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Weise hervor. Überblickt man das Gesagte, so wird man die herrschende, auf Palacky, Dějiny národa českého II, 4 zurückgehende Meinung, dass König Ottokar II. das Prager Provinzialgericht durch einen Akt der Gesetzgebung zum ständigen obersten Landgericht erhoben habe, als mit dem urkundlichen Tatbestand, der für einen allmählichen Entwicklungsprozess spricht, nicht vereinbar bezeichnen müssen1).

Aber auch die andere auf H. Jireček, Slovanské právo v Čechách i na Moravě III, I, 159, zurückgehende Formulierung der Ansicht über die Entstehung des obersten Laudgerichtes erweist sich nicht als haltbar. Dieser Ansicht zufolge entwickelte sich das oberste Landgericht während der Regierung Ottokars II. aus dem Landtag und zwar so, dass die regelmässige Gerichtsverwaltung von letzterem auf vier oberste Landesbeamte (den Oberstrichter, Oberstkämmerer, Oberstburggrafen und den obersten Schreiber) übertragen wurde, so dass sich von nun an Landtag und Landgericht streng scheiden. In der Tat hatte bereits der böhmische. Herzog seine richterliche Tätigkeit sehr oft auf dem Landtage (conventus, colloquium generale) geübt, nach Maj. Kar. XII. wird an den ersten Quatembern jedes Jahres Landtag gehalten ad petendam justitiam coram regia majestate, aber auch die übrigen Quatembersitzungen des Landgerichtes, welchen die genaunten obersten Landesbeamten vorsassen, hatten nach Maj. Kar. LIX und LX (ed. Jireček, Cod. jur. Boh. II, 2) den Charakter eines concilium generale, eines Landtages, eines Vollgerichtes; es war also um ein Jahrhundert später noch zu keiner Scheidung von Landtag und Landgericht gekommen.

St. Seite 112 stellt auf Grund von Lippert, Sozialgeschichte Böhmens in vorhusitischer Zeit I, 338 die fernere Behauptung auf, dass Ottokar II. ein Kollegium von zwölf ständigen Beisitzern (Landeskmeten) bei dem neukreierten Landesgerichte eingesetzt habe, hiebei wahrscheinlich beeinflusst von Bischof Bruno von Olmütz, der einst Domherr in Magdeburg gewesen war, wo ein Kolleg von zwölf Schöffen bestand. Auch für diese Behauptung gibt es keinen Quellenbeleg. Überdies ist die Existenz von Schöffen in slavischen Ländern von Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens 45, u. a. in Abrede gestellt worden. Es kommt aber darauf an, was man unter Schöffen versteht. Die herrschende Lehre in der deutschen Verfassungsgeschichte versteht unter denselben von der Obrigkeit dauernd ernannte Urteilfinder, Mayer (Deutsche und französische Verfassungsgeschichte I, 404) die aus den

1) Mit Recht bemerkt Rosenthal, Geschichte das Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns I, 120:,Die Organisation durch die Gesetzgebung war überhaupt im Mittelalter nicht sehr beliebt, wo die meisten Institutionen sich allmählich auf dem Wege des Herkommens ausbildeten".

dingpflichtigen Gerichtsgenossen zur Urteilfindung ausgeschiedene Kommission. Ob wir eine solche bereits im judicium seniorum Boemie der Urkunde K. Wladislaw's I. von 1169 (Codex dipl. regni Bohemiae, ed. Friedrich I, p. 216 n. 246) oder in den baronibus assidentibus der Traditionsnotiz aus d. J. 1174-1178 (ebenda p. 254, n. 289) zu erblicken haben, wird eher zu bejahen als zu verneinen sein, Im ersteren Falle wäre die Schöffeninstitution weit vor die Zeit K. Přemysl Ottokars II. zurückzuversetzen. Während der Ausdruck barones aus dem fränkischen, deutschen und anglo-normannischen Rechte stammt, ist der Ausdruck kmetones slavisch, kommt aber in der Bedeutung von ständigen Urteilfindern des Landgerichtes in Böhmen erst in einer Urkunde von 1295 (Reg. Boh, et Mor. II, p. 727, n. 1692) vor. Dass alle drei erwähnten Bezeichnungen gleichbedeutend sind, geht aus der mährischen Urkunde von 1325 (a. a. O. III, p. 414 n. 1073) hervor, wo von dem Urteilspruch der barones et kmetones sive seniores terrae Moraviae die Rede ist. lautschepfen, die man nennet kmety", begegnen in Urkunden vom Ende des 14. Jahrh. (Rieger a. a. O. 36, A. 10). Im 14. Jahrh. zur Zeit seiner vollen Ausbildung erscheint das Schöffenaut beim Landgerichte ebenso wie das Schöffenamt im sächsischen Landrechte als erblich, hat den Charakter eines Reichsamtes und hebt nicht nur seinen Inhaber, sondern auch dessen ganze Familie in eine höhere Rechtsstellung (vgl. Fehr, Fürst und Graf im Sachsenspiegel in: Berichte über die Verhandlungen der k. sächs. Ges, d. W. zu Leipzig, phil.-hist. Klasse, 58. Band, 1906 und meinen Aufsatz: Böhmens sozialpolitische Entwicklung in vorhusitischer Zeit in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte etc. I. Abtlg., 7. Bd., S. 439; ferner Maj. Kar. XXV. u. Archiv česky, II, 344) 1). Was die Zahl der barones sive kmetones betrifft, so gehörten nach Ordo judicii terrae Boemiae §. 66 (Glosse) und §. 69 aus der Mitte des 14. Jahrh. (Jireček, Codex j. B. II, 2, 237 und 239) wenigstens sieben zu ordnungsmässiger Besetzung des Landgerichtes, das Officium circa tabulas terrae (a. a. O. 268) aus dem Ende des 14. Jahrh. spricht von 12 jurati kmetones, Andreas von Dubá c. 1400 (ebenda 376) sagt, dass nach altem Rechte 12, jedenfalls aber 7, die grössere Hälfte, notwendig seien. Die 12, bezw. 7 Zahl geht wohl auf Schwabenspiegel

1) Es finden sich noch andere interessante Parallelen im böhmischen und sächsischen Landrechte, so z. B. die Tatsache, dass das Eigen im unmittelbaren Schutze des Königs steht, was aus der Fronung (in den böhmischen Rechtsquellen dominatio, čech. panování) bei der Immobiliarexekution und wahrscheinlich auch bei der gerichtlichen Auffassung zu ersehen ist. Vgl. Fehr a. a. O. 50 f. und meine Aufsätze über die Maj. Kar. in ZRG. germ. Abt., N. F. IX, 97 und über den Ordo judicii terre Boemie ebenda X, 163.

L. 117 und 172 zurück, der gleichfalls von Besetzung des Gerichtes mit 12, mindestens aber init 7 Urteilfindern redet; bekanntlich ist derselbe schon in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. ins Čechische übersetzt worden. Der von St. herangezogene Einfluss des Bischofs Bruno von Olmütz auf die Festsetzung der Zwölfzahl des Schöffenkollegs fällt mit der Thesis von der Einführung desselben durch K. Ottokar II. S. 131 seines Buches bekennt St.: Das böhmische Landesgericht mit seinen 12 Beisitzern, 12 Kmeten aus dem Lande, wird mit seinem Anfang in die ottokarische Zeit verlegt, aber die Quellenbelege hiezu fehlen. Man findet sie in Österreich. Auf letztere Bemerkung kommen wir weiter unten zurück 1).

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Schliesslich bleibt als direkter Beleg für König Ottokars II. gesetzgeberische Reformversuche nur die von St. S. 24 zitierte Stelle aus Benessius minorita übrig; doch ist man über den Quellenwert dieser m. W. noch nicht näher untersuchten Kompilation nicht genau unterrichtet. Soll diese Stelle bedeuten, dass Ottokar eine schriftliche Aufzeichnung des böhmischen landrechtlichen Gewohnheitsrechtes jedoch mit deutschrechtliche Anschauungen berücksichtigenden Änderungen plante, so bedurfte er hiezu der Genehmigung der barones, d. i. der obersten Landesbeamten und Landrechtsbeisitzer, die ihm, wie Ben. min. berichtet, ausdrücklich versagt wurde. Die landrechtlichen Reformen K. Ottokars in Böhmen schrumpfen demnach sehr zusammen. Möglicherweise hat er, den Antrieben seiner Zeit folgend, das Offizialeinschreiten in Kriminalsachen durch Bestellung besonderer Strafrichter gefördert. Die bescheidene Rolle, die wir Ottokar als Organisator auf dem Gebiete des Landrechtes anweisen, stimmt zu der bekannten Tatsache enger Beschränkung der landesherrlichen Gesetzgebung im deutschen Reiche und seinen Nachbarländern, welche im wesentlichen Landfriedensgesetzgebung war und grosse gesetzgeberische Reformen nicht kannte. Das beste Verdienst Ottokars bleibt seine Förderung des Stadtrechtes und der städtischen Entwicklung; auf diesem Gebiete, welches in den Bereich des königlichen Amtsrechtes gehörte, konnte er sich frei bewegen, während er das Volksrecht (Landrecht) nicht einseitig ändern konnte.

Gehen wir nun zu St.'s Ausführungen über den Inquisitionsprozess in Böhmen über (S. 96-103). Leider hat er die zwei letzten wichtigen Arbeiten über den Inquisitionsprozess im allgemeinen nicht benutzt. Es ist dies das 2. Hauptstück des II. Buches im I. Bande von Ernst

1) Über die Entstehung des böhmischen Landgerichtes wird einer meiner Schüler, Herr Koss, eine Detailuntersuchung veröffentlichen.

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Mayer's Deutscher und französischer Verfassungsgeschichte, S. 215-284, und Richardt Schmidt, Die Herkunft des Inquisitionsprozesses in: Festschrift der Universität in Freiburg zum 50jährigen Regierungs-Jubiläum des Grossherzogs Friedrich, 1902. Die Folge dieses Versäumnisses ist, dass St. noch auf dem veralteten Standpunkte steht, wonach der Inquisitionsprozess eine originale Schöpfung der Kirche sei, während Schmidt gezeigt hat, dass die Strafprozessgesetzgebung der italienischen Städte den Gedanken der offiziellen Strafverfolgung früher und folgerichtiger ausgebildet hat als das kanonische Recht. St.'s Gedankengang ist folgender. Durch die kirchlichen Sendgerichte, die auch in Böhmen Eingang fanden, sei das Infamations- oder Bezichtigungsverfahren (wie er sich ausdrückt), besser das Rügeverfahren in Strafsachen oder kurz die Kriminalrüge, ins böhmische Landrecht gekommen und habe hier eine so bedeutende Ausbildung erfahren, dass K. Ottokar II. nach böhmischen Vorbilde das Rügeverfahren in Strafsachen auch in Österreich einführen konnte. Die Existenz von Sendgerichten in Böhmen ist jedoch, abgesehen von der auch von St., S. 95 nicht für sicher gehaltenen Stelle in den Decreta Brecislai ducis, nicht bezeugt1), woraus man zwar nicht schliessen darf, dass sie hier überhaupt nicht existiert haben; anderseits muss man sich aber doch hüten, aus der nicht streng bewiesenen Wirksamkeit der Sendgerichte in Böhmen weitere Folgerungen zu ziehen, wie z. B. Nachahmung des daselbst ausgebildeten Rügeverfahrens von seiten der weltlichen Gerichte des böhmischen Landrechtes anzunehmen, wie es St. wiederholt (S. 95, 107 f., 133 f.) tut, während er die mit der Rügepflicht der Gemeinde jedenfalls zusammenhängende Gesamtbürgschaft derselben, d. i. die Haftung für die im Gemeindegebiete vorgekommenen Verbrechen dem Privatkläger und der Staatsgewalt gegenüber, mit Recht auf viel ältere Einflüsse zurückführt. Ob wir es hier", äussert er sich, mit fränkischen, etwa schon zur Zeit Samo's geübten Einflüssen, oder sogar mit finnisch-keltischen, auf die nachherige slavische Einwohnerschaft übergegangenen Gebräuchen oder mit in Folge einer gleichen Entwicklung parallel und selbständig auch bei der slavischen Bevölkerung entstandenen Gewohnheiten zu tun haben, muss bei der Dürftigkeit der Quellen dahingestellt bleiben. Ernst Mayer a. a. O. I, 243 f., 519 f. hält Friedensbürgschaft und Kriminalrüge für altgermanisch. Das Neue, was die karolingische Zeit gebracht hat, ist ein amtliches Ermittlungsverfahren

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1) Für Mähren, d. i. für die Diözese Olmütz, bezeugt die Wirksamkeit der Sendgerichte Bischof Bruno von Olmütz in seiner Denkschrift an Papst Gregor X (Regesta Bohemiae et Moraviae II, n. 845), wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass in anderen Diözesen diese Institution nicht bestehe.

gegen die latrones famosi“ (a. a. O. I, 282). Zu den slavischen Stämmen, bei denen Friedensbürgschaft und Kriminalrüge vorkommen, gehören auch die Cechoslaven. Über erstere vgl. Schreuer, Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, S. 69. Die von St. S. 98-103 angeführten Quellenstellen beziehen sich jedoch mehr auf die Friedensbürgschaft als auf die Kriminlarüge und lassen das Rügeverfahren selbst nicht deutlich erkennen. Nur auf Grund eines aus der Vergleichung mit dem deutschrechtlichen Rügeverfahren gezogenen Analogieschlusses sowie wenn man den sok als Rügezeugen gelten lässt, kann man behaupten, dass auch in Böhmen zwischen Rüge auf Gerücht (Leumund) und Rüge auf Wahrheit unterschieden worden sei. Im ersteren Falle wurde dem Gerügten das Recht zum Reinigungseide belassen, im letzteren Falle die Reinigung erschwert, an Stelle des Eides trat das Gottesurteil; gegen Abwesende wurde ein Überführungsbeweis durch Rügezeugen geführt (Mayer a. a. O., I, 244 f.). In allen von St. angeführten Stellen, auch in dem aus der Zeit K. Ottokars II. überlieferten undatierten Weistum über die Überführung der Münzfälscher (St. S. 29 u. 110) ist jedoch nur von der Rüge einzelner Verbrechen, konkreter Deliktsfälle, die Rede (was ja St. wiederholt S. 107 u. 108 selbst zugibt), nicht von jenem amtlichen, periodischen Einschreiten gegen Gewohnheitsverbrecher, wie es nachweislich besonders in Süddeutschland im 13. Jahrh. aufkam und als Landfrage" oder stille Frage bezeichnet wurde. Letzteres hat mit dem ersteren, dem gewöhnlichen Rügeverfahren, kaum etwas anderes als die Form der Einleitung gemein, es hat den Charakter einer ausserordentlichen, vom ordentlichen Rügeverfahren wesentlich unterschiedenen Institution (vgl. V. Zallinger, Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute in Süddeutschland, S. 93 f.). Aus diesem Grunde ist Stieber's Behauptung (S. 32), dass die Worte: und sag dann bei dem eide das im da kund und gewissen sei, in LR. II. § 70 LR. I. A. 16 und jene im Münzfälscherartikel des böhmischen Weistums: qui jurati deponent, quod in bonis ejus id scelus fuerit perpetratum etc. nur der zweisprachige Ausdruck eines einzigen Gedanken seien, unzutreffend, da sich die erstere eidliche Aussage auf die Landfrage bezieht (Zallinger a. a. O., S. 99 f.), letztere die Rüge eines konkreten Deliktsfalles betrifft. St.'s Zitat aus dem Gesetze K. Sigismunds von Ungarn von 1405 über die Verfolgung der Verbrecher (S. 98 A. 2) gehört nicht hieher, das es sich hier um das Verfahren des 13. Jahrh. handelt, die Entwicklung aber von da bis zum 15. Jahrh. keineswegs stillgestanden hat.

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