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Der hessische Rechenschaftsbericht1) sagt zwar mit Recht, es ergebe sich aus den Aussagen von Feind und Freund, dass man den Feind an diesem Tage hätte schlagen können; aber die Bemerkung gilt mehr für den Anfang als den Schluss des Tages, und der Landgraf ist selbst gar nicht so ernstlich für den Sturm eingetreten, wie er dies in den späteren Berichten behauptet. Die Quellen aus dem feindlichen Lager lassen erkennen, dass man einen Sturm an diesem Tage fürchtete und alle Massregeln dagegen traf 2).

Die Sachlage ist wohl so zu beurteilen, dass ein Sturm auch jetzt noch, wenn schon nicht mehr so sicher wie am 26. August zu einem freilich blutigen und schwer zu erkaufenden, aber endgiltigen Sieg hätte führen können; vorausgesetzt, dass die Schmalkaldner zu einem einigen und energischen Vorgehen befähigt gewesen wären; da aber dies nicht der Fall war, konnte Niemand ernstlich einen Sturm beantragen.

Während die Schmalkaldner sich noch drei weitere Tage mit Bombardieren begnügten, gewöhnte sich das kaiserliche Heer an die anfangs unangenehmen Kugeln, richtete sich mit Gruben vor den Zelten darauf ein, erhöhte die Schanzen und errichtete Bastionen für die eigene Artillerie, so dass ein Sturm immer unmöglicher wurde, und das Lager einer befestigten Stadt glich3). Guten Mut und eiserne Disziplin erforderte das ruhige Aushalten des beständigen Kugelregens allerdings, aber die Kaiserlichen liessen sich schlechterdings nicht aus dem Lager hinausbombardieren, nicht einmal nach rückwärts, geschweige denn nach vorwärts, wie die Schmalkaldner zu hoffen vorgaben4). Kaltblütig ritt der Kaiser, der in einer Sänfte hinter einer Bastion schlafen musste, seit eine Kugel in sein Zelt geschlagen5), bei Tag überall im Lager herum und ermahnte die einzelnen Abteilungen zum Ausharren 6). zur Annahme der Schlacht im offenen Felde zu verlocken, vgl. Dispacci I 668. Dies war wohl Sachsens Vorschlag und hatte dann Zeit bis morgen; für den Sturm war der Kurfürst nach Schertlins Briefen überhaupt nicht, aber auch nicht nach dem hessischen Rechenschaftsbericht bei Rommel 143, wonach der Kur. fürst ebenfalls die Kanonen Ingolstadts fürchtete. Hier erweist sich das Diarium als unrichtig und im Widerspruch zu sämtlichen Quellen.

1) Rommel 143.

2) Karls Memoiren 114, Avila p. 418; Dispacci I p. 661 u. Faleti 102.

3) Dispacci I. p. 668; Karls Memoiren 115.

4) Schon die Zeitung bei Lenz, Rechen. Ber. 8, ebenso Schertlin, Herberger

p. 173:,in hoffnung, sie mit schiessen zu uns heraus zu kummen verursachen, schon mit Andeutung, dass es nicht gelingen werde.

5) Dispacci I p. 668.

6) So nicht nur der schmeichlerische Avila p. 417, sondern ähnlich auch Faleti 102, Godoi 11b und Mocenigo, Fontes 93.

Trefflich verstanden er und Alba die verschiedenartigen Truppengattungen je nach ihren besonderen Fähigkeiten zu verwenden, die spanischen Hakenschützen zu nächtlichen Hinterhalten, die italienische Reiterei zu plänkelnden Ausfällen, obschon der Kaiser' die Überlegenheit der schweren Kavallerie des Feindes im offenen Kampfe anerkannte1). Dass er die zu diesen Kampfarten weniger geeigneten Deutschen selten verwendete, von denen auch wirklich am 31. August 70 Mann zum Feind übergelaufen waren2), empfanden diese als Misstrauen; hat doch der freilich erst später beim Kaiser anlangende Markgraf Albrecht nachher den kaiserl. Historiographen Avila zum Duell herausgefordert und ihn einen verlogenen hispanischen Erzbuben gescholten3). Auch der Landgraf warf dem Kaiser vor, dass man nie einen Deutschen in einem Scharmützel antreffe1).

Mit solchen kleinen Unternehmungen begannen die Kaiserlichen jetzt ganz allmählig wieder die Offensive) gegen die immer mehr ermüdenden, im Scharmützel ungeschickten und schwerfälligen Schmalkaldner, ohne ihnen doch je Gelegenheit zu einem Gesamtangriff zu geben. Zwar brachte der Landgraf am 2. September seine Geschütze vermittelst einer aufgeworfenen Schanze noch näher an das kaiserliche Lager 6) und vermochte von da eine Bresche in die kaiserliche Verschanzung zu schiessen oder wenigstens die Arbeiten an einer dort neu errichteten Bastion, der sog. hohen Katze, erheblich zu stören). Statt diese Bresche gleich zu einem Sturm zu benützen und das eigene Geschütz auf die Katze zu bringen, wie der

1) Dispacci I p. 668; Godoi 12 schätzt die feindliche Kavallerie auf 8000, die kaiserliche auf 3000.

2) Dispacci I p. 664 u. 666.

3) Voigt 43: Hortleder II Buch 5, Kap. 5 p. 1591.

4) Druffel, Viglius p. 100.

5) Es ist daher nicht ganz zutreffend, wenn Kannegiesser: Karl V. und Maximilian von Egmont p. VIII sagt, erst Egmonts Ankunft ermöglichte dem Kaiser den Angriff, auch abgesehen davon, dass er auch dann keine entschiedene Offensive ergriff.

*) Zeitung bei Lenz Rech. Ber. p. 8 gibt 1000 Schritt an, wohl richtiger als die 500 bei Rominel 143.

7) Während die kaiserlichen Quellen von diesen Ereignissen gar keine Notiz nehmen, verwickeln sich die hessischen in auffallende Widersprüche, welche wohl im Sinne der bescheidensten Angabe zu lösen sind, dass die Katze nicht, wie die Zeitungen bei Lenz, Rech. Ber. 8 und 37 behaupten, hinweggeschossen wurde, sondern wie Rommel 143 u. 188 andeutet, nur soweit, dass die Kaiserlichen sie 3 Stunden lang nicht mehr zum Schiessen benutzen konnten; von einem wirklichen Hinwegschiessen kann schon wegen des folgenden Vorschlages, sie selbst zu benützen, keine Rede sein.

Mitteilungen XXIX.

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hessische Zeugwart Rommel vorschlug, ritt der Landgraf zu dem südlicher stehenden Kurfürsten, um über diese Fragen so lange zu beraten und Rekognoszierungen vorzunehmen 1), bis die Feinde den Schaden nicht nur repariert, sondern selbst mit 130 Italienern und Spaniern einen Ausfall auf die weit vorgeschobene hessische Batterie beim Peisershof gemacht und vier Geschütze genommen hatten, die sie freilich wegen der nacheilenden Feinde nicht in das Lager hinein transportieren konnten2).

Als am gleichen Tage die bairischen und die böhmischen Schanzgräber noch einen Wallgraben so nahe an die hessische Geschützstellung beim Peisershof heranzogen, dass sie ihn mit ihren Feldgeschützen erreichen konnten, und diese gewagte Arbeit in einem siegreichen Scharmützel behauptet wurde), da fanden es die Schmalkaldner doch geraten, die exponierten Geschütze in das hinter der bisherigen Aufstellung, bei den Schuttermühlen, angelegte Lager zurückzuführen und somit auch ihre einzige Kampfart, das Bombardement aufzugeben; zwar hatte der Kriegsrat am Abend des 1. September beschlossen, Brücken rückwärts über die Schutter zu machen, um den bisher merkwürdiger Weise ganz vernachlässigten südlichen Teil des kaiserl. Lagers, gegen die Donau hin, auch anzugreifen, wo nur Kavallerie stand; aber die Brücken wurden nicht zur Zeit fertig; also fiel auch dieser Anschlag in den Brunnen 4). Im Sinne der meisten Mitglieder des Kriegsrates war es wohl nur ein schöner Deckmantel für den schon in Aussicht genommenen Rückzug, den man allerdings bei der Wahrscheinlichkeit feindlicher Verfolgung nicht ohne ordentliche Brücken ausführen konnte; hiefür wurden sie dann doch fertig.

1) Diarium 279.

2) Godoi 11b, freilich zum 31. August oder 1. September, von welchem Tag auch Dispacci I p. 660 die Wegnahme von 4 schliesslich wieder abgejagten Geschützen erzählen, vgl. auch Druffel, Viglius p. 90; dagegen lässt das Diarium 280 und Rommel p. 144 die Wegnahme hessischer Geschütze auf jenen Vorschlag Rommels vom 2. September folgen; auch Schertlins Autobiographie 46 erzählt dies zum 2. September und schreibt gegen alle anderen Quellen sich selbst die Rettung der hessischen Geschütze zu. Da auch Faleti 112 die Wegnahme von 3 Geschützen, die er für Schertlinsche hält, zum 2. September erzählt, so handelt es sich wohl um zwei verschiedene Episoden. Die älteren hessischen Berichte und Schertlins Brief vom 3. September, Herberger 176, erzählen das darüber entstandene Scharmützel, aber nicht die Wegnahme der Geschütze; in gleicher Weise Dispacci I 664, dass am 2. September 130 Spanier und Italiener bis zu den feindlichen Schanzen vordrangen.

3) Avila p. 420. Karls Memoiren 116. Faleti 112, Dispacci I p. 662 u. 664, 4) Einzig im Diarium 279.

Am 3. September scharmützelten die Knechte ohne Befehl1), ein Zeichen, dass die Mannschaft kriegslustiger war als die Führer. Denn der Kriegsrat beschloss trotz erhaltener Verstärkung durch die aus Neuburg herangezogenen 3000 Schweizersöldner 2), 400 Kurpfälzer und die am Rhein überflüssig gewordenen 40 Fähnlein, die allerdings est am 14. September in Donauwörth zum Heere stiessen 3), angeblich gegen die Stimmen des Landgrafen und Schertlin's, den von Sachsen längst gewünschten Abzug, weil der Kaiser sich mit uns nicht schlagen. will und ihm in seinem grossen vorteil one unsern merklichen schaden nichts abzubrechen ist 4), dafür aber den Niederländern entgegen zu gehen und diese zu schlagen").

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Erheblichen Verlust, ohne den jetzt ein Sturm auf das immer stärker befestigte Lager nicht ablaufen konnte, wollte man also nicht riskieren. Pfui der Schand", schreibt Schertlin, nicht etwa über den Abzug der eigenen Partei, den er frei, tapfer und aufrecht") findet, sondern über den Kaiser, der sie 3 Tage lang vor seiner Nase habe herumziehen lassen, ohne ihnen den Gefallen einer offenen Feldschlacht zu erweisen?). Doch ging damals aus dem schmalkaldischen Lager und wohl gerade aus Schertlin's Kanzlei ein Bericht über die Ingolstädter Ereignisse aus, der sich die gröbsten Siegesfiktionen erlaubte, Schertlin sei ins kaiserliche Lager gedrungen, habe da vier Kanonen genommen, das Zelt des Kaisers in Stücke gehauen und seinen Soldaten Hosenträger daraus gemacht; der Kaiser sei in die Stadt ge

1) Lenz, Rechen. Ber. 8.

2) Trotz offizieller Neutralitätserklärung der Eidgenossen waren den Schmalkaldnern zahlreiche Söldner aus den reformierten Orten zugelaufen, von welchen sie nicht mit dem nötigen Ernst zurück gerufen wurden; vgl. Geiser: Haltung der Schweiz während des schmalkaldischen Krieges, im Jahrb. f. schweiz. Gesch. XXII 1897, p. 174 und 195 und meine Gesch. der Schweiz. Neutralität p. 204. Immerhin verwendeten die Schmalkaldener die Schweizer fast nur als Besatzungen eigener Plätze, womit die damalige Neutralität nicht im Widerspruch stand. 3) Dispacci I p. 661, Kannegiesser p. 96.

4) Herberger 177.

5) Die ältesten hessischen Zeitungen stellen dies als allgemeinen Beschluss hin und reden davon mit, wir; vgl. Lenz 8, 19 und 37. Der Rechenschaftsbericht bei Rommel 144 deutet in der bekannten Weise des unbestimmten Herumredens an,, der Landgraf hätte viel lieber gewollt, dass man länger dageblieben wäre, und das Diarium 280 behauptet,, der Landgraf und Schertlin hätten solches hoch widerrathen, aber Schertlins eigener Brief stellt den Beschluss als einstimmig hin, ohne irgend eine Unzufriedenheit anzudeuten, vgl. Herberger 177; ebenso die Autobiographie 47.

") Autobiographie 47.

7) Herberger 177.

flohen und habe um Frieden gebeten1). Solche Lügen konnten sich nicht lange halten.

Des Kaisers Verhalten wurde freilich auch vom venezianischen Gesandten abfällig beurteilt, nie habe sich ein Kaiser in so unwürdiger Lage befunden, sich untätig von seinen geächteten Vasallen beschiessen zu lassen2). Karl war eben kein Romantiker auf dem Thron der Caesaren, sondern ein nüchterner und realistischer Rechner, mehr zur Vorsicht als Kühnheit geneigt. Nach seiner Autobiographie3) glaubte er bei der Minderzahl seiner Truppen genug getan zu haben, indem er seine Position behauptete und den Feind, der ihn angriff, zum Rückzug nötigte 4). Ihn nachdrücklich zu verfolgen wagte er freilich nicht, da er wohl bemerkte, dass Schertlin, der schon früher einen Scheinrückzug vorgeschlagen hatte, auch jetzt einen Hinterhalt legte und hier gerne Blutwürst machen wollte, so man ihm statt gegeben hätte-5). Doch gelang es etlichen Spaniern eine Schauze der feindlichen Stellung ein wenig zu früh einzunehmen, bevor sie von den Würtembergern verlassen war). Dem Kaiser waren die Differenzen zwischen den feindlichen Führern durch Aussagen von Gefangenen bekannt), aber natürlich nicht so genau, dass man aus kaiserlichen Quellen etwas darüber schliessen dürfte. Diese betrachten allgemein den Landgrafen als Oberkommandeur und schreiben zum Teil dem Kurfürsten aggressivere Tendenzen zu8).

Die Ingolstädter Ereignisse sind der wichtigste und bezeichnendste Teil des ganzen Krieges für das Verhalten der beiden Parteien und lassen den Ausgang in der Hauptsache schon erraten"). Das Folgende kann kürzer behandelt werden, da die Art der Kriegführung dieselbe

1) Dieser bei Hortleder II 459 abgedruckte Bericht ist von Lenz u. Andern gar nicht erwähnt worden und doch für die Quellenfrage bezeichnend. Auch Avila p. 420 kritisiert diesen Bericht und bezeichnet ihn als Schreiben Philipps an die Städte.

2) Fontes 93, während das Diarium 278 zugibt, der Kaiser habe sich männlich gehalten; anders als in der Schlussrelation urteilt derselbe Mocenigo in den gleichzeitigen Depeschen 668 u. 669.

3) Memoiren 118.

4) Auch Büren erblickte im Abzug der Feinde, wozu sie des Kaisers Taktik gezwungen, eine gute Vorbedeutung; vgl. Kannegiesser p. 1011 u. 222.

5) Herberger 174,hinterlistigen abzug u. 178.

") Herberger 178.

7) Dispacci I p. 672.

8) Faleti 110.

9) Wenn man von einem Wendepunkt reden will, liegt er hier, nicht in der Ankunft Bürens, die an der Art der Kriegführung wenig geändert hat, trotz Kannegiesser 116.

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