verschiedenen Nationen und Konfessionen, unter denen sich namentlich die Deutschen gegenüber den Ausländern zurückgesetzt fühlten 1) Erwähnt bei Faleti 132. Nach Henne VIII 291 und Kannegiesser, Karl V und Maximilian Egmond Graf von Büren p. 35 u. 155 waren es 70–80 unter Hypolit Pallavicino, die erst mit dem Grafen von Büren zum Kaiser stiessen. 2) Herberger 136. 3) Dispacci I 554 und 565. 4) Kannegiesser p. 13. und vollends die Protestanten 1) Gewissensbedenken empfinden mussten im Kampf gegen Glaubensgenossen. Im Kriegsrat, der nach allgemeiner Gewohnheit der Zeit2) auch im kaiserlichen Lager bei allen wichtigen Fragen gehalten wurde, fehlte es keineswegs an Meinungsverschiedenheiten; aber das Verhältnis war doch in Ermangelung föderalistischen Charakters ein ganz anderes. Der Kaiser stand mit seiner unbestrittenen Autorität über allen und entschied mehrmals im Kriegsrat mit Alba3) allein gegen alle übrigen Mitglieder, die seine Offiziere und Vasallen waren, da auch die Führer der päpstlichen Hilfstruppen sich ihm gänzlich unterordneten. Seine höheren fürstlichen Bundesgenossen, seinen Bruder, König Ferdinand, und den von der habsburgischen Diplomatie immer mehr umgarnten Herzog Moritz von Sachsen bestimmte der Kaiser zu Operationen auf einem ganz anderen Felde, zum Einfall in das von Truppen entblösste Kurfürstentum Sachsen, also zu einer Diversion im Rücken der Gegner, die aber so lange verschoben wurde, dass diese bis gegen Ende des Krieges die beiden Fürsten für neutral hielten. Damit folgte der Kaiser der überall bewährten Lehre, dass Alliirte wo möglich nicht vereint, sondern auf verschiedenen Kriegsschauplätzen operieren sollen, weil die unvermeidlichen Reibungen und Differenzen zwischen den Führern einen grossen Teil der zusammengezogenen Kräftesumme absorbieren, wie das ja im schmalkadischen Lager so verhängnissvoll zu Tage trat. Noch mehr als durch seine geringere Truppenzahl sah sich der Kaiser durch diplomatische Gründe, geheim gehaltene Bündnisse, zu kunktatorischer Kriegsführung veranlasst. Herzog Moritz von Sachsen, auf dessen Hilfe die Schmalkalder noch bis gegen Ende des Krieges hofften, da er der Schwiegersohn des Landgrafen und Bruderssohn des Kurfürsten von Sachsen war, auch früher mit seinem Vater 1537 dem Bund angehört, nach seinem Regierungsantritt freilich den Beitritt abgelehnt hatte, wurde durch Einverständnis seiner Räte mit den Habsburgern so von diesen umgarnt, dass er, noch ohne es zu wissen und zu wollen, schon ein Werkzeug des Kaisers war. Dieser konnte sicher sein, mit Versprechung der sächsichen Kurwürde und der zwischen. beiden Linien streitigen Schutzherrschaft über Magdeburg und Halber 1) Deutsche Soldaten des Kaisers bedrohten einen Dominikanerprior, weil sein Orden am Kriege schuld sei (Dispacci p. 630).. 2) Jähns I p. 478 und 503. Das Verzeichnis der kaiserlichen Kriegsräte, unter welchen 4 Spanier, 5 Italiener, 4 Deutsche waren, gibt Mameranus bei Hortleder I 376. 3) Gegen die Befähigung Albas zum Oberkommando herrschte schon vor Kriegsausbruch eifersüchtiges Misstrauen, sogar unter den Spaniern; vgl. Dispacci 533. |