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gegen einander polemisieren als gegen den Feind1). Die kraftlose, abwartende und rein defensive Kriegführung war um so ungeeigneter, als man die Absicht des Kaisers, das anfangs weit überlegene schmalkaldische Heer auszumatten" und bis zum Winter hinzuhalten, sehr wohl erkannte, oder wenigstens als nahe liegende Möglichkeit vermutete2) und von französischer Seite schon beim Beginn des Kriegs darauf aufmerksam gemacht und zur Offensive ermahnt wurde. Auch war die defensive Kriegführung bei der ganz zerstreuten und weitentfernten Lage der verschiedenen Bundesgebiete gar nicht anwendbar3). Einem so rührigen und schnellbeweglichen Feind gegenüber, der gar keine defensiven Rücksichten nahm und sich vollständig frei bewegte, konnte man unmöglich sowohl Würtemberg als Ulm und Augsburg decken und dazu noch die Verbindung mit Sachsen und Hessen aufrechterhalten, ohne sich planlos nach den Intentionen des Gegners herumziehen zu lassen und dabei unerwarteten Überraschungen auszusetzen, selbst wenn man den Bewegungen des Gegners immer nachfolgte und ihn dadurch an zeitraubenden Belagerungen grösserer Städte verhinderte. Selbst der defensive Zweck wäre weit sicherer durch entschiedene Offensive gegen den schwächeren Feind erreicht worden. Daran scheint aber niemand ernstlich gedacht zu haben1).

Auch dem Kaiser hätte ja bei seiner numerischen Schwäche eine rein defensive Kriegführung zum Schutz der vorderösterreichischen Gebiete, Baierns oder der durch die Plünderungsgelüste der Feinde bedrohten geistlichen Fürstentümer nahe gelegen, er hat aber auf diese wegen ähnlicher Zerstreutheit dieser Gebiete kaum lösbare Aufgabe mit Recht verzichtet, sich mit vollster Freiheit nur nach strategischen Gesichtspunkten bewegt, immer entschiedener den Krieg in protestantische Gebiete hineingespielt, mit kühnen, überraschenden Wendungen bald dieses bald jenes Gebiet der Feinde, ja oft alle miteinander bedroht, so dass er sie immer in nervöser Augst für ihre verschiedenen Länder

1) Namentlich Schertlins Autobiographie, das hessische Diarium und Ratzeberger.

2) Herberger 136, 137 und 160.

3) Die von Clausewitz II 129 angeführten Vorteile der Verteidigung beruhen alle auf der Voraussetzung eines geschlossenen Territoriums, wie es ein moderner Grossstaat besitzt.

4) Mit Schertlins aufrichtigsten Äusserungen, z. B. Herberger 135, man hoffe den Feind bis zum Winter aufzuhalten, dass er gegen Augsburg nichts ausrichten könne, stimmen die Briefe des Landgrafen bei Lenz R. B. p. 40-42: zieht der Feind auf Ulm, so gedenken wir ihm nachzuziehen; zieht er auf Württemberg, ebenfalls und viele ähnliche Stellen, neben welchen die offensiveren Äusserungen mehr als Phrasen erscheinen.

erhielt und dadurch ihre Interessen und Kriegspläne immer mehr auseinander gehen machte, wohl wissend, dass die von ihm angenommene kunktatorische Kriegführung durchaus nicht mit einer untätig abwartenden Defensive übereinstimmt, sondern im Gegenteil erfordert, den Gegnern die Direktion des Krieges aufzuzwingen. Anstatt dieses doch von ihnen geahnte Spiel durch entschiedenen Angriff zu zerreissen, gaben sich die Schmalkaldischen demselben immer mehr hin.

Und doch hatten sie noch viele andere Vorteile über den Kaiser als nur ihre anfängliche numerische Übermacht; so die einheitliche nationale Zusammensetzung und die reformatorische Begeisterung, die man bei dem grössten Teil ihres Heeres voraussetzen kann; aber gerade diese wurde durch Tatenlosigkeit und Uneinigkeit erstickt.

Die kaiserlichen Truppen waren in nationaler Beziehung aufs bunteste zusammengesetzt; aus Spaniern, die von Ungarn kamen, Neapolitanern, italienischen Hilfstruppen des Papstes, der Herzoge von Florenz, Ferrara und Savoyen, sogar Albanesen1) und Böhmen2), Oberdeutschen aus dem Schwarzwald und anderen katholischen Gebieten, Niederländern, Preussen, Braunschweigern, ja protestantischen Brandenburgern unter Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Culmbach und dem eigentlich zum schmalkaldischen Bund gehörigen Markgrafen Hans von Brandenburg-Cüstrin, die ihre protestantischen Feldprediger mit ins kaiserliche Lager brachten. Dass die 1000 von Markgraf Albrecht geführten Reiter zu den ursprünglich für den Landgrafen geworbenen Truppen gehörten 3), und umgekehrt der hessische Ritter Reiffenberg, welcher Hessen gegen die Niederländer verteidigen sollte, kurz vorher Söldner für den Kaiser geworben hatte+), ist bezeichnend für die auch unter den Truppen herrschende Verwirrung der Anschauungen. Daher gab es auch auf beiden Seiten viele Überläufer. Dieses erst allmählig im Lauf des Krieges gesammelte Heer musste erst zu einem einheitlichen Organismus zusammengesetzt und eingeübt werden. Natürlich fehlte es auch hier nicht an Eifersüchteleien und Missverständnissen zwischen den verschiedenen Nationen und Konfessionen, unter denen sich namentlich die Deutschen gegenüber den Ausländern zurückgesetzt fühlten

1) Erwähnt bei Faleti 132. Nach Henne VIII 291 und Kannegiesser, Karl V und Maximilian Egmond Graf von Büren p. 35 u. 155 waren es 70-80 unter Hypolit Pallavicino, die erst mit dem Grafen von Büren zum Kaiser stiessen.

2) Herberger 136.

3) Dispacci I 554 und 565.

4) Kannegiesser p. 13.

und vollends die Protestanten 1) Gewissensbedenken empfinden mussten im Kampf gegen Glaubensgenossen. Im Kriegsrat, der nach allgemeiner Gewohnheit der Zeit2) auch im kaiserlichen Lager bei allen wichtigen Fragen gehalten wurde, fehlte es keineswegs an Meinungsverschiedenheiten; aber das Verhältnis war doch in Ermangelung föderalistischen Charakters ein ganz anderes. Der Kaiser stand mit seiner unbestrittenen Autorität über allen und entschied mehrmals im Kriegsrat mit Alba) allein gegen alle übrigen Mitglieder, die seine Offiziere und Vasallen waren, da auch die Führer der päpstlichen Hilfstruppen sich ihm gänzlich unterordneten. Seine höheren fürstlichen Bundesgenossen, seinen Bruder, König Ferdinand, und den von der habsburgischen Diplomatie immer mehr umgarnten Herzog Moritz von Sachsen bestimmte der Kaiser zu Operationen auf einem ganz anderen Felde, zum Einfall in das von Truppen entblösste Kurfürstentum Sachsen, also zu einer Diversion im Rücken der Gegner, die aber so lange verschoben wurde, dass diese bis gegen Ende des Krieges die beiden Fürsten für neutral hielten. Damit folgte der Kaiser der überall bewährten Lehre, dass Alliirte wo möglich nicht vereint, sondern auf verschiedenen Kriegsschauplätzen operieren sollen, weil die unvermeidlichen Reibungen und Differenzen zwischen den Führern einen grossen Teil der zusammengezogenen Kräftesumme absorbieren, wie das ja im schmalkadischen. Lager so verhängnissvoll zu Tage trat.

Noch mehr als durch seine geringere Truppenzahl sah sich der Kaiser durch diplomatische Gründe, geheim gehaltene Bündnisse, zu kunktatorischer Kriegsführung veranlasst. Herzog Moritz von Sachsen, auf dessen Hilfe die Schmalkalder noch bis gegen Ende des Krieges hofften, da er der Schwiegersohn des Landgrafen und Bruderssohn des Kurfürsten von Sachsen war, auch früher mit seinem Vater 1537 dem Bund angehört, nach seinem Regierungsantritt freilich den Beitritt abgelehnt hatte, wurde durch Einverständnis seiner Räte mit den Habsburgern so von diesen umgarnt, dass er, noch ohne es zu wissen und zu wollen, schon ein Werkzeug des Kaisers war. Dieser konnte sicher sein, mit Versprechung der sächsichen Kurwürde und der zwischen beiden Linien streitigen Schutzherrschaft über Magdeburg und Halber

1) Deutsche Soldaten des Kaisers bedrohten einen Dominikanerprior, weil sein Orden am Kriege schuld sei (Dispacci p. 630)..

2) Jähns I p. 478 und 503. Das Verzeichnis der kaiserlichen Kriegsräte, unter welchen 4 Spanier, 5 Italiener, 4 Deutsche waren, gibt Mameranus bei Hortleder I 376.

3) Gegen die Befähigung Albas zum Oberkommando herrschte schon vor Kriegsausbruch eifersüchtiges Misstrauen, sogar unter den Spaniern; vgl. Dispacci 533.

stadt, aber auch mit der Drohung, dass sonst König Ferdinand Kursachsen für sich einnehme, den persönlich zur Neutralität geneigten Herzog schliesslich doch zur Invasion in Kursachsen zu veranlassen, die das schmalkaldische Heer zur Auflösung bringen musste, selbst wenn der Kaiser vorher keine dazu führenden Erfolge davon getragen hätte1). Während dies sich teils wegen Bedenken des Kaisers, alle nötigen Opfer zu bringen, teils wegen der erforderlichen Vorsicht in der Behandlung des noch nicht völlig gewonnenen Moritz2) bis gegen Ende Oktober verzog, war für den Anfang des Krieges eine ebenso geheim gehaltene Verbindung mit Herzog Wilhelm von Baiern wichtiger. Von seiner Rivalität mit den Habsburgern, die bis zum Projekt einer Erhebung des Herzogs Wilhelm zum römischen König gegangen war, hofften die Schmalkaldner zum mindesten eine wohlwollende Neutralität und verhandelten noch während des Krieges mit Baiern. Bei Abfangung eines bairischen Boten sagten die Kaiserlichen, sie wollten. doch sehen, was der Saubaier mit dem Hundshessen zu tun habe. Verhängnisvoll war es, dass gerade der sonst energischere Landgraf durch die Baiern eine Zeit lang geflissentlich getäuscht und vom Einmarsch in Baiern abgehalten wurde3). Der Kaiser gewann den Herzog noch vor dem Kriegsausbruch durch Verheiratung eines bairischen Prinzen mit einer Tochter König Ferdinands, Verheissung der streitigen Pfalzgrafschaft Neuburg und der pfälzischen Kurwürde, deren Inhaber, Friedrich II., indirekt auf Grund eines Bündnisses mit Würtemberg den Schmalkaldnern ein kleines Hilfskorps zusandte1). Dass Baiern nicht offen zum Kaiser trat, sondern als scheinbar neutral nur heimlich Proviant, Geschütz und Schanzgräber lieferte3), auch mit seinen Festungen dem kaiserlichen Heere einen von den Feinden nicht geahnten Rückhalt bot, war keineswegs ein Nachteil, wie es Avila darstellt), sondern, wie der venezianische Gesandte ausführt, ein grosser Vorteil, der die Gegner zu einer zwecklosen Verschonung und mühsamen Umgehung des anfangs zwischen den beiderseitigen Heeresaufstellungen liegenden bairischen Gebietes veranlasste und ihre Operationen, welche ohne diese, von manchen Geschichtschreibern vergessene Rücksicht gar nicht verständlich werden, im höchsten Maasse hinderte,

1) Brandenburg, Herzog Moritz I pag. 442-486.

2) Noch am 19. Septbr. bat der Kaiser seinen Bruder, den Herzog nicht zu drängen, damit er sich nicht mit den Gegnern alliire (vgl. Druffel Briefe, II p. 21.) 3) Riezler: Geschichte Baierns IV. 350.

4) Dispacci I, 637 u. Häusser, Geschichte der Pfalz II 602.

5) Dispacci II. 543.

6) Biblioteca XXI 412.

während der Kaiser sich dieses Gebietes zur Deckung, wie zu Durchzügen, Lagerungen und Verproviantierungen in einer ganz freien, den Gegnern unerwarteten Weise bedienen konnte1). Zudem gab ihm die scheinbar zweifelhafte, jedenfalls perfide Haltung Baierns nachher einen Vorwand, die nur mündlich zugesagten Belohnungen doch nicht zu erteilen und damit vielmehr den pfälzischen Kurfürsten zurück zu gewinnen).

Bei diesen Verhältnissen kann nun kein Zweifel sein, dass eigentlich nur der Kaiser ein Interesse an kunktatorischer Kriegführung hatte, ja diese schon beim Abschluss des geheimen Vertrages mit Baiern in Aussicht nahm. Da der Kaiser in seinen Memoiren, und noch mehr seine Geschichtsschreiber nach dem doch auch nur in vorteilhafter Situation und mit grosser Übermacht erlangten Sieg bei Mühlberg diese Methode nicht mehr ehrenvoll genug fanden und sich offensivere Absichten zuschrieben, gibt es fast nur indirekte Beweise für die wirklichen Absichten. Abgesehen von den später zu erwähnenden Vermutungen Schertlins und Warnungen der französischen Agenten vor der hinhaltenden Methode des Kaisers, liegen doch auch Andeutungen von kaiserlicher Seite vor. Der Marchese von Marignano, einer der kaiserlichen Werbeoffiziere, hat dem Kaiser gleich Anfangs geraten, die Deutschen eher mit jedem anderen Mittel als mit einer Schlacht zu besiegen3). Noch schlagender ist die Versicherung des kaiserlichen Generalquartiermeisters Castaldo, dass der Kaiser im ganzen Kriege keine Schlacht wollte, aber dem Feind die entgegengesetzte Überzeugung beigebracht habe1). Doch fehlt es auch nicht an einer direkten Andeutung des Kaisers selbst, sogar aus der Zeit gleicher Truppenstärke nach dem Eintreffen der Niederländer, da er am 19. September seinem Bruder Ferdinand für den Rat dankt, nicht zu viel zu wagen, und fortfährt: Croyes, qu'en ce l'on dit plus que je n'en fois; car osté les jours de la feste, que les ennemis nous firent, je ne me suis mis ny trouvé en lieu où je passage dangier." 5) Ebenso schrieb er am 10. August an seinen Sohn Philipp, er müsste sein Kriegslager

"

1) Fontes 87.

2) Riezler, Gesch. Baierns IV. 386.

3) Dispacci I 543 u. 625:,travagliarli, inferendoli quanti danni si poteva et per tal via consumarli'.

*) Dispacci II 385.,quando anco l'Imperatore non volea per alcun modo combattere, io allogiava talmente l'esercito suo che inimici giudicavano, Sua Mta tener all' hora molto voluntà di farlo.

5) Briefe und Aktenstücke I 21. ed. Druffel, der sich hier den selbst gelieferten Gegenbeweis gegen seine, militärische Würdigung entgehen liess.

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