Slike stranica
PDF
ePub

Ein Habsburg-Stuart 'sches Heiratsprojekt.

Von

Alfred Francis Pribram.

Am 30. März 1671 schied Anna, Gemahlin Herzog Jakobs von York, aus dem Leben, das ihr viel äusseres Glück, aber wenig innere Befriedigung gebracht hatte. Ehrendame der Stuart'schem Blute entsprossenen Prinzessin von Oranien, in deren Dienst sie gegen den Wunsch ihrer Eltern getreten war, hatte sie als Begleiterin dieser Dame im Jahre 1656 in Paris den dort in der Verbannung weilenden Jakob, König Karls I. jüngeren Sohn, kennen gelernt. Das frische Wesen, das lebhafte Temperament und der kluge Sinn der damals 23 jährigen Anna eroberten das Herz des um ein Jahr jüngeren Prinzen, Zu einer Aussprache scheint es aber in jenen Tagen nicht gekommen zu sein. Erst im Herbste 1659, als Jakob, noch immer ein Verbannter, in Breda seine spätere Gattin wiedersah, wurde zwischen ihm und Anna das bindende Wort gesprochen. Bald darauf trat der entscheidende Wechsel in dem Geschicke des Hauses Stuart ein; die Rückberufung der Brüder nach England, der Sieg der Restauration, die Thronbesteigung Karls II. Jakob war nun nicht mehr der in der Verbannung weilende Sohn des hingerichteten Karl I., er war der Bruder des regierenden Königs und, da dieser noch unvermählt war, vorerst der nächste Anwärter auf Englands Thron. Man begreift daher das Erstaunen, dass die Mitteilung Jakobs, er wolle Anna Hyde heiraten, am Hofe Karls II. hervorrief. Die Königinmutter, die stolze Henriette Marie, beschwor ihren Sohn von diesem Vorsatze abzustehen; auch der König liess es an Warnungen nicht fehlen. Am heftigsten aber protestierte Anna Hyde's Vater, der treue Ratgeber des Hauses

Stuart, gegen die geplante Vermählung, die er aus politischen Gründen. nicht wünschte. Allein Jakob blieb fest. Er hatte gute Gründe. Er wusste, dass seine Braut ein Kind unter dem Herzen trug und er zweifelte keinen Augenblick, dass dieses Kind das Seine war, dass alle Verleumdungen, die von den Gegnern dieser Ehe gegen die Tugendhaftigkeit seiner Braut geschleudert wurden, jeder Begründung entbehrten. Seine Standhaftigkeit siegte. Im September 1660 konnte er Hochzeit mit Anna Hyde feiern. Wenige Wochen später gab die Herzogin einem Knaben das Leben. Diesem folgten noch drei Söhne, aber keinem derselben war es vergönnt, mannbar zu werden; auch zwei von den vier Töchtern, die Anna gebar, starben in der frühesten Jugend, so dass von den acht Kindern, denen Anna das Leben schenkte, nur zwei Töchter, Marie und Anna, beide vom Schicksal ausersehen Englands Thron zu besteigen, zur Reife gelangten. Der reiche Kindersegen hinderte aber nicht, dass die Ehe Anna's und Jakobs, die aufrichtiger Neigung entsprungen war, im Laufe der Jahre zu einer unglücklichen wurde. Wohl gelang es Anna die Gunst ihres königlichen Schwagers zu gewinnen, ihren eigenen Vater zu versöhnen; die Königinmutter stellte ihre Opposition auf den Rat Mazarins ein; mit Katharina, die Karl II. im Jahre 1662 heimgeführt hatte, wusste sich Anna in ein leidliches Verhältnis zu setzen. Auch verstand es die gebildete, schriftstellerisch nicht unbegabte, den Künsten ergebene Dame hervorragende Repräsentanten des englischen Geistesadels um sich zu sammeln, die nicht müde wurden, von dem Geschmacke und der Liebenswürdigkeit der Hausfrau zu schwärmen. Jakob sah mit Freuden den günstigen Eindruck, den Anna auf ihre Umgebung machte; er war auch gerne bereit sich von ihr in politischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Fragen beraten zu lassen, und die starke Neigung, die beide zum römisch-katholischen Glauben zog, hätte dazu beitragen können, die Bande zu stärken, die sie aneinander fesselten. Trotzdem wurde. die Verbindung, die einem Sinnenrausche des Herzogs ihren Ursprung dankte, im Laufe der Jahre eine recht unerquickliche. Jakob erlag den Lockungen der zahlreichen Frauen, die sich um die Gunst des mächtigen Mannes bewarben und Anna war viel zu temperamentvoll und leidenschaftlich, um die Ausschweifungen des Gatten, die sich immer erneuerten und einen immer bedenklicheren Charakter annahmen, ruhig zu dulden. Sie begann ihren Gemahl mit Bitten, Thränen und Klagen zu bestürmen; als diese nichts halfen, als Jakob immer offener Damen der Gesellschaft und der Bühne mit seiner Gunst erfreute, griff die Herzogin zu kräftigeren, schliesslich zu verbrecherischen Mitteln. Aber selbst auf diesem Wege gelang es ihr nicht, den Gatten an sich

zu fesseln. So blieb Anna nichts übrig, als gleiches mit gleichem zu vergelten. Glücklich wurde sie aber auch dann nicht. Als eine verbitterte, durch schweren Kummer gebeugte Frau suchte und fand sie in den letzten Lebensjahren Trost in den Lehren der katholischen Kirche, in deren Schoss sie im Jahre 1670 aufgenommen wurde1).

Schon wenige Wochen nach dem Tode Anna's hat sich Jakob ernstlich mit der Frage seiner Wiederverehelichung beschäftigt. Man wird sich hüten müssen sein Vorgehen ohne weiteres zu verurteilen. Zwingende politische Gründe sprachen für den baldigen Abschluss einer neuen Ehe. Katharina hatte ihrem Gatten noch kein lebensfähiges Kind geschenkt und nach dem Ausspruche der Ärzte war ein solches auch in Zukunft kaum zu hoffen. Jakob war der Thronfolger, aber auch er besass noch keinen männlichen Erben. Der Gedanke, dass die Krone Englands einst den Frauen des Hauses Stuart zufallen könnte, war kein erfreulicher. Die Zeiten waren hart, der Kampf zwischen dem Königtume, das die volle, absolute Herrschaft im Lande beanspruchte und dem Parlamente, das die Idee der Volkssouveränität vertrat, war von König Karl II. wieder aufgenommen worden und es schien den Vertretern des Absolutismus als ein wichtiger Faktor für den günstigen Ausgang dieser Fehde, dass die männliche Thronfolge im Herrscherhause sichergestellt werde. Diesem Wunsche dankte das Gerücht, König Karl wolle sich von seiner Gattin trennen und eine neue Ehe eingehen, ebenso seine Verbreitung, als jenes, er wolle, um die männliche Thronfolge im Hause Stuart zu ermöglichen, seinen. damals 22 jährigen natürlichen Sohn, Heinrich Herzog von Monmouth, legitimieren. Man wird es daher begreiflich finden, dass Jakob, zu dessen Ohren diese Gerüchte gedrungen waren, dem Gedanken seiner Wiederverehelichung, welche die Aussicht auf eine direkte, legitime männliche Nachkommenschaft eröffnete, alsbald nach dem Tode seiner Gattin Raum gab. Waren also politische Motive bei der Erörterung der prinzipiellen Frage ausschlaggebend, so haben Gründe religiöser Natur bei der Personenwahl bestimmend mitgewirkt. Jakob war zur Zeit, da seine Gattin starb, noch nicht offen zum Katholizismus übergetreten, allein er hatte schon kurz vorher den Versuch gemacht auf dem Wege der Dispensation die Aufnahme in die römisch-katholische Kirche ohne förmliche Lossagung von der anglikanischen zu erlangen, und als dieser Plan an der entschiedenen Weigerung des befragten Jesuiten und des Papstes gescheitert war, hatte er seine Bestrebungen darauf

1) Über Anna Hyde ist der Artikel der,National Biography und die dort verzeichnete Literatur zu vergleichen.

gerichtet, seinen offenen Übertritt zum Katholizismus vorzubereiten. In diesem Punkte eines Sinnes mit seinem königlichen Bruder hatte Jakob, der die einem solchen Plane feindselige Stimmung der meisten Engländer kannte und sich gegen deren vorauszusehende Opposition der Unterstützung des mächtigen Franzosenkönigs versichern wollte, mehr als irgend ein anderer zum Abschlusse des Doververtrages beigetragen, der am 1. Juni 1670 geschlossen -- den offiziellen Übertritt der englischen Königsfamilie zur katholischen Kirche in nahe Aussicht stellte und Ludwig XIV. zur Unterstützung der Stuarts mit Geld und Truppen verpflichtete, falls sie bei diesem Beginnen auf den Widerstand ihres Volkes stossen sollten.

Wie von selbst ergab sich unter diesen Umständen für Jakob der Wunsch, bei der Wahl einer zweiten Gemahlin unter den katholischen Fürstenfamilien Umschau zu halten. Die Zahl der heiratsfähigen Prinzessinen aus den dabei in Betracht kommenden Häusern war keine so grosse, dass es auffallen könnte, wenn bei dieser Gelegenheit auch ein Mitglied der deutschen Linie des habsburgischen Stammes genannt wurde1), zumal der Wunsch der Stuarts in verwandtschaftliche Beziehungen zu dem angesehensten der europäischen Herrschergeschlechter zu treten, ein alter, und in London unvergessen war, wie eifrig Karl I., Jakobs Vater, am spanischen Hofe um die habsburgische Königstochter geworben hatte. Die Erzherzogin, um die es sich in dem vorliegenden Falle handelte, war die im Jahre 1653 geborene Claudia Felicitas, Tochter Ferdinand Karls, des vorletzten Herrschers der tirolischen Linie aus habsburgischen Stamme, und der Mediceerin Anna. Sie war 9 Jahre alt, als ihr Vater im jugendlichen Alter von 34 Jahren starb; ein Mann dem natürliche Anmut, Beredsamkeit und Lebensfrische nachgerühmt, von dem aber nicht behauptet werden kann, dass er die zur Leitung eines Staatswesens notwendigen Eigenschaften besessen habe2). Unter der Leitung ihrer ehrgeizigen3), begabten Mutter, welche

[ocr errors]

1) Im Jahre 1673 hat Ludwig XIV. als mögliche Anwärterinnen neben den beiden Prinzessinen von Modena Eleonore, der Tante und Marie Beatrice, der Schwester des regierenden Herzogs - die Prinzessin Maria Anna von Würtemberg, die verwittwete Herzogin von Guise, Nichte Ludwigs XIII. und die PfalzNeuburgerin Eleonore die später die dritte Gattin Leopolds I. wurde genannt. Dazu kam noch im Jahre 1671 neben Claudia Felicitas die Halbschwester Leopolds I. Maria Anna Josepha in Betracht.

2) Vgl. für die Regierung Ferdinand Karls und für die Zustände am Innsbrucker Hofe jener Zeit u. a. Egger, Gesch. Tirols II. Band. passim; Wolf, Lobkowitz 209 f. und Hirn J., Kanzler Biener und sein Prozess, passim.

3) Ein Wiener Hofmann äusserte sich 1673 dahin, Anna sei voller Geist und Feuer; eine, altera Catharina de Medici. Tagebucheintragung Es. Pufendorfs vom 19. Mai 1673. St. A.

die kunst- und luxusfreundlichen Tendenzen ihres Stammhauses in ihre neue Heimat übertragen und dem italienischen Elemente am Innsbrucker Hofe vermehrten Einfluss zu gewinnen verstanden hatte, wuchs Claudia Felicitas die ältere der beiden Töchter, die Ferdinand Karl zurückgelassen 1) am Innsbrucker Hofe auf; ein auffallend schönes, körperlich frühzeitig so entwickeltes Kind, dass Kaiser Leopold I., der die noch nicht 13 jährige Erzherzogin im Oktober 1665 sah, seinem Freunde von ihr als einer herrlich schönen Frau" berichtete, schon so gross als die alte Hofmeisterin Gräfin von Wagenberg, quod videtur quasi incredibile 2). Begreiflich daher, dass sie alsbald die Aufmerksamkeit aller jener Personen auf sich lenkte, die sich aus Neigung oder Beruf für ihre Vermählung interessierten und ebenso begreiflich, dass die ehrgeizige Mutter, die durch den vorzeitigen Tod ihres Gatten ihre einflussreiche Stellung eingebüsst und eine solche durch die Verheiratung ihrer Tochter wieder zu erlangen wünschte, mit ihrem Kinde hoch hinaus wollte.

"

Schon im Jahre 1664 war vom spanischen Hofe die Anregung ausgegangen, sie mit dem verwitweten Herzoge von Savoyen, Karl Emanuel II., zu vermählen3). Zwei Jahre später wurde von einer Seite die Verbindung der Erzherzogin mit Alfons v. Braganza vorgeschlagen1); während Franz von Lisola aus politischen Gründen dem Kaiser die Verheiratung der Claudia Felicitas - Leopold war nach dem Tode Ferdinand Karls Vormund der Erzherzogin geworden mit dem spanischen Thronprätendenten Don Juan, Philipps IV. natürlichem Sohne, empfahl). Allein alle diese Vorschläge stellten sich, kaum dass sie gemacht worden waren, als undurchführbar heraus. Im Jahre 1668 versuchte dann Karl II. von England die Vermählung Dom Pedro's von Portugal mit Claudia Felicitas zu Stande zu bringen und Kaiser Leopold zeigte sich gern bereit diesen Plan zu fördern, der ihm aus privaten und öffentlichen Ursachen zusagte. Diesmal war es Ludwig XIV., der aus naheliegenden Gründen das Zustandekommen dieser Ehe ver

1) Die jüngere Tochter Maria Magdalena starb 1669; Vgl. Privat briefe Leopolds I. an Pötting. (F. r. a. LVI. LVII.) I. 166. Anm. 5 und II. 9 und 11. Anm. 4.

2) Leopold an Poetting d. d. Innsbruck 6. Okt. 1665, Privatbriefe 1. c. I. 165; Wagner, Hist. Leopoldi Magni I. 319 berichtet, Leopold habe damals gesagt, , felicem maritum, cui Felicitas obtingeret".

3) Poetting an Leopold d. d. 14. März 1664; Privatbriefe 1. c. I. 51 Anm. 1. 4) Vgl. das Schreiben Poettings d. d. 3. Dez. 1665; Privatbriefe 1. c. I. 191

Anm. 1 und Leopolds Antwort vom 6. Jan. 1666; ebenda I. 189.

5) Vergl. das Schreiben Poettings d. d. 4. Juni 1666; ebenda 1. c. I. 228 Anm. 1.

« PrethodnaNastavi »