Slike stranica
PDF
ePub

zu solchen ausserordentlichen Veranstaltungen gekommen sein, aber deutliche Belege für eine energische Verfolgung der Gewohnheitsverbrecher finden wir in den böhmischen Quellen erst später; im 14. und 15. Jahrh, wird überhaupt der peinliche Prozess überall mehr und mehr durch das Verfahren gegen den Gewohnheitsverbrecher bestimmt (Mayer a. a. O. I, 281).

"

Um die Priorität der Landfrage als eines Institutes des čechoslavischen Rechtes zu erhärten, behauptet St. S. 135 weiter, es sei in der Zeit vor Ottokar im Strafverfahren Österreichs, wie aus den kirchlichen Immunitäten ersichtlich, eine eidliche Befragung zum Zwecke der Erforschung verbrecherischer Leute nicht nachweisbar. Er vergisst hiebei ganz auf die von ihm selbst unmittelbar vorher (S. 134 und 135) angeführten österr. Quellenstellen, wo von den inquisitiones nocentium personarum (schuldiger leute aische)1), welche die officiales ecclesiae vorzunehmen haben, die Rede ist. Die an ein jährliches placitum generale gebundene generalis inquisitio in dem Privileg Albero's von Kuenring für Kloster Zwettl von 1251 sucht St. für die angebliche Priorität der böhmischen Landfrage dadurch unschädlich zu machen, dass er erklärt, dasselbe „operiere nur mit den Begriffen der bekannten kirchlichen Einrichtungen, wie eine solche auch die generalis inquisitio ist"; ausserdem müsse auch da an den böhmischen. Einfluss gedacht werden, da Weitra ein böhmisches Gebiet, ein böhmisches Lehen war." Was zunächst die Bemerkung St.'s betrifft, dass aus den Immunitätsurkunden eine eidliche Befragung zum Zwecke der Erforschung verbrecherischer Leute nicht nachweisbar sei, so wird doch. Niemand erwarten, dass in solchen Urkunden, denen es in erster Linie auf ganz andere Dinge ankommt, eine nähere Erklärung des Institutes der Inquisition gegeben wurde, dieselbe wurde vielmehr als bekannt vorausgesetzt. Hieraus zu schliessen, es habe keine amtliche Befragung von Rügezeugen stattgefunden, der Richter habe die Inquisition allein vorgenommen, ist ganz unzulässig; wie jeder Richter deutschen Rechtes nur ein Frager des Rechtes ist, so ist er auch in Rügesachen auf die Fragestellung beschränkt. Es ist mir ferner unerfindlich, wie St. die inquisitio generalis, von der im Privileg für Zwettl die Rede ist, als die bekannte kirchliche Einrichtung" bezeichnen kann, da wir es hier doch nicht mit der Sendrüge, die der Archidiakon, der Archipresbyter oder der Dekan einleitet (Schröder

"

1) St. S. 134 A. 2 findet es auffällig, dass hier inquisitio mit aische übersetzt werde und nicht mit frage; es ist aber dasselbe, wie man aus jedem mhd. Wörterbuch ersieht.

a. a. 0. 598), sondern mit der Kriminalrüge des weltlichen Rechtes zu tun haben, wobei als Fragesteller in einigen der angeführten Urkunden die officiales ecclesiae (des gotshaus amptleut), die weltlichen Beamten der Kirche, im letzteren Falle aber der Laie Albero von Kuenring selbst erscheint. Was endlich die Bemerkungen St.'s über die generalis inquisitio im Privileg für Zwettl betrifft, so bezieht sich diese m. E. nicht auf die eigentliche Landfrage, die seit 1254 durch die oberen Landrichter, später durch einen herzoglichen Spezialkommissär, geleitet ward, sondern auf das mit dem echten Ding des unteren Landgerichtes verbundene ordentliche Rügeverfahren. Den für die Herkunft der eigentlichen Landfrage (generalis terrae inquisitio) nächstliegenden Erklärungsversuch bietet aber keineswegs die rein zufällige Personalunion zweier so stammfremder Länder wie Böhmen und Österreich unter Ottokar II. und die angebliche Verpflanzung čechoslavischen Rechtes nach Österreich, unvergleichlich näher liegt doch die naturgemässe, ja selbstverständliche Herleitung dieser Institution des österreichischen Tochterrechtes aus dem bayerischen Mutterrechte. Während im böhmischen Rechte des 13. Jahrh. das gewöhnliche Rügeverfahren mit dem fremdartigen sok dürftig angedeutet erscheint, tritt im bayerischen Rechte derselben Zeit das Rügeverfahren in dreifacher Gestalt breit und in vollster Klarheit, wie sich Zallinger a. a. O., S. 96 ausdrückt, hervor, und zwar als ordentliches oder gewönliches Rügeverfahren, welches überall auf den echten Dingen der einzelnen Gerichtsbezirke stattfand, sodann namentlich in den älteren bayerischen Landfrieden in der Form des sog. „Schädlichkündigungsverfahrens", endlich in den jüngeren Landfrieden als stille Frage um schädliche Leute, welche als eine ausserordentliche, direkt vom Landesherrn ausgehende Veranstaltung in grösseren Fristen und wohl auch grösseren Bezirken durchgeführt wurde (Zallinger, S. 97). Derselbe Forscher setzt hinzu: „Die auffallende Übereinstimmung dieser Züge mit den Grundsätzen über die Frage auf schädliche Leute nach dem österr. Landesrecht lässt dann aber wohl keinen Zweifel daran aufkommen, dass das bezügliche Institut seinem rechtlichen Charakter und Wesen nach hier und dort (in Bayern und Österreich) sich deckt. Einen angeblichen Unterschied zwischen der bayerischen und österreichischen Frage, der darin bestanden habe, dass das Vorgehen bei der ersteren immer ein heimliches, bei der letzteren aber ursprünglich ein öffentliches gewesen und erst später ein heimliches geworden sei, räumt Mayer a. a. O. I, 272 A. 27 in ansprechender Weise hinweg. Tritt in den bayerischen Quellen, soweit sie zu diesem Zwecke durchforscht sind, die stille Frage erst im Landfrieden von 1293 hervor, so könnte man

"

hieraus schliessen, dass dieselbe der bereits im LR. I und im ottokarischen Landfrieden von 1254 erwähnten österr. Landfrage nachgebildet sei. Zwingend ist dieser Schluss nicht, vorzuziehen ist vielmehr die Herleitung beider aus der gemeinsamen Wurzel des älteren bairischen Schädlichkündigungsverfahrens, dessen, wesentliche Identität mit dem Verfahren bei der Landfrage" Zallinger endgiltig festgestellt hat (S. 30). Der Keimgedanke dieses Verfahrens liegt nach den Ausführungen dieses Forschers darin, dass die verbrecherische Lebensweise der berufsmässigen Strassenräuber trotz der Unbeweisbarkeit der einzelnen von ihnen verübten Verbrechen oft genug etwas allgemein bekanntes sein mochte. Wurde daher mit einer Privatklage wegen Strassenraubes etc. die Auschuldigung verbunden und durch Leumundszeugen bestätigt, dass der Beklagte als Gewohnheitsverbrecher gemeinkundig sei, so konnte das Gericht die Schädlichkündigung desselben vornehmen. Erst hierauf wurde er vor Gericht geladen, denn der Leumundsbeweis bildete nur einen Verdacht der Schuld; sicherlich trat aber für den Beklagten eine Erschwerung des Unschuldsbeweises ein. Selbst durch Lossprechung vom Verdacht wurde seine allgemeine Bescholtenheit nicht behoben. Das Ausbleiben des Beklagten am augegebenenen Termin hatte seine Ächtung zur Folge, indem die Schädlichkündigung jeden besonderen Schuldbeweis ersetzte. Die letztere stellt demnach eine Modifikation des ordentlichen Verfahrens dar auf Grund eines Verdachtsmomentes, des Leumunds oder üblen Rufes des Beklagten. Die Wirkungen, welche an die prozessuale Feststellung desselben geknüpft wurden, sind, wie vorhin erwähnt, sowohl für den, der sich dem Gerichte stellt, als auch für den, der ausblieb, ganz andere, als diejenigen, welche eine Anklage im Rügegericht zur Folge hatte. Im Unterschiede zur Schädlichkündigung stellt sich die Landfrage als reines Rügeverfahren von Amtswegen ohne voraufgegangene Klage dar, sodass bei ihr das Offizialverfahren weit entschiedener hervortritt (vgl. Zallinger a. a. O., S. 30, 38 f, 55 f, 104; Schröder a. a. O. 797). Ausser dem Schädlichkündigungsverfahren des bayerischen Mutterlandes kommt für die Entstehungserklärung der österr. Landfrage wohl auch der ältere kanonische Inquisitionsprozess in Betracht, welcher von der straffen offiziellen Verbrechensverfolgung, wie sie der sizilische Normannenstaat und die italienischen Stadtstaaten ausgebildet hatten, beeinflusst worden war. Im normannischen Königreich Sizilien wurde die inquisitio generalis per provincias in bestimmten Zeiträumen vorgenommen. Sie richtete sich auf mala fama und enthielt, wenn zehn Zeugen den Verdacht bestätigt hatten, den Ausspruch über die Schuld schon mit. Auch in England haben die Normannen das Offizialver

fahren im Strafprozesse zu umfassender Geltung gebracht, bis in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. eine Rückbildung eintrat, während das gemeine italienische Recht sich in entgegengesetzter Richtung entwickelte, indem es bereits um 1270 dem Richter erlaubte, sich bei jedem Delikt beliebig Verdachtsgründe zu verschaffen, um die Inquisition einzuleiten (vgl. Schmidt, a. a. O., S. 79 f., 98-117).

Auch die wirtschaftlichen Neuerungen K. Ottokars sollen nach St.'s S. 139 Meinung in Böhmen und Österreich parallel erfolgt sein. Dies gehe aus LR. II, § 47, und aus der Fortsetzung der Chronik des Cosmas z. J. 1268 hervor. In der ersteren Stelle wird ohne näheres Detail, mehr in der Form eines Wunsches oder Programmes die Geltung einheitlicher Masse und Gewichte im ganzen Lande verfügt, in der letzteren vom Könige gesagt, er habe die Gewichte und Masse erneuern und ihnen ein Zeichen aufprägen lassen, was wohl auf die Einführung einer Art von Aichung hindeutet. Betreffs der ersteren Bestimmung hat schon Dopsch in Österr. Urbare I, S. CXCVIII, mit Recht bemerkt, dass sich die Anordnung eines einheitlichen Masses wohl nur auf das sog. Kasteu mass" bezog, denn die Absicht, alle die verschiedenen sog. Burgmasse zugunsten eines einzigen abzuschaffen, musste im 13. Jahrh. ganz aussichtslos erscheinen. Auch in Böhmen kann die erwähnte Massregel keinen durchgreifenden Erfolg gehabt haben, da sich auch hier lokal verschiedene Hohl- und Trocken-, Flächenund Längen masse noch lange behaupteten. St. nennt die beiden Quellenstellen einen Nachtrag zur sicheren Provenienz der ottokarischen Laudesordnung, worin er aber gewiss wieder zu weit geht, denn das Bestreben, den Nachteilen, die aus den Verschiedenheiten und Schwankungen der lokalen Masse und Gewichte erwuchsen, durch einheitlichere Gestaltung derselben zu begegnen, sehen wir bald früher, bald später bei allen deutschen Landesherren und den Herrschern der anderen Nachbarstaaten Böhmens und Österreichs in gleicher Weise hervortreten, weil das Bedürfnis eben überall ein gleiches war. Einen Beweis, dass LR. Il desshalb eine Landesordnung Ottokars sein müsse, in dessen Kopfe ganz allein der Gedanke von der Notwendigkeit jener Reform entsprungen sei, kann mau in dem zufälligen Zusammentreffen jener beiden Stellen nicht erblicken.

Schliesslich handelt St. S. 143 f. noch über die Schuld- und Gewährleistungsbriefe, worüber er eine grössere Abhandlung in den Rozpravy české akademie císaře Františka Josefa, třida I., ročník IX, veröffentlicht hat. Letztere Schrift ist bereits von Rieger in den MJÖGF. XXIV, 148 f. besprochen worden, so dass ich mich kurz fassen kann. Auch hier genügen St. die wenigen Urkunden der otto

karischen Zeit mit ihren dürftigen Andeutungen, um zu behaupten, die Reformtätigkeit Ottokars habe sich auch darauf erstreckt, böhmische (richtiger čechische) Elemente des Gewährleistungsrechtes (čechisch správa) sowie des Zwangsvollstreckungsrechtes (čechisch zvod) nach Österreich zu übertragen, weshalb er die erst für viel spätere Zeit bezeugte Gerichtsbarkeit des böhmischen Oberstburggrafen über Schuldbriefe, die das Vorbild der Briefjustiz des österreichischen Landmarschalls gewesen sei, bereits in die ottokarische Zeit zurückverlegen will. In seiner čechischen Abhandlung wollte St. weiter beweisen, dass der in Österreich angeblich rezipierte zvod, d. i. die Immobiliarexekution des čechoslavischen Landrechtes, von da unter den Königen Rudolf und Albrecht in das deutsche Reichshofgericht gekommen und hier unter der Bezeichnung ,anleite" rezipiert worden sei; anleite sei nichts als die buchstäbliche Übersetzung von zvod 1). Aus dem Reichshofgerichte kam das Anleite verfahren nach Schwaben u. s. w. Diesen Siegeszug feierte der zvod bereits zu Ende des 13. und zu Anfang des 14. Jahrh.'s, während wir über sein Wesen erst durch den Ordo judicii terrae aus der Mitte des 14. Jahrh.'s einigermassen unterrichtet werden; die früheren Urkunden bringen doch nur Andeutungen, keine, für eine besonnene Konstruktion ausreichende Schilderung; die rechtlichen Merkmale des völlig ausgebildeten Institutes aber um ein Jahrhundert zurückverlegen wollen, ist unstatthaft, Dass LR. I, A. 32 bereits von der Gewährleistung handelt, weist darauf hin, dass die österreichische Gestaltung dieses Institutes aus dem bayerischen Mutterlande stamme, um dessen Quellen sich St. gar nicht gekümmert hat. Dies behagt natürlich St. nicht, deshalb raubt er LR. I die Priorität, auf die es, wie wir gesehen, wohlbegründeten Anspruch hat. Übrigens geht es nicht an, die Herkunft und Entwicklung eines Rechtsinstitutes nur auf Grund der Quellen Böhmens und Österreichs (im engeren Sinne) zu studieren, weil man bei Ähnlichkeiten, die sich ganz naturgemäss ergeben, Gefahr läuft, die Entwicklung in dem einen Lande als abhängig von der im dem andern hinzustellen; nur eine umfassende Heranziehung der Quellen des süddeutschen und norddeutschen sowie der des italienischen Rechtes könnte hier zu gesicherten, willkürliche Deuteleien ausschliessenden Ergebnissen führen.

Überblickt man den ganzen Komplex vorstehend er Erwägungen, so ergibt sich als die einzig sichere Reform Ottokars auf dem Gebiete des landrechtlichen Gerichtswesens in Österreich die Einsetzung der

1) Es wundert mich, dass St. nicht auch den Ausdruck fron oder Fronung für Übersetzung des čechischen panování erklärt.

« PrethodnaNastavi »