in Österreich geltendes Gewohnheitsrecht gewesen sei, vielmehr sei in dieser allzu künstlichen Kombination der römischrechtlichen und der deutschrechtlichen Frist die Hand eines Gesetzgebers zu erblicken, der am ehesten der böhmische König Ottokar sein könne, der die österr. Landesordnung erliess. Einheimischer Rechtsbrauch sei in Österreich nur die deutschrechtliche Frist von Jahr und Tag gewesen. Diesem, wie St. glaubt, drastischen Beispiel von Kompilationsarbeit gegenüber genügt der Hinweis, dass die Immobiliarklage bereits nach verschiedenen germanischen Stammesrechten einer 30 jährigen Verjährung unterlag (Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 5. Aufl., S. 392); unter denselben befindet sich die lex Bajuvariorum, deren Geltungsbereich sich auch auf Österreich erstreckt hatte (v. Luschin, Österr. Reichsgeschichte, S. 32). Die 30jährige Verjährungsfrist enthält auch Schwabenspiegel, L. 155, die Kombination der römischrechtlichen und der deutschrechtlichen Frist (30 Jahre und Jahr und Tag, d. i. zusammen 31 Jahre, 6 Wochen, 3 Tage) findet sich im Sachsenspiegel I, 29, wo sie Anwendung fand, wenn keine Auflassung stattgefunden hatte. Da also die verbreitetsten deutschen Rechtsbücher des 13. Jahrh., deren Verfasser Privatmänner und keine Gesetzgeber waren, die genannten Fristen statuieren und die Geltung der 30 jährigen Frist in Österreich überdies durch eine von St. mit Unrecht der Spielerei mit römischrechtlichen Begriffen geziehene Urkunde von 1171 bezeugt ist, so entfällt jede Nötigung, LR. I, A. 27 mittelbar auf laudes herrliche Satzung zurückzuführen, seine Entstehung nach der von LR. II anzusetzen. Die 30 jährige Verjährungsfrist findet sich überdies in den Laudesordnungen Herzog Albrechts II. für Kärnten und Krain von 1338, die als Verbriefungen alten Gewohnheitsrechtes erscheinen (Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österr. Erblande im Mittelalter und MJÖGF. XIX, 296 f.). Hatte dagegen eine gerichtliche Auffassung stattgefunden, so hatte der dem aufgelassenen Gute gewirkte Friedensbann die rechtliche Bedeutung, Anfechtungsrechte Dritter schon nach Jahr und Tag auszuschliessen (Schröder 738, Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte 2 180). Wie der Friedebann auf die fränkische missio in bannum regis (obrigkeitliche Beschlagnahme, Fronung) zurückgeht, so stammt ebendaher auch die Frist von Jahr und Tag, während deren man das gefronte Gut aus dem Banne des Königs ziehen konnte. Die rechte Gewere mit der Verschweigungsfrist von Jahr und Tag ist zunächst ein Institut des Stadtrechtes (Mayer, Deutsche u. französische Verfassungsgeschichte, II, 275) und kommt, wie St. richtig bemerkt, schon im 13. Jahrh. auch in Österreich vor. " Schliesslich bemüht sich St., S. 47-58 mit Benützung der Darlegung in Luschin's Entstehungszeit, S. 24 f., nachzuweisen, dass LR. I zur Zeit der Verschwörung der österr. Landherren gegen Herzog Albrecht I. i. J. 1295 als Zusammenstellung ihrer Rechte entstanden sei. Hiebei habe man LR. II, die ottokarische Landesordnung“, zu Grunde gelegt, aber alle Stellen unterdrückt, welche sich auf die Rechte des Landesherrn bezogen (S. 42) oder direkt den böhmischen Quellen entnommen waren (S. 22). Über letzteren Punkt wird später gehandelt. werden. Beschränken wir uns zunächst auf den ersten Punkt, so kann derselbe nicht als völlig zutreffend bezeichnet werden, zumal auch eine Reihe von Paragraphen (41, 45, 48, 50, 52, 91) weggelassen erscheint, welche keineswegs uneingeschränkte Rechte des Landesherrn festsetzten, sondern vielmehr den Charakter von Kompromissen zwischen den Interessen des Landesherrn und der Landherren oder was dem gleichkommt, von Zugeständnissen des ersteren an die letzteren, an sich tragen. Besonders auffallend ist es, dass der den Landherren so günstige § 45, laut dessen sie vom Landesherrn zur Herrschaft jenseits der Landesgrenze nicht gezwungen werden durften, weggelassen wurde. An anderm Orte (S. 59) anerkennt dies St. selbst, indem er sagt: „Es ist richtig, dass sich in § 36-63 (d. i. in den LR. II eigentümlichen §). manche Bestimmungen befinden, welche auch in der Rechtssamlung der Verschworenen ohne jeden Anstand weiter verbleiben konnten“. Er deutet hiebei zum Teil auf dieselben § hin, die wir als Zugeständnisse des Landesherrn an die Landherren bezeichnet haben. St. hilft sich in seiner Verlegenheit mit dem Mahnruf, man müsse doch die Oberflächlichkeit dieser Arbeit beachten!" Widersprüche solcher Art. sind nicht geeignet, die neue Ansicht über Entstehung und Charakter von LR. I glaubhaft zu machen. St. wendet sodann seine Aufmerksamkeit den LR. I eigentümlichen sechs Artikeln zu, unter welchen A. 46 der wichtigste ist, der den Grafen, Freien und Dienstmannen in Bezug auf ihr Gut, „ob si es in urbar habent, ob si es verlihen habeut, ob si es in vogtay habent", Niedergerichtsbarkeit zuerkennt. St. S. 43, bemerkt hiezu, dass „die hier in Anspruch genommene Immunität im offenbarem Widerspruch sei mit den sozialen Verhältnissen und der allgemeinen Gerichtszuständigkeit nach dem Sturze Ottokars". Und S. 62 fährt er fort: „die in A. 46 von den Landherren in Anspruch genommene Immunität bedeutete eine Ausdehnung ihrer tatsächlich erworbenen Rechte, indem die Freiung nun auch für das Lehens- und Vogteigut derselben gelten, und anderseits auch eine Sicherung gegen die bisher zulässigen Eingriffe der Landrichter in das Immunitätsgebiet gewonnen werden sollte". Im Gegensatz zu dieser Auffassung hat schon früher v. Luschin, Gerichtswesen 111 und 180, A. 46 noch auf die Verhältnisse der Babenbergerzeit bezogen, was jüngst durch Osswald, Die Gerichtsbefugnisse der patrimonialen Gewalten in Niederösterreich, 1907 (Leipziger historische Abhandlungen, Heft V) insofern bestätigt worden ist, als derselbe zeigt (Seite 17 f., Seite 88), dass A. 46 in Bezug auf die beiden ersten Arten von Gütern dem bestehenden Zustand entsprach, da diese Gerechtsame vom Hochadel schon zur Zeit der Babenberger im 12. u. 13. Jahrh, erworben worden sind, in Bezug auf die Vogteigüter aber bezeichne A. 46 einen Wunsch, der niemals ganz in Erfüllung gegangen ist. A. 46 nötigt also nicht im geringsten, die Entstehung von LR. I. gegen Ende des 13. Jahrh.'s anzusetzen. Mit dem Nachweise, dass der Anspruch des Hochadels auf Niedergerichtsbarkeit für das von ihm (an niedere Ritter) verliehene Gut dem bestehenden Zustande entsprach, entfällt auch die weitere Behauptung St.'s, A 46 habe eine tiefe Erniedrigung der Standesrechte der Ritterschaft beabsichtigt und passe eben deswegen ins Jahr 1295, wo nach dem Zeugnisse anderer Quellen die Landherren damit umgingen, die Ritter zu demütigen. Die von früheren Forschern vorgebrachten direkten oder indirekten Beweise für die Priorität von LR. I werden von St. ignoriert. Hieher gehören die Zusätze zu LR. I, A. 7 in LR. II, § 6, zu A. 22 in § 20 und zu A. 70 in § 91 (vgl. hiezu Luschin, Gesch. des älteren Gerichtswesens 58), sowie die Abänderungen von A. 21 in § 16, von A. 48 in § 64 und von A. 52 in § 77, welche gegenüber LR. I jüngeres Recht enthalten. Vgl. Luschin, Enstehungszeit 41 f. Von manchen der LR. II eigentümlichen Paragraphen (so z. B. § 37, 38, 441), 47, 52, 54, 55, 56, 58) lässt sich nicht nachweisen, dass sie einer älteren Quelle entnommen sind; sie dürften gleichfalls jüngeres Recht enthalten. Vgl. Hasenöhrl, Beiträge, a. a. O., 287. Hieher gehört ferner der Nachweis Luschin's, der deutsche Text des Mainzer Landfriedens etc., a. a. O., S. 546, dass LR. I. A. 15 die Einleitung der Frage dem Herzog vorbehält und nur nach Erholung des Rates der Laudherren zugesteht, während der Landfriede H. Ottokars von 1254, A. 29, sie ohne weitere Einschränkung den oberen Lan lrichtern einräumt, so dass LR. I einem älteren, der Landfriede einem jüngeren Rechtszustande entspricht. Von Bedeutung ist es auch, dass nicht LR. I, sondern nur LR. II, § 40 und der otto 1) Dieser § bestimmt, dass das Privileg des send mässigen mannes (des niedern Ritters) in Kapitalsachen nur vor dem Obristlandrichter zu Recht zu stehen, bei heimlichen Verbrechen entfallen sollte. Vgl. v. Zallinger a. a. O. 108. karische Landfrieden, A. 25, den bayerischen Landfrieden von 1244, A. 48 (Constitutiones imperatorum et regum II, 575) benützt haben. Obgleich die Handschriften beider Fassungen des Landrechtes erst aus dem 15. Jahrh. stammen, haben sich doch nur in den Handschriften von LR. I einige charakteristische ältere Rechtsausdrücke erhalten, so in A. 66 das Wort êlos, welches in LR. II, § 85 zu êrlos entstellt wurde; während ferner LR. I, A. 41 und 45 nur den älteren Ausdruck sentmaessig mann gebrauchen und an den entsprechenden Stellen von LR. II, § 27 u. 30, dieselben Bezeichnungen erscheinen, verwendet LR. II, § 48 u. 54 für denselben Stand den jüngeren Ausdruck,ritter und knappen" oder ritter und knecht" (vgl. Dopsch, Entstehung und Charakter des Österr. Landrechtes in: Archiv f. ö. G. LXXIX, 85). LR. I, A 4 spricht von den „undern landgerichten", während LR. II, § 3 dafür „in den grafscheften dem lantrichter setzt. Letztere Beziehung im Sinne von Gerichten für die niedere, nichteximierte Bevölkerung ist eine übertragene, jüngere. Eigentümlich ist endlich LR. I, A. 4, 49, 70 die ältere Bezeichnung der richter der an des landesherrn stat sizet", während in LR. II, § 44 und 92 der unzweifelhaft jüngere Ausdruck ,obrist landrichter", also bereits ein eigentlicher Amtstitel, für denselben Beamten verwendet wird. Endlich ist noch erhpurger" in LR. I, A. 41 statt êpurger in LR. II, § 48 hervorzuheben. Über die Schwierigkeiten, die der Auffassung von LR. II als einer Landesordnung K. Ottokars II. von 1266 entgegenstehen, setzt sich St. leichterdings hinweg. So vor allem über eine gewichtige Differenz zwischen dem ottokarischen Landfrieden und LR. II. Während LR. II, § 1-LR. I, A. 1 Grafen, Freien und Dienstmannen das Dingen an das Reich gestatten, wenn ihnen der Landesherr Unrecht tut, entbehrt. der ottokarische Landfriede einer solchen Bestimmung. Während ferner nach LR, II, § 2=LR. I, A. 2 der Landesherr einen Dienstmann, der nicht auf handhafter Tat betreten wurde, zwar ächten darf, der zweite Achtspruch (die Oberacht) aber vom Reiche verhängt werden muss, bhaben nach dem ottokarischen Laudfrieden die erste Acht (furban) die oberen Landrichter zu verhängen, während die zweite Acht (Oberacht) dem Landesherrn vorbehalten wird. Schon Luschin hat in MJÖGF. XVII, 348 auf die Unvereinbarkeit dieser Widersprüche hingewiesen, St. S. 14 aber meint, dass Rieger in MJÖGF. XXIV, 156 für jene Divergenz „eine Erklärung gegeben habe, welche sie endgiltig erledigt haben dürfte". Der Sinn dieser Erklärung Rieger's läuft darauf hinaus, dass Ottokar bei Erlass des Landfriedens von 1254 auf König Wilhelm, an dem er nur durch ein Treugelöbnis gebunden gewesen sei, keine solche Rücksicht habe nehmen brauchen, wie bei Erlass der Laudesordnung von 1266 auf König Richard, von dem er sich 1262 durch Urkunde mit den Herzogtümern Österreich und Steier hatte belehnen lassen. Trotz der Prätension, womit diese Scheidung in dem Grade der rechtlichen Verpflichtung Ottokars gegenüber den römischen Königen Wilhelm uud Richard vorgebracht wird, ist sie doch eine rein willkürliche. Ottokar bedurfte in rechtlicher Beziehung vielmehr beiden Königen gegenüber einer ausdrücklichen Lehenserneuerung; wenn er von ersterem gar keine, von letzterem nur eine in rechtlicher Beziehung ungenügende Belehnung durch Brief entgegennahm, so waren hiefür lediglich politische Erwägungen massgebend. Wenn man überdies bedenkt, dass der machtlose König Richard schon seit September 1258 nach England zurückgekehrt war und unter seiner Scheinregierung das Reichshofgericht stillstand, da es im Auslande nicht abgehalten werden durfte, so ist gar nicht einzusehen, wie jene Belehnung durch Brief König Ottokar bewogen haben sollte, auf das wichtige Recht, das er sich 1254 beigelegt hatte, 1266 auf der Höhe seiner Macht zu Gunsten des Reiches und der österr. Ministerialen wieder zu verzichten. Tatsächlich hat Ottokar Todesstrafen über Angehörige des letzteren Standes verhängt, ohne sich um das Reich im geringsten zu kümmern (s. Vanesa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs I, 515). So lange man LR. II für die jüngere Fassung ansah, konnte man sich noch einigermassen mit dem Hinweis darauf beruhigen, dass die § 1 u. 2 desselben formell dem LR. I, A. 1 u. 2 entnommen seien, jedoch ohne ernstliche Absicht, den darin enthaltenen Rechtsatz in der Praxis zu verwirklichen. Diese Ausflucht aber wird unmöglich, wenn man mit St. LR. I für die jüngere Fassung hält. Eine andere Schwierigkeit bietet LR. II, § 52, welcher die Dienstmannen berechtigt, Urteiler zu sein übər alles im Lande befindliche Eigen, auch das der Grafen und Freien. Da jedoch noch der 12741275 entstandene Schwabenspiegel L. 278 den Unfreien die Fähigkeit. zum gerichtlichen Zeugnis und zur Urteilfindung über freie Leute abspricht, so entsteht die Frage, ob die soziale Hebung der Dienstmannen in Österreich um 1266 bereits soweit gediehen war, dass schon damals. jener Anspruch die gesetzliche Anerkennung K. Ottokars finden konnte. Wer dies behauptet, sollte nachweisen, dass der Prozess der Angleichung des Standes der Dienstmannen an den der Vollfreien sich in Österreich weit rascher vollzogen hatfe als im übrigen Süddeutschland. Vgl. Hasenöhrl, Österr. Landessrecht 198, v. Luschin, Gesch. d. ö. Gw. 591]. 1) Dass der Anspruch der Ministerialen auf Ebenbürtigkeit zum Stammgute der freien Herren damals noch nicht allgemein anerkannt war, zeigt die Klage |