Aus der Zeit der Begründung der Universität Wien. Von Gustav Sommerfeldt. Über das schriftstellerische Wirken der beiden Männer, die man. als die Koryphäen der im Jahre 1384 von Herzog Albrecht III, wiederhergestellten und um die theologische Fakultät vermehrten Universität Wien betrachten kann, Heinrich Heynbuch von Langenstein und Heinrich Totting von Oyta, ist von mir in diesen Mitteilungen, Ergänzungsband 7, Seite 436-469 und Mitteilungen 25, Seite 576-604 auf Grund der vorliegenden Handschriften mehreres zur Wiedergabe gelangt. Beide Gelehrte hatten als angesehene Magister der Theologie in Paris gewirkt, von wo sie, verdrängt durch die eingetretenen politischen Neuerungen, die in den Vorgängen in dortigen Hofkreisen ihren Grund hatten, die Stätte ihres Wirkens nach Deutschland zurückzuverlegen sich genötigt sahen. Während Oyta 1381 schon Paris verlassen zu haben scheint und zunächst nach Prag zurückkehrte1), folgte ihm Langenstein 1382 nach2), verweilte jedoch ein bis zwei Jahre im Rheinland, wozu ihn teils die persönlichen Beziehungen veranlassten, die er zu den Zisterziensern des 1) Mitteilungen des Instituts 25, S. 584. Die in alter Zeit schon aufge. kommene unrichtige Angabe, dass Oyta von Paris aus direkt nach Wien berufen sei, findet sich neuestens noch vor bei H. Zschokke, Geschichte des Metropolitankapitels zum heiligen Stephan in Wien. Wien 1895. S. 379, wo zugleich das Todesdatum Oytas unzutreffend als 2. Mai statt 20. Mai 1397 sich angegeben findet. 2) N. Valois, La France et le grand schisme d'occident. Paris 1896. Bd. !, S. 367, nach Denifle, Auetarium chartularii univ. Parisiensis I, S. XLI. Klosters Eberbach hatte, teils seine Kanonikate in Lüttich und Worms1), deren Einkünfte ihm die Lebensführung in dortiger Gegend am leichtesten sicherten. Wie wir weiter unten zeigen werden, ist Langenstein gegen Anfang des Jahres 1384 in Wien schon anzutreffen 2). Indessen kommt als frühestes Datum, für das er uns als wirklich amtierender Professor urkundlich hier bezeugt ist, erst der 5. August 1384 in Betracht. Laut Kopialbuch Herzog Albrechts III, im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv Suppl. 408, Blatt 4a und 2b (erwähnt bei K. Schrauf in „Geschichte der Stadt Wien", redig. von A. Starzer, Bd. II, 2. Wien 1905, S. 980) wurden nämlich Langenstein an jenem Tage 150 Pfund Pfennige als erstmaliges Honorar seiner Lehrtätigkeit gezahlt3). Langensteins Schrift, De discretione spirituum", gedruckt Antwerpen 1652 in C. Dielmann's Ausgabe der Werke des Pariser Kanzlers Johannes Gerson1), wird bei seiner Übersiedelung nach Wien schon vorgelegen haben. Da der Traktat in Heiligenkreuz, Stiftsbibliothek Kodex 290, Blatt 183 a-192b auf den Namen Langensteins von der Hand eines seiner persönlichen Schüler, des in Österreich lebenden Magisters Wilhelmus 5) 1388 niedergeschrieben ist, kann damit die Autorschaft Langensteins für diese Schrift als endgültig bewiesen an 1) Über das Wormser Kanonikat siehe J. Tritheim, De scriptoribus ecclesiasticis. Coloniae 1531. S. 123; J. A. Fabricius, Bibliotheca Latina medii aevi. Bd. III. Hamburg 1735. S. 646. Heinrich von Altendorf, der Kartäuser (der sogenannte jüngere Heinrich von Hessen), war durch ein Kanonikat an St. Cyriaci zu Neuhausen bei Worms versorgt: E. Winkelmann, Urkundenbuch der Universität Heidelberg. Bd. I, S. 99, vgl. O. Hartwig, Langenstein. Marburg 1856, II, S. 2. Das Lütticher Kanonikat, das gegen 60 Mark jährlich einbrachte, gab Langenstein 1391 an den Propst zu St. Gereon in Köln, Hermann Stakelweg ab; siehe die Bulle Papst Bonifaz' IX. aus Rom, 20. September 1391, mitgeteilt von H. V. Sauerland im Jahrbuch der Ges, für Lothringische Geschichte 15, 1903, S. 474 (vgl. auch ebd. 18, 1906, S. 520). 2) Siehe Seite 302. 3) Vgl. auch A. Wappler, Geschichte der theologischen Fakultät zu Wien. Wien 1884. S. 362. Sauerlands Meinung (Histor. Jahrbuch 14, 1893, S. 862), dass Langenstein erst 1385 in Wien zu lehren begonnen habe, ist als widerlegt anzusehen. 4) F. W. E. Roth, Zur Bibliographie Langensteins, Leipzig 1888, S. 9 hat diese Ausgabe übersehen. 5) Siehe Mitteilungen des Instituts Erg.-Bd. 7, S. 438. Blatt 192 des Heiligenkreuzer r Kodex heisst es: Explicit tractatus de discrecione spirituum ad viros spirituales, venerabilis doctoris magistri Heinrici Langensteyn dicti de Hassia, anno 1388 die Veneris proxima ante festum beati Thome apostoli". Den Wilhelmus bezeichnet A. Budinsky, Die Universität Paris und die Fremden an derselben im Mittelalter, Berlin 1876, S. 162 als Magister Wilhelmus de Ba gesehen werden, und Hartwigs, von Stanonik) und andern Autoren gebilligte Vermutung, dass der sogenannte jüngere Heinrich von Hessen, der genauer als Heinrich von Altendorf zu bezeichnen ist2), der Verfasser sei, ist abzulehnen. Wenn schon die Heiligenkreuzer Handschrift ergibt, dass die Niederschrift des Traktats durch Langenstein vor 1388 erfolgt sein muss, so ist nach dem Münchener (ursprünglich Tegernseer) Kodex Lat. 18544 b, wo der Traktat Blatt 30a-42b enthalten ist, die Entstehung auf die Pariser Zeit Langensteins zurückzuführen, denn in eingeschobener Notiz bei der Überschrift Blatt 30a dieses zu Wien in den Jahren 1405-1409 von verschiedenen Händen geschriebenen Kodex heisst es: Tractatus Hainrici de Hassia, doctoris egregii Parisiensis, de discrecione spirituum". Eine Reihe anderer Handschriften des Traktats ausser den bei Hartwig, II S. 20-22 erwähnten, zählte auf Roth a. a. O. S. 9. Als wichtig sind ferner noch hervorzuheben: Prag, Univ.-Bibl. Kodex I B. 15, Pelplin, Klerikalseminarbibl. Kodex 110, Florenz, Laurentiana Plut. 20, Kodex Lat. 35, Blatt 132-1423), Wien, Schottenkloster Kodex 132, Blatt 194a-198b. Dem übereinstimmenden Zeugnis der Handschriften gegenüber will es wenig besagen, dass, wie Hartwig II S. 21-22 feststellte, die in dem Traktat niedergelegten Anschauungen über Astronomie im Vergleich zu den früheren Theorien, die Langenstein auf diesem Gebiet entwickelt hatte, nicht unwesentlich verändert sich zeigen. Und auf ein blosses Abschreiberversehen ist es zurückzuführen, dass in der Handschrift Pelplin 199, Blatt 16 derselbe Traktat dem Heinrich von Oyta zuerteilt ist (vgl. diese Mitteilungen" 25 S. 603). Dass Langenstein bei C. Dielmann a. a. O. als Augustinereremit bezeichnet wird, ist augenscheinlich weniger in der durch Dielmann erfolgten Benutzung von Pamphilus' Werk über die Augustinereremiten begründet, als in dem Umstand, dass Langenstein in Wien Beziehungen zu den Augustinerchorherren von Klosterneuburg unterhielt, denen er auch eine in zahlreichen Handschriften varia Parisiensis und erwähnt, dass er als solcher in die Prager Artistenfakultät 1378 aufgenommen sei (Monumenta hist. univ. Pragensis I, 1, S. 180). Er wird darnach Schüler Langensteins schon in Paris gewesen sein. 1) Stanonik in Allgemeine deutsche Biographie 11, S. 637; H. Hurter Nomenclator literarius. Bd. IV. Innsbruck 1899. Sp. 570, Anm. 2. 2) Über seine Wirksamkeit als Dozent an den Universitäten Köln und Heidelberg siehe das Nähere in Zeitschr. für die Geschichte des Oberrheins 21, 1906, S. 33, Anm. 2. 3) A. M. Bandini, Catalogus codicum Latinorum bibliothecae Mediceae Laurentianae. Bd. I. Florentiae 1771. S. 643. noch vorliegende Abhandlung über das Eigentum der Kleriker gewidmet hat1). Das Leben Oytas betreffend, so ist von mir in Mitteilungen" 25, S. 581 auf Grund urkundlichen Belegs nachgewiesen, dass Oyta noch Ende Dezember 1383 seine Tätigkeit als Universitätslehrer in Prag ausgeübt hat. Vorher vom 8. Dezember 1383 ist Kunde auf uns gelangt von Verhandlungen, die Oyta in Prag mit dem General des Dominikanerordens gepflogen hat wegen des den Dominikanern zustehenden Rechts verschiedene Vorzüge an der Universität Prag zu geniessen und alle akademischen Grade daselbst erwerben zu können?). A. Franz ist der Meinung, dass Oyta damals das Dekanat an der Universität Prag bekleidet habe3), und keineswegs war sein Wirken ein so vorübergehendes, wie einige neuere Darsteller es haben glaubhaft machen wollen. Hierfür spricht namentlich eine Eintragung des ehemaligen Pariser, dann Prager und zuletzt Wiener Magisters der Jurisprudenz, Heinrich von Odendorf, der in Erfurt, Amploniana Cod. Lat. Fol. 173, Blatt 259 am Schluss seiner hier enthaltenen Abhandlung über die Sentenzen" u. a. bemerkt4): Deinde regracior magistro meo reverendo, magistro Henrico de Oytha, qui Parisius, Prage et hic in Wyenna plurima pietatis opera mihi exhibuit“. " Oytas Kommen nach Wien wird erst im Sommer 1384 erfolgt sein, denn ausser dass ihm an der Universität sein Anfangsgehalt im Betrage von 100 Pfund Pfennigen), zugleich mit Langenstein, am 5. August 1384 gezahlt wurde, so soll auch, wie Wappler) behauptet, Langenstein, der seinerseits auch erst 1384 in Wien angelangt war, es veranlasst haben, dass Oyta, der in Paris sein Fakultätsgenosse gewesen war, 1) Roth a. a. O. S. 6. In München Lat. 18544 b (bei Roth übergangen) liegt Bl. 217-219b ein Bruchstück des Traktats vor mit der Überschrift:,Sermo Hainrici de Hassia ad canonicos regulares in Neunburga de vita communi, et hic incompletus, sed completus habetur ibi H 44 primo, was sicherlich die alte Signatur eines ehemals in Klosterneuburg selbst vorhanden gewesenen Exemplars dieses Traktates angibt. 2) Monumenta hist. univ. Pragensis Bd. III, S. 69. Oyta verteidigte in seiner Rede das bezügliche Abkommen. 3) A. Franz, Der Magister Nikolaus Magni de Jawor. Freiburg 1898. S. 24. Über den Studiengang Oytas seit dem Jahre 1355 siehe ebenda S. 36. Als Schüler Oytas ist ein Petrus Druxnicht de Lebin zuerst zum Oktober 1384 in die Wiener Universitätsmatrikel eingetragen. Schrauf a. a. O. S. 978, Anm. 4. 4) W. Schum, Beschreibendes Verzeichnis der Amplonianischen Büchersammlung. Berlin 1887 S. 112. 5) Späterhin jährlich 80 Pfund Pfennige. - Langenstein erhielt jedesmal 150 Pfund Pfennige, Schrauf, a. a. O. S. 980. 6) Wappler a. a. O. S. 363. nunmehr nach Wien berufen wurde. In der Zeit April bis September 1388 hat dann Oyta das Dekanat der theologischen Fakultät in Wien bekleidet1). In zahlreichen Werken älterer Autoren, so C. Oudin, Commentarii de scriptoribus ecclesiasticis Sp. 687, finden wir Oyta als Karmeliter bezeichnet. Die vermeintlichen Belegstellen sammelte im einzelnen C. de Villiers, Bibliotheca Carmelitana. Bd. I. Orléans 1752. Sp. 6252). Es kann aber jene Annahme nicht richtig sein, denn Oyta hätte alsdann in der Aufzeichnung vom Dezember 1383 (Mitteilungen 25, S. 581), wo Magister Friedrich von Nürnberg, der gleich Oyta von Prag nach Wien übersiedelte3), richtig als Karmeliter bezeichnet ist, ebenfalls als solcher genannt sein müssen. Es heisst dort aber nur prepositus Wydenbrugensis in ecclesia Osnaburgensi“. Ausserdem gehörte Oyta seit 1385 dem von Herzog Albrecht III. gestifteten Collegium ducale an1). Er hätte aber statutenmässig nie in dieses aufgenommen werden dürfen, wenn er Ordensgeistlicher gewesen wäre. Über die Beziehungen, die Oyta im allgemeinen zur Kartause Mauerbach unterhielt, machte kurze Angaben Leopold Brenner in seiner Geschichte dieser Kartause, gedruckt bei H. Pez, Scriptores rerum Austriacarum. Bd. II, Leipzig 1725. Sp. 359, wo unser Autor jedoch unzutreffend Joannes de Oytta genannt wird, ein Fehler, der in jenem kompilatorischen Werk nicht weiter auffällig erscheint, da Brenner z. B. Spalte 360 auch behauptet, dass unter dem Prior Hugo, der seit 1397 der Kartause Mauerbach vorstand, das Generalkapitel der Kartauser einmal zu Mauerbach abgehalten sei. Pez selbst hat in Bezug hierauf korrigiert, dass die Kartäuser nur 1383 und 1387 unter ihrem Ordensgeneral Johannes Barensis in Mauerbach sich versammelten, in der Folge 1391 bis 1414 dann stets zu Seitz. Der in Mitteilungen 25, S. 597-603 veröffentlichte Sermon De gradibus oboedientiae liegt, was mir nachträglich erst bekannt wurde, handschriftlich auch in Erfurt, Quart 125, Blatt 228 a-230 b vor. Von der ebenda Seite 597 nach einer römischen Hds. genannten Ad 1) J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität. Bd. I, Wien 1865. S. 124; Wappler a. a. O. S. 468. Auf Verwechslung beruht es, wenn R. Kink, Geschichte der Universität zu Wien. Bd. II. Wien 1854. S. 94 Oyta auch zum 1. April 1389 als Dekan der Wiener theologischen Fakultät erwähnt. Oyta ist unter jenem Datum vielmehr nur als Vertrauensmann an der Ausarbeitung der Wiener Universitätsstatuten mitbeteiligt gewesen, Schrauf, a. a. O. S. 981. 2) Siehe auch noch Hurter a. a. O. IV, 589. 3) Aschbach a. a. O. I, S. 53. 4) Aschbach I, S. 43. |