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folger vererbt haben. Da die Urkunden diese Erwartung nicht bestätigen, sondern nur von einer bald häufigeren, bald selteneren Tätigkeit der Erzkapläne als Ambasciatoren oder Impetranten, aber nirgends von befehlendem Eingreifen in die Kanzleiarbeit reden, so wird auch für die späteren Jahre Karls die von Tangl angenommene Verbindung sehr fraglich.

IV. Bei Erörterung der Noten von Reg. 1006 geht Tangl S. 132 von zwei auf dieses Stück bezüglichen Bemerkungen Sickels aus und gelangt ihm gegenüber zu abweichenden Ansichten. Die mir vorliegende handschriftliche Zusammenstellung Sickels über die Noten in den Diplomen der vier ersten karolingischen Könige, welche im Zusammenhang mit seinen Acta Karolinorum entstand, bietet für dieses Diplom eine weit vollständigere Lösung, als sie Tangl aus den gedruckten Bemerkungen Sickels entnehmen konnte; und sie weicht gar nicht stark von dem Resultat ab, welches Tangl fand. Sickel schreibt nämlich zu diesem Stück auf Grund des von ihm eingesehenen Originals: Maginarius notarius atque diaconus advicem Hugonis recognovi et subscripsi: das übrige scheint mir scriptum (Kopp 329) impetravit, ferner wohl richtiger ipse sigillavit; es könnte aber auch sein scriptum impetravi et ego sigillavi, indem vi und vit sich nur durch die Länge unterscheiden" 1). Die wesentlichste Differenz gegenüber Tangls Auffassung liegt in dem scriptum 2); dieses Wort zu verwerfen, lässt sich Tangl durch den Punkt über der Note" bestimmen, der uns anzeigt, dass er selbst die Endung vertritt, dass also das durch das s gelegte Zeichen, wofür immer man es halten möge, alles, nur nicht die Endung sein kann." Mit dieser entschiedenen Erklärung aber hat Tangl etwas über das Ziel geschossen; der Punkt müsste nicht zu der Note, er könnte auch zu dem y-artigen Schnörkel ge

"

1) Die Angabe in den Acta Karol. 1, 72 Anm. 14, dass vor scriptum ein unleserlicher Name stehe, beruhte also auf einem Versehen Sickels bei der Konzipierung seines Werkes, nicht auf unrichtiger Lesung. Ein ähnlicher Fall, wo Sickels handschriftliche Notizen gleichfalls das richtige bieten, während ihm in der Publikation der Beiträge ein Versehen unterlief, liegt bei D. 129 vor, wo Sickel von dem ersten Zeichen ursprünglich bemerkt hatte, offenbar verzeichnet< und fortfuhr, nur adv. Radoni rec. et ssi. vermag ich zu entziffern".

2) Da Sickel auch et subscripsi in seine Lesung aufnahm, und da auch Jusselin in der Bibl. de l'école des chartes 66, 387 diese Worte im Original fand und sogar nachbildete (s. Fig. 37 des seinem Aufsatz beigegebenen Faks.), so war zu vermuten, dass sie sich unter einem der dunklen Flecken des Pergaments (rechts unter recognovi) verbergen und nur deshalb in Tangls Faks. unkenntlich sind; ihr Vorhandensein im Orig. wird nach gefälliger Mitteilung v. Ottenthals durch Facs. of ancient charters in the British Museum IV, 49 tatsächlich bestätigt.

Mitteilungen XXIX.

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hören, welcher durch den mittleren Ausläufer des Rekognitionszeichens gelegt ist; der Vergleich mit den entsprechenden Figuren im oberen Ausläufer desselben Signum recognitionis oder mit den von Tangl in Fig. 16, 18 und 25 gebotenen Faksimile, mit K U. in Abb. III, 4 u. s. w. bringt genügende Belege für Zugehörigkeit des Punktes zum y. Von dieser Seite stünde also der Lesung scriptum nichts im Wege. Ernstere Bedenken erweckt mir der Sinn des Vermerkes, der dann als einziger von Meginarius abhängiger, in erster Person gefasster Satz gelesen werden müsste; sollte wirklich der Notar in diesem Fall Rekognoszent, Siegler und Impetrant in einer Person gewesen sein? Das scheint mir, obwohl der Gebrauch des Wortes impetrare im Jahre 840 überhaupt vereinzelt ist, also eine Abnormität auf jeden Fall vorliegt, doch gar zu unwahrscheinlich. Ich schlage desshalb nochmals den von Tangl betretenen Weg ein, in dem durchstrichenen s einen nach älterem System gebildeten Namen zu suchen, und ich glaube das von Tangl so lang gesuchte Vorbild in den Commentarii leicht zu finden: es ist Eliseus (Schmitz 121, 72). Der Empfänger der Urkunde, der im Texte Helis heisst, erscheint also hier mit dem Namen des alten Propheten als Impetrant; die Note ist freilich nicht genau nachgezeichnet, das s zu gross gebildet, der -Strich anders gestellt und, vielleicht mit Absicht, (vgl. jedoch Kopp 2, 128) seines Ausläufers beraubt; aber die Übereinstimmung ist enge genug, um alle Zweifel zu beheben.

Innsbruck.

W. Erben.

Hadrianus Valesius und die Frage nach der Herkunft der Baiern. Die Frage nach der Herkunft der Baiern ist seit der Zeit des Enea Silvio Piccolomini wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Erörterungen gewesen und hat bis auf unsere Tage eine ganze Reihe von Hypothesen gezeitigt, von denen die Zeuss'sche 1) noch am besten der Kritik standgehalten hat. Am längsten hatte sich die, soweit ich sehe, zunächst auf Aeneas Silvius 2) zurückgehende Hypothese

1) Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme 1837; Die Herkunft der Baiern von den Markomannen 1839.

2) Die Stelle ist in seinem Entwurf zu einer historischen Länderkunde von Europa zu finden; abgedruckt in Freher, Germanicarum rerum scriptores etc. tom. II p. 79, vgl. Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Alterthums II? S. 514 f. Die Gleichstellung Boiae-Baioarii findet sich zuerst in den vitae S. Columbani discipulorumque eius des Jonas von Bobio (erste Hälfte des 7. Jahrh.). Die wunderliche Erklärung Flavio Biondos, histor. dec. I 1. IV (des Baseler Druckes von 1531 p. 55), Baiuvaria, Bavaria sei das Land der Avares (= Hunnen), unicae literae additione, ist schon am Anfang des 16. Jahrh, aufgegeben worden.

von der boischen (keltischen) Abstammung der Baiern behauptet. Sie fand, um einige der wichtigeren Historiographen zu nennen, Anhänger in Arnpeckh, Aventinus, Bodin, Welser, Andreas Brunner (soc. Jesu), Adlzreitter etc. In der Einleitung zur Neuausgabe der Adlzreitter'schen und Brunner'schen Annalen1) hatte Leibniz allerdings eine Wendung insofern angebahnt, als er die Baiern für einen deutschen Stamm erklärte. Da er aber an der Boierhypothese festhielt, verfiel er in den Fehler, gegen alle antiken Überlieferungen die Boier für Germanen zu erklären. Dies rief natürlich Widerspruch hervor, und so kam es, dass fast das ganze 18. Jahrhundert hindurch die Baiern Kelten blieben, bis in den letzten Dezennien desselben von den Einsichtigeren die Identifizierung der Baiern mit den Boiern endlich aufgegeben wurde 2).

Die Geschichte der Baiernfrage ist wiederholt in der neueren einschlägigen Literatur mehr oder weniger ausführlich skizziert worden, doch hat man, soweit ich sehe, die Aufstellungen eines Historikers vergessen, der lange bevor die nichtige Boierhypothese aufgegeben ward, mit dieser radikal gebrochen hatte. Es ist Hadrianus Valesius (Valois) Hofhistoriograph Ludwigs XIV.3). In einer Zeit, als gerade die bairischen Historiker (Brunner 1626, Adlzreitter 1662) aufs nachdrücklichste die keltische Herkunft ihres Volkes betonten, stellte 1658 Valesius) eine Reihe von Tatsachen fest, deren Erkenntnis oder besser gesagt deren Wiedererkenntnis so ziemlich dem 19. Jahrhundert vorbehalten blieb.

Nach seiner Meinung können die Baiern nur Germanen sein. Als Beweis dafür führt er die germanischen Namen der bairischen Herzöge und die zahlreichen germanischen Wörter im bairischen Volksrecht an. Überdies verweist er auf Paulus Diaconus, der die Baiern und germanischen Sachsen als homines eiusdem linguae bezeichnet 5).

1) Frankfurt 1710 erschienen.

2) Plato (Wild) erklärt 1777 die Baiern für einen Teil der Langobarden, J. Chr. Krause 1790 (im 2. Bande seiner Gesch. der wichtigsten Begebenheiten des h. Europas) für Alamannen-Sueben, was der Zeuss'schen Markomannenhypothese schon näher kam. Doch hielt sich die Keltenhypothese bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, die Ansicht Leibnizens hatte noch in der letzten Zeit ihren Vertreter (Prinzinger).

3) Geboren zu Paris 1607, gestorben ebenda 1692; seit 1660 historiographe du roi. Sein Bruder ist einer der berühmtesten Philologen der neueren Zeit, Henricus Valesius. Vgl. Nouvelle biographie générale tom. 45. 1866. 8. v.

4) Im dritten Band seiner Res Francicae a Chlotarii minoris monarchia ad Childerici destitutionem, Lutetiae Parisiorum 1658 p. 460 sqq.

5) De gestis Langob. I 27. Allerdings sahen enragierte Keltomanen in den Tagen der baierisch-französischen Allianz zur Zeit Napoleons (so besonders Vinzenz von Pallhausen) eben in der Stelle nur einen Beweis, dass auch die Sachsen Kelten seien !

Baioarii..., quam gentem Germaniae fuisse . . . plurima mihi persuadent, inprimis nomina Baioariae ducum mere Germanica, Garibaldus, Theodo, Theodebertus, Grimoaldus, Hucbertus. Quare a Paulo Langobardo Baioarii, Saxones et Langobardi eiusdem linguae homines apellantur, qui more Germaniae Alboinum regem aetate sua carminibus celebrarent... Praeterea legibus Baioariorum plurima Germanica verba sunt inserta (1. c. p. 460).

Die richtige Verwendung sprachlicher Indizien für den Nachweis der deutschen Nationalität des Baiernstammes ist für Valesius ganz. besonders rühmlich, da er dadurch seiner Zeit weit, sehr weit voraus ist.

Mit den Boiern haben die Baiern nach Valesius überhaupt nichts. gemein. Vielmehr sind sie ein germanischer Stamm, dessen Sitze ursprünglich nördlich der Donau lagen, und der auswandernd erst den Namen Baioarii angenommen hätte. Sed nihil Baioariis fuit cum. Boiis Gallica gente; quos ex Germania ortos esse et circa Odoacris interitum sedes nomenque mutavisse docuimus (1. c. p. 463).

Allerdings wagt Valesius nicht, einen bestimmten germanischen. Stamm als Vorfahren der Baiovaren zu bezeichnen und eine Erklärung. des Namens zu versuchen.

Diese brachte erst Zeuss und zeigte, dass doch eine Beziehungzwischen dem Boier- und Baiernnamen besteht 1).

Das ist aber besonders hervorzuheben, dass Valesius, wohl vertraut mit den antiken Quellen, das Vorhandensein einer boischen Bevölkerung auf dem Gebiete Baierns in Abrede stellt, während selbst. die unmittelbaren Vorgänger von Zeuss (Pfister, Mannert) daran irrigerweise festhielten. Auch das, was er bezüglich des Zeitpunktes der Einwanderung und ihrer Richtung vermutet, ist gerade in der letzten. Zeit wieder aufgestellt worden, allerdings auf Grund subtilerer Forschung, welche Valesius doch noch ferne lag. Ihm scheint es wahrscheinlichsten, dass der Übergang der Baiern über die Donau

1) Quitzmanns und Hofmanns Erklärungsversuche sind längst widerlegt: die Aufstellungen Wilsers (Herkunft der Bayern, Wien, akad. Verlag 1905) sind wertlos. Um ein Beispiel für seine Arbeitsweise zu geben, möchte ich nur auf eine Stelle S. 23 hinweiseu, wo W. als Beweis dafür, dass die Markomannen c. 400 bereits auf das südliche Donauufer gegangen seien, eine Stelle des Ravennas IV 20 (so richtig für 21) anführt, welche nach der eigenen Angabe des anonymus auf Jordanes Romana 216, 217 zurückgeht und sich auf die Zeit des Augustus bezieht. (Vgl. zur betreffenden Jordanesstelle Zippel, Die römische Herrschaft in Illyrien bis auf Augustus 1877 S. 305 ff. und dazu Gardthausen, Augustus und. seine Zeit II/3 1904 S. 759).

bald nach der Vernichtung der Rugierherrschaft durch Odoaker (resp. dessen Bruder) und der Aufgabe von Noricum ripense erfolgt sei1). Er nimmt weiters an, dass die Einwanderung zuerst nach Noricum sich richtete, und dass erst nach Theoderichs Tod der Stamm sich auch über Raetien bis an den Lech ausgebreitet habe. In diesem Sinne haben sich auch Riezler ) und J. Egger 3) ausgesprochen und Fr. Weber 4) sieht in dem massenhaften Auftreten von Sippensiedlungen (Orte auf -ing) im westlichen Noricum einen Beweis dafür, dass hier die erste Niederlassung stattgefunden habe. Westwärts des Inns gegen den Lech hin nimmt die Zahl der -ing Orte merklich ah.

Der Exkurs des Valesius über die Herkunft der Baiern war geeignet, die Entwicklung der Frage in einer Weise zu fördern, wie sie sonst nie auf einmal vorwärts gebracht worden ist. Doch wurden seine Aufstellungen in den meisten Fällen ignoriert, hie und da angegriffen, so zuerst, wie es scheint, von Pagi in den Critica historicochronologica in annales cardinalis Baronii 5): Hadrianus vero Valesius lib. 24 rer. Franc pag. 460 et seqq. Contendit Boios gentem Gallicam fuisse, quae nihil cum Boioariis 6) habuerit. . . verum hae opiniones vanae et contra veterum scriptorum auctoritatem excogitatae. Valesium enim refellit Strabo etc. Pagi beruft sich auf die Strabostelle VII 1, 5 C. 292, welche, lückenhaft überliefert 7), die längste Zeit missverstanden wurde (obzwar ein Vergleich mit Plin. hist. nat. III, 146 zeigen musste, dass die Botov spquíz, Boiorum deserta nicht am Bodensee sondern in Pannonien zu suchen seien) und eine Hauptstütze der Boiisten war.

1) 1. c. p. 461. Zu dieser Datierung ist Loserth, Mitt. d. Inst. f. öst. Geschf. II. Bd. 1881 gelangt.

2) Geschichte Baierns 1. B. 1878 S. 47.

3) Archiv f. österr. Gesch. B. 90/2 1901 S. 352 ff.

4) Beiträge zur Anthropologie und Urgesch. Bayerns XIV (München 1902) S. 142 ff.

5) tom. II. p. 456. Das Werk ist nach seinem Tode (1699) von seinem Neffen herausgegeben worden; das Zitat bezieht sich auf die 2. verbesserte Aufl. 1726. 1776 erwähnt der Benediktiner Apell aus Oberaltaich flüchtig Valesius in seiner Abhandlung von der Abkunft und Wanderungen der Boier ins Noricum und Vindelicien: Abh. der churfürstl. bayer. Ak. B. X.

6) Es ist bezeichnend, dass Valesius stets von Baioarii (so auch die Quellen) spricht, während die Boiisten immer die nicht überlieferte Form Boioarii vorziehen. Der Formbacher Abt Angelus Rumpler (Mitte des 15. Jahrh.) machte im I. Buch seiner Gesta in Bavaria (bei Oefele, rer. Boic. ss. I p. 99) auf die Diskrepanz zwischen Baioarii und Boioarii (so Aeneas Silvius) aufmerksam, ohne allerdings den richtigen Ausweg zu finden.

7) Vgl. die Ausgabe v. Meineke II. S. 401.

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