čechoslavischen. War denn Österreich, muss man sich unwillkürlich fragen, bevor es unter Ottokars Herrschaft kam, ein Hottentottenland, waren denn hier niemals Gerichte gehalten worden, sodass sich keine gewohnheitsrechtlichen Gerichts- und Ladungsfristen bilden konnten? Musste Österreich wirklich auf Ottokar warten, damit ihm dieser die ersten Anfänge primitivster Rechtskultur übermittle? Auf alles dies hat St. in seinem ottokarischen Übereifer völlig vergessen. III. Im dritten Abschnitt handelt St. über die gerichtlichen Reformen Ottokars in Österreich. Vielfach unklar in Auffassung und Ausdruck ist seine Besprechung der Gerichtsverfassung Österreichs vom 9. Jahrh. bis zur Regierung Ottokars. S. 117 bemerkt er wörtlich von der bisherigen Forschung: Man machte keinen Unterschied, dass der Gauverfassung keine territoriale Centenen, sondern nur persönliche Hundertschaftsverbände bekannt sind." Der Satz ist stilistisch ein Unding, er ist einfach nicht deutsch. Doch geht daraus die Ansicht hervor, dass die Hundertschaft überhaupt und noch in so später Zeit ein rein persönlicher Verband gewesen sei. St. zitiert hiefür Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, 116 der ersten Auflage und Schröder, D. RG., S. 18. Aber an diesen Stellen wird doch nur über die altgermanische Hundertschaft gehandelt! Hätte sich St. die geringe Mühe gegeben, in den beiden Büchern die weitere Entwicklung nachzulesen, so würde er gefunden haben, dass Brunner II, 146 und Schröder 125 übereinstimmend lehren, die rein persönlichen Gerichtsverbände der Urzeit hätten sich bei den Nordgermanen, Angelsachsen und einigen. deutschen Stämmen zu territorial abgegrenzten Dingsprengeln umgestaltet. Statt nun die Frage, ob es in Österreich den Hundertschaften ähnliche, wenn auch nicht so genannte Untergerichtssprengel gegeben habe oder nicht, methodisch zu untersuchen und zu diesem Zwecke die umfassende Litteratur über die deutschen Untergerichtssprengel heranzuziehen, zieht es St. vor, an die Verfassung des Reiches Samo's anzuknüpfen, welches sich auch über die Gebiete des heutigen Oberund Niederösterreich erstreckt habe. Dass wir über die Verfassung des samonischen Reiches so gut wie nichts wissen, kümmert ihn nicht. Er betrachtet es trotzdem als sicher, dass auf der linken Seite der Donau, insoweit sie gegen Mähren die Grenze bildete, eine gleiche Organisation bestand wie in den übrigen böhmischen Ländern. Ein neuer Eroberer, welcher die alte Bevölkerung nicht sämtlich ausrottet, muss sich in mancher Hinsicht ganz unbewusst dem Joche des Untergebenen fügen. Auch in Nieder- und Oberösterreich lässt sich viel " leicht durch eine solche Assimilierung Manches erklären, was sonst jeder Erklärung Trotz bietet." Welche Art dise Assimilierung war, das schildert St. S. 123: Wie die altfränkischen Grafen in Gallien durch die römischen Einflüsse zu neufränkischen Grafen umgestaltet wurden, so wurden auch hier (in Österreich) durch die wenngleich gar nicht so vollkommenen slavischen Einrichtungen die im slavischen Siedlungsgebiet eingeführten Centenen zu selbständigen, mit der gräflichen Jurisdiktion ausgestatteten Landgerichten umgewandelt. Da St. S. 117 die Centenen für blos persönliche Verbände erklärt hat, so müsste ihre Fortbildung zu territorial abgegrenzten Landgerichtssprengelu eine Folge der Assimilierung mit jenen slavischen Einrichtungen sein. Unter den letzteren versteht St. die böhmischen Župengerichte, welche vollständig den österreichischen Landgerichten entsprechen. Die Gleichstellung des böhmischsn comes als des Organes der laudesherrlichen Gewalt in dem Župendistrikte mit dem österr. Landrichter ist ganz evident." St. hat hiebei völlig vergessen, dass er S. 66 ganz im Sinne der herrschenden Meinung den böhmischen comes dem fränkischen Grafen an die Seite gestellt hat und nicht einem deutschen niederen Landrichter; mit letzterem kann der bömische comes schon deshalb nicht verglichen werden, weil derselbe gar nicht selbst Richter ist, sondern einen eigenen Provinzialrichter an seiner Seite hat (vgl. Peterka, Das Burggrafentum in Böhmen, 30). Dass St.'s Theorie von der Assimilierung der Zupengerichte mit den Cetenen, wobei aber erstere das massgebende Element waren, jedes soliden Untergrundes entbehrt, hat er übrigens selbst gefühlt, indem er bekennt: „Nähere Beweise für unsere Vermutung lassen sich dermalen nicht vorbringen, da wir noch nicht genügend über die slavische Siedlung im Gebiete von Ober- und Niederösterreich unterrichtet sind." " S. 130 wendet St. sich den Reformen König Ottokars in Österreich zu. Als erste derselben nennt er die wesentliche Umgestaltung des Obristlandrichteramtes durch Hinzutritt von zwölf Beisitzern und Schaffung einer selbständigen Kompetenz" desselben. Zu dieser Annahme kommt St., indem er in A. 18 des ottokarischen Landfriedens von 1254: „Wir haben auch unsern ... mit zwelf herren aus dem lande" das fehlende Wort mit landrichter" ergänzt, was er damit rechtfertigt, dass ausser der parallelen böhmischen Entwicklung auch die Prüfung des Textes hiezu nötige, denn es werde unmittelbar vorher und nachher von den (oberen) Landrichtern gehandelt. Die herrschende Lehre ergänzt das fehlende Wort durch rat1); es spricht für sie die Urkunde von 1264 " ') Weiland in Constitutiones imperatorum et regum II, 607 ersetzt es durch hof, was sachlich auf dasselbe hinauskommt. " in Diplomataria et Acta VIII, 316, in welcher Landherren als Räte Ottokars genannt werden (vgl. Luschin, Österr. Reichsgeschichte 166). Dagegen ist die Deutung St.'s, dass die zwölf Herren ähnlich den Kmeten des obersten bömischen Landgerichtes ständige Beisitzer des Oberstlandrichters gewesen wären, nicht blos unerweisbar, sondern auch unmöglich. Ersteres gibt St. selbst zu, indem er bemerkt (S. 131): Die zwölf Herren aus dem Lande können leider in Österreich quellenmässig bis jetzt nicht weiter nachgewiesen werden." Unmöglich ist jene Deutung, weil es im österr. Landtaiding keine ständigen Urteilfinder gab, die Gerichtsbank vielmehr von Fall zu Fall aus den Anwesenden gebildet wurde und nicht einmal die Zahl der Urteil finder feststehend war (Luschin, G. d. ä. Gw., 61). Die gegenteilige Vermutung St.'s 141 ist unhaltbar. Seiner eigenen S. 131 vorgetragenen Behauptung, Ottokar habe im Landfrieden von 1254 für das Obristlandrichteramt eine selbständige Kompetenz geschaffen, widerspricht St. S. 142, wo es heisst: Die Kompetenz des Oberstlandrichters, von welcher der ottokarische Landfrieden noch schweigt, nimmt schon bestimmte Konturen in der ottokarischen Landesordnung an. Einerseits erweitert sich dieselbe auf Kosten der oberen Landrichter. Die Prozesse gegen Rittermässige um Leib und gegen Grafen, Freie und Dienstmanuen um fahrende Habe (und geringe Strafsachen) gehören jetzt vor den Obristlandrichter. Andererseits fällt in die Kompetenz desselben die offene Gewalt sowie die Streitigkeiten um sein Gebot ". Welche Kompetenz verblieb denn dann den oberen Landrichtern? Offenbar nur die Gerichtsbarkeit um unbewegliches Gut der Ritter und die Frage um schädliche Leute, die ihnen aber später gleichfalls benommen wurde; im 14. Jahrh. übte dieselbe ein herzoglicher Spezialkommissär (vgl. Wretschko, a. a. O., S. 104). Bedenkt man noch, dass Ottokar überdies ein ausgedehntes System von Delegationen einführte (Hasenöhrl, Österr. Landesrecht 168), so wird die ottokarische Gerichtsverfassung einigermassen kompliziert, und man kann sich des Bedenkens nicht erwehren, weshalb Ottokar von Fall zu Fall einen oder zwei der oberen Landrichter zu delegierten Richtern bestellte, wenn er im Oberstlandrichter einen ständigen Stellvertreter in allen. Sachen mit Ausnahme der ihm persönlich vorbehaltenen besass? Warum delegierte er für die Sachen letzterer Kategorie nicht vor aliem diesen, ihm doch am nächsten stehenden Beamten? Im Böhmen, wo Ottokar einen ständigen Stellvertreter, den summus judex terrae, besass, bedieute er sich der delegierten Richter überhaupt nicht, wohl aber in Mähren. Luschin entgeht diesen Schwierigkeiten, indem er das Amt des Oberstlandrichters durch Herzog Ottokar aufgehoben und durch Ernennung von vier Landrichtern ersetzt werden lässt. Im LR. II, das er als Entwurf der Forderungen der Landherrn von 1298 auffasst, hätten die Landherrn die Einsetzung eines Oberstlandrichters verlangt, den der Landesherr mit ihrem Beirat ernennen sollte; da aber der Entwurf nicht Gesetz wurde, sei das Amt des Oberstlandrichters nicht erneuert worden (Luschin, G. d. ä. Gw., 58 und 64). Die wichtigste, schon im Landfrieden von 1254 verfügte Reform Herzog Ottokars in Österreich war die Einsetzung der vier (oberen) Landrichter, welche über Klagen um Fahrhabe und geringe Delikte gegen Grafen, Freie und Dienstmannen, über Klagen um Leib und Gut der Ritter und Knechte und über Klagen gegen Geistliche, soweit solche vor das weltliche Forum gehörten (Immobiliarklagen) richten sollten. St. S. 137. meint, dass für die Gewährung eines besonderen Gerichtsstandes vor den oberen Landrichtern an die österr. Ritter die Verhältnisse der böhmischen Wladyken massgebend gewesen seien. Auch dies halte ich nicht für zutreffend. Wie der Geburtsstand beider ein ungleicher war (die Wladyken waren vollfreie, die Ritter unfreier Herkunft), so lässt sich auch die böhmische Gerichtsorganisation mit der österreichischen nur schwer. vergleichen. Die Kompetenz der Gerichte des böhmischen Landrechtes schied sich nicht nur nach Ständen, sondern auch nach der Höhe der Prozessbussen, bezw. der vermögensrechtlichen Klagansprüche. Bis zu 10 Mark Silber hatten die Wladyken ihren Gerichtsstand vor den Kreisgerichten, was darüber ging, gehörte vor das oberste Landgericht zu Prag. Den oberen Landrichtern in Österreich ward von Herzog Ottokar im Landfrieden von 1254 überdies die Frage schedelicher leute" oder „landfrage d. i. das amtliche Einschreiten gegen Gewohnheitsverbrecher, zur Pflicht gemacht. S. 133 f. behauptet St., dass Ottokar die oberen Landrichter nach dem Vorbilde der böhmischen Popravcen und zu dem gleichen Zwecke, behufs Vornahme besagter Landfrage, eingesetzt habe. In meiner österr. Reichs- und Rechtsgeschichte, S. 57, habe ich selbst den ersten Teil dieser Behauptung vorgetragen, indem ich mich auf die Darstellungen von Palaky und Jireček betreffs des Popravcenamtes verlassen zu können glaubte; bei Abfassung eines allgemeinen Grundrisses ist es ja doch unmöglich, über jeden Punkt eine spezielle Untersuchung abzuführen. Erst als ich später die Quellen der böhmischen Gerichtsverfassung im Zusammenhange selbst durcharbeitete, bemerkte ich, dass jene Darstellungen den Fehler begehen, völlig ausgebildete Institute des 14. Jahrhunderts bereits in die Zeit K. Ottokars II. zurückzuverlegen. Dies ist auch beim Popravcenamte der Fall; es ist oben (S. 6) gezeigt worden, dass die Berechtigung, die Entstehung des selben auf die Zeit Ottokars zurückzuführen, auf einem einzigen unsichern Belege in Weistum von c. 1266 beruht, während die oberen Landrichter für Österreich schon im Landfrieden von 1254 eingesetzt wurden. Schon aus rein formellen Gründen muss deshalb die Behauptung von dem vorbildlichen Charakter des böhmischen Popravcenamtes abgelehnt werden. Dass übrigens die Amtsbefugnisse der späteren böhmischen Popravcen und der österr. oberen Landrichter nicht völlig identisch waren, gibt auch St. zu, indem er auf die umfangreiche zivilrechtliche Kompetenz hinweist, welche die letzteren auszeichnet. Als besonders charakterisch für die Landrichter sieht St. jedoch die Kompetenz zur Vornahme der Landfrage an, ihretwegen sei das Amt in erster Linie geschaffen worden. Von der Landfrage ist aber erst gegen Ende des ottokarischen Landfriedens die Rede (A. 29), während die übrige Kompetenz der oberen Landrichter schou in A. 17 normiert ist; dies spricht nicht für St.'s Behauptung. Die Landfrage (inquisitio terrae generalis) hält St. (S. 29, 34, 133 f.) für eine Einrichtung des böhmischen Rechtes, genauer des čechoslavischen Landrechtes, welche erst mit dem Institute der oberen Landrichter Aufnahme in Österreich gefunden habe." Es ist oben S. 262 dargetan worden, dass auch diese Auffassung unstatthaft ist. Der Irrtum St.'s von der angeblich böhmischen Provenienz der Landfrage rührt daher, dass er zwischen dem ordentlichen Rügeverfahren, welches die von ihm zitierten böhmischen Quellenstellen der vorottokarischen und ottokarischen Zeit meist dürftig andeuten und dem ausserordentlichen Verfahren gegen sog. schädliche Leute, d. i. Gewohnheitsverbrecher, nicht gehörig unterschieden hat. In den genannten böhmischen Quellen kommt der Ausdruck inquisitio terrae generalis oder eine der Landfrage" entsprechende čechische Bezeichnung nicht vor. Bekanntlich war die österr. Landfrage jenes ausserordentliche und summarische, in grösseren Fristen und wohl auch grösseren Bezirken veranstaltete Verfahren, wobei die oberen Landrichter nach gewohnheitsmässigen Verbrechern, besonders nach Strassenräubern, Dieben und Mördern, fragten. Wurde der Gerügte durch die eidliche Aussage von sieben Anwesenden als schädlicher Maun übersagt, so verfiel er ohne weiteres in den rechtlichen Zustand eines Verurteilten (vgl. v. Zallinger, a. a. O., S. 119, 121, 126; Schröder a. a. O. 797; Brunner, Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte 2 165). Von solchen periodischen Veranstaltungen eines ausserordentlichen Rügeverfahrens findet sich in den böhmischen Quellen der vorottokarischen und ottokarischen Zeit keine Andeutung. Ist das Amt, wenn auch nicht der Name des Popravcen, noch in ottokarischer Zeit entstauden, so mag es schon damals auch in Böhmen |