fahren im Strafprozesse zu umfassender Geltung gebracht, bis in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. eine Rückbildung eintrat, während das gemeine italienische Recht sich in entgegengesetzter Richtung entwickelte, indem es bereits um 1270 dem Richter erlaubte, sich bei jedem Delikt beliebig Verdachtsgründe zu verschaffen, um die Inquisition einzuleiten (vgl. Schmidt, a. a. O., S. 79 f., 98-117). Auch die wirtschaftlichen Neuerungen K. Ottokars sollen nach St.'s S. 139 Meinung in Böhmen und Österreich parallel erfolgt sein. Dies gehe aus LR. II, § 47, und aus der Fortsetzung der Chronik des Cosmas z. J. 1268 hervor. In der ersteren Stelle wird ohne näheres Detail, mehr in der Form eines Wunsches oder Programmes die Geltung einheitlicher Masse und Gewichte im ganzen Lande verfügt, in der letzteren vom Könige gesagt, er habe die Gewichte und Masse erneuern und ihnen ein Zeichen aufprägen lassen, was wohl auf die Einführung einer Art von Aichung hindeutet. Betreffs der ersteren Bestimmung hat schon Dopsch in Österr. Urbare I, S. CXCVIII, mit Recht bemerkt, dass sich die Anordnung eines einheitlichen Masses wohl nur auf das sog. Kastenmass" bezog, denn die Absicht, alle die verschiedenen sog. Burgmasse zugunsten eines einzigen abzuschaffen, musste im 13. Jahrh. ganz aussichtslos erscheinen. Auch in Böhmen kanu die erwähnte Massregel keinen durchgreifenden Erfolg gehabt haben, da sich auch hier lokal verschiedene Hohl- und Trocken-, Flächenund Längen masse noch lange behaupteten. St. nennt die beiden Quellenstellen einen Nachtrag zur sicheren Provenienz der ottokarischen Landesordnung", worin er aber gewiss wieder zu weit geht, denn das Bestreben, den Nachteilen, die aus den Verschiedenheiten und Schwankungen der lokalen Masse und Gewichte erwuchsen, durch einheitlichere Gestaltung derselben zu begegnen, sehen wir bald früher, bald später bei allen deutschen Landesherren und den Herrschern der anderen Nachbarstaaten Böhmens und Österreichs in gleicher Weise hervortreten, weil das Bedürfnis eben überall ein gleiches war. Einen Beweis, dass LR. II desshalb eine Landesordnung Ottokars sein müsse, in dessen Kopfe ganz allein der Gedanke von der Notwendigkeit jener Reform entsprungen sei, kann mau in dem zufälligen Zusammentreffen jener beiden Stellen nicht erblicken. Schliesslich handelt St. S. 143 f. noch über die Schuld- und Gewährleistungsbriefe, worüber er eine grössere Abhandlung in den Rozpravy české akademie císaře Františka Josefa, třida I., ročník IX, veröffentlicht hat. Letztere Schrift ist bereits von Rieger in den MJÖGF. XXIV, 148 f. besprochen worden, so dass ich mich kurz fassen kann. Auch hier genügen St. die wenigen Urkunden der otto karischen Zeit mit ihren dürftigen Andeutungen, um zu behaupten, die Reformtätigkeit Ottokars habe sich auch darauf erstreckt, böhmische (richtiger čechische) Elemente des Gewährleistungsrechtes (čechisch správa) sowie des Zwangsvollstreckungsrechtes (čechisch zvod) nach Österreich zu übertragen, weshalb er die erst für viel spätere Zeit bezeugte Gerichtsbarkeit des böhmischen Oberstburggrafen über Schuldbriefe, die das Vorbild der Briefjustiz des österreichischen Landmarschalls gewesen sei, bereits in die ottokarische Zeit zurückverlegen will. In seiner čechischen Abhandlung wollte St. weiter beweisen, dass der in Österreich angeblich rezipierte zvod, d. i. die Immobiliarexekution des čechoslavischen Landrechtes, von da unter den Königen Rudolf und Albrecht in das deutsche Reichshofgericht gekommen und hier unter der Bezeichnung anleite rezipiert worden sei; anleite sei nichts als die buchstäbliche Übersetzung von zvod 1). Aus dem Reichshofgerichte kam das Anleite verfahren nach Schwaben u. s. w. Diesen Siegeszug feierte der zvod bereits zu Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrh.'s, während wir über sein Wesen erst durch den Ordo judicii terrae aus der Mitte des 14. Jahrh.'s einigermassen unterrichtet werden; die früheren Urkunden bringen doch nur Andeutungen, keine, für eine besonnene Konstruktion ausreichende Schilderung; die rechtlichen Merkmale des völlig ausgebildeten Institutes aber um ein Jahrhundert zurückverlegen wollen, ist unstatthaft. Dass LR. I, A. 32 bereits von der Gewährleistung handelt, weist darauf hin, dass die österreichische Gestaltung dieses Institutes aus dem bayerischen Mutterlande stamme, um dessen Quellen sich St. gar nicht gekümmert hat. Dies behagt natürlich St. nicht, deshalb raubt er LR. I die Priorität, auf die es, wie wir gesehen, wohlbegründeten Anspruch hat. Übrigens geht es nicht an, die Herkunft und Entwicklung eines Rechtsinstitutes nur auf Grund der Quellen Böhmens und Österreichs (im engeren Sinne) zu studieren, weil man bei Ähnlichkeiten, die sich ganz naturgemäss ergeben, Gefahr läuft, die Entwicklung in dem einen Lande als abhängig von der im dem andern hinzustellen; nur eine umfassende Heranziehung der Quellen des süddeutschen und norddeutschen sowie der des italienischen Rechtes könnte hier zu gesicherten, willkürliche Deuteleien ausschliessenden Ergebnissen führen. Überblickt man den ganzen Komplex vorstehend er Erwägungen, so ergibt sich als die einzig sichere Reform Ottokars auf dem Gebiete des landrechtlichen Gerichtswesens in Österreich die Einsetzung der 1) Es wundert mich, dass St. nicht auch den Ausdruck fron oder Fronung für Übersetzung des čechischen panování erklärt. oberen Landrichter, aber auch für diese versagt die Möglichkeit der Herleitung aus dem čechoslavischen Recht. Die Behauptung St.'s, als habe Ottokar nach dem Vorbilde čechoslavischer Rechtseinrichtungen das österr. Landrecht nach den verschiedensten Richtungen hin planmässig reformiert, lässt sich nicht aufrecht halten. Die Begründung derselben hat sich überall als methodisch unzulänglich oder geradezu unmöglich erwiesen. Die beiden Fassungen des österr. Landrechtes enthalten nicht ein mit čechoslavischen Einflüssen versetztes Mischlingsrecht, das österr. Landrecht ist vielmehr ein urwüchsiger Zweig des deutschen, besonders des bayerischen Muterrechtes. Schliesslich sei noch eines Gegenstandes Erwähnung getan, der mit dem Hauptthema St.'s nur lose zusammenhängt, der Županenfrage. Während die suppani in Steiermark, Kärnten und Krain, in Meissen und Schlesien nur als Dorfrichter erscheinen, dient in Böhmen dasselbe Wort als Kollektivbezeichnung der verschiedenen Kategorien hoher Beamten (vgl. Peterka, Burggrafenamt in Böhmen 14). St. S. 83 meint nun, dass durch die fremde Eroberung in Steiermark und Meissen die Entwicklung aufgehalten worden sei, die Župane seien dort blosse Ortsvorsteher geblieben. Auch in Böhmen hätten dieselben ursprünglich dieselbe Stellung von Ortsrichtern gehabt, sie seien aber auch militärische Vorsteher ihrer Ortschaft gewesen, welche im Falle der Not deren Bewohner in die Gauburg (župa) zu führen und deren Verteidigung zu leiten hatten. Sie seien somit Burgleute (milites) gewesen, welche den Burgdienst besorgten und deshalb Župane hiessen. Der Unterschied zwischen den Župauen in freien und unfreien Ortschaften habe jedoch zu verschiedener Entwicklung geführt. Der Župan in den freien Ortschaften sei nur ein par inter pares gewesen. und deshalb nur ein Dorfkmet geblieben. In den unfreien Dörfern dagegen habe der Unterschied zwischen den Unfreien und ihrem Vorgesetzten den Zupan zu einem wahren Herrscher (vládyka) über die Untergebenen gemacht. Die Erblichkeit des Amtes, die Befreiung von der Abführung des Zinses (der Dorf bewohner) durch fürstliche Schenkung und andere Umstände machten die Župane in den unfreien Ortschaften zu selbständigen Gutsbesitzern und zwar mehr und mehr zu eigenem Rechte. Der grössere Besitz, namentlich der Besitz eines Dorfes, sowie auch der militärische Dienst liess sie vornehmer als die übrigen Freien erscheinen und hob sie allmählich zu dem niederen Adel." Diese Ausführungen St's über die Župane beruhen nicht auf irgendwelchen Quellen, sondern nur auf Kombination. Dies gibt er auf S. 78 ohne weiteres zu. St. zitiert einige Urkunden, denen zufolge die suppani milites gewesen seien. Das Wort miles wird nicht. bloss in der böhmischen, sondern in der europäischen Verfassungsgeschichte des Mittelalters im weiteren und engeren Sinne gebraucht. Im ersteren Sinne bezeichnet es Jeden, der überhaupt ritterliche Lebensweise führt, auf welcher sozialen Stufenleiter er sich immer befinden mag. St., S. 81 und 91, kennt diese weitere Bedeutung des Wortes. Im engeren Sinne bedeutet miles den niederen dienenden Ritter unfreier Herkunft. St. versteht nun unter den suppani und milites der von ihm S. 78 zitierten Urkunden niedere Ritter, aber freier Herkunft, während hier die suppani nur als milites im weiteren Sinne aufgefasst werden können. Sodann deutet St. (S. 79) darauf hin, dass in anderen Urkunden milites als Dorfbesitzer oder Gutsbesitzer erscheinen. Das ist gewiss nicht auffällig. Aber einen urkundlichen Beweis, dass die milites als Dorfrichter erscheinen, hat er nicht erbracht. St. weist sodann S. 80 darauf hin, dass man die milites auch auf den Burgen finde, wo sie castrenses und castellani heissen. Gewiss, diese Burgmannen sind aber die milites im engeren Sinne. Aber St. ist der erste, der die Vereinigung der Ämter des Dorfrichters und Burgmannen in der einen Person des Županen oder miles glaubhaft zu machen versucht. Wenn St. endlich auf die angegebene Weise den Stand der wlady kones oder nobiles wenigstens teilweise zu einem niederen Amtsadel machen will, so steht dem die in diesem Punkte m. E. richtigere herrschende Auffassung entgegen, derzufolge die Wladyken überhaupt kein Amtsadel, sondern alter Geburtsadel waren; sie waren kleine Grundherren, deren Gut von Hause aus den Charakter freien Erbeigens besass. Dies besagen auch einige der von St. S. 79 A. 5 (praedium meum, quod jure patrimonii possideo) und S. 89 A. 1 angeführten Urkunden; in letzterer wird gesprochen von der hereditas nostra libera seu wladiczye vulgariter dicta. Ich halte die Wladyken, was zum Teil auf dasselbe hinauskommt, für die alten čechoslavischen Vollfreien, ihre sozial-politische Bedeutung ist dieselbe wie die des ungarischen Gemeinadels (vgl. Steinacker, Über Stand und Aufgabe der ungarischen Verfassungsgeschichte in MJÖGF. XXVIII, 341 A. 5). Erst im späteren Mittelalter verschmolzen die sozial gehobenen niederen Rittersleute (služebnicones, panoše u. a.) nicht völlig, aber bis zu einem gewissen Grade mit den Wladyken zum Ritterstande. Wenn aber die herrschende Lehre in der böhmischen Verfassungsgeschichte, welcher St. S. 67 beipflichtet, schon von den ältesten Zeiten her einen doppelten Geburtsadel der Lechen und Wladyken annimmt, so ist dies auf die falsche Grünberger Handschrift zurückzuführen. Die Entstehung des hohen böhmischen Adels, des Herrenstandes (barones, kmetones, páni) wird von Palacky, Lippert, Rachfahl u. a. von Mitteilungen XXIX. 19 den Geschlechtern der castellani oder burggravii hergeleitet. Wenn aber auch das Amtsgut derselben tatsächlich und teilweise, natürlich per nefas, erblich geworden ist, so war dies doch nicht mit dem Amtstitel der Fall, wie z. B. im Deutschen Reiche, wo nicht blos die Deszendenten, sondern auch die Kollateralen der hohen Reichsbeamten seit Einführung der Gesamtbelehnung den Amtstitel führten. Das Hauptvehikel der Entstehung des böhmischen Herrenstandes scheint vielmehr die erbliche Bekleidung des Amtes ständiger. Urteilfinder (deutschrechtlich gesprochen: des Schöffenamtes) beim obersten Landgerichte zu Prag durch die Ältesten gewisser Familien abgegeben zu haben, welche letzteren dadurch in eine höhere Rechtsstellung gehoben wurden. Nur den supremi barones seu de baronum genere descendentes (d. i. deutschrechtlich gesprochen: den Schöffen und Schöffenbaren) darf der König im 14. Jahrh, die obersten Landesämter verleihen (Maj. Karol. XXV); letztere sind in Böhmen, von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht erblich geworden. Eine direkte Entlehnung dieser Schöffeninstitution aus dem deutschen Rechte braucht nicht angenommen zu werden, sie kann einfach als eine slavische Parallelentwicklung betrachtet werden (vgl. oben S. 258 f.). Störend wirken so manche Verstösse gegen den Geist der deutschen Sprache, die ich nicht im einzelnen aufzählen mag. |