Slike stranica
PDF
ePub

Das Forschungsgebiet Sickels knüpfte seitdem enge an die päpstlichen Archive an. Das Istituto setzte zunächst beim Mittelalter ein. In gemeinsamer Arbeit wurden die Register für die Habsburger Geschichte ausgebeutet. Šickel selber lieferte 1889 auf Grundlage des wieder zugänglichen vatikanischen Codex eine abschliessende Ausgabe des Liber diurnus. Teils in der etwas gequälten lateinischen Vorrede, ausführlich in den beiden in den Akademieschriften veröffentlichten Prolegomena erweist er in gewohnter Umsicht das Alter der Handschrift und bringt die überaus schwierigen Fragen nach der Entstehung und Bedeutung dieser ebenso wichtigen als umstrittenen Quelle in neue und in Hauptpunkten sicher richtigere Beleuchtung. Auch diesmal war es ein äusserer Umstand, welcher ihn leider veranlasste, die weiteren Erörterungen nicht mehr zu publizieren, nämlich die angekündigte aber bisher nicht erfolgte Veröffentlichung einer neu aufgetauchten Handschrift des Formelbuches.

Bessere Übersicht über die Bestände des vatikanischen Archivs ergab als das dankbarste Arbeitsfeld die neuere Zeit. Sickel entschloss sich die Nuntiaturberichte des XVI. Jahrhunderts aus Deutschland, also auch aus Österreich sammeln zu lassen. Da aber auch das preussische und das Institut der Görresgesellschaft den gleichen Plan gefasst und mit dessen Verwirklichung schon begonnen hatten, so verständigten sich die drei Anstalten im Jahre 1891 zu gemeinsamer Herausgabe. Sickel wählte die Zeit Pius IV. und V. wegen des Trientner Konzils, mit dem er sich schon vor Jahrzehnten beschäftigt hatte. In den erregten Jahren 1870-72 hatte er die von ihm gefundenen Reformentwürfe Ferdinands I. nebst der Korrespondenz der kaiserlichen Legaten und reichem Kommentar herausgegeben. „Denn wer aus neuer Quelle schöpft, soll sie auch möglichst ausschöpfen und andern Forschern nochmalige Durchsicht ersparen".

Mit dieser Epoche wollte er also wieder einsetzen. Und während das Material für die Nuntiaturberichte in und ausser Rom gesammelt und durch seinen Schüler Steinherz bearbeitet wurde, verwirklichte Sickel mit Hilfe der Wiener Akademie einen weitern sehr fruchtbaren Gedanken: die Veröffentlichung der Korrespondenz, welche die Legaten in den entscheidenden letzten Jahren des Trientner Konzils führten. Sie erst gibt die richtige historische Erklärung für die offiziellen Aktenstücke, welche die Görresgesellschaft ediert, den Schlüssel für die Umstände, unter welchen diese Beschlüsse zustande kamen. Die Verarbeitung des nach seinem Plan und unter seiner tätigen Mitwirkung gesammelten Stoffes übertrug er seinem Schüler Susta.

Weit über das spezielle Thema hinaus reicht die Bedeutung der in Sickels römischen Berichten I.-V. niedergelegten Erörterungen über Existenz, Beschaffenheit und Zusammenhang der für diese Publikationen zu durchforschenden Quellen, sie bauen sich ganz Sickels Eigenart entsprechend auf eindringlicher Darlegung des ganzen Geschäftsganges auf. Er hat seine Untersuchungen über Urkundenwesen und Kanzlei auf das neugeschichtliche Aktenmaterial, also auf verwandte archivalische Quellen übertragen. Auf solche Weise gelang es ihm den ganzen in Frage kommenden Quellenstoff zu sammeln, den kritischen Wert der einzelnen Bestände klarzulegen. Es ist mit Recht hervorgehoben worden, dass er hier ein Muster bot, wie neuzeitliche Geschichtsforschung betrieben werden muss, wenn man zu abschliessenden Quellensammlungen und zu erschöpfenden Darstellungen gelangen will, und die Vergeudung von Kraft und Zeit aufhören soll, die dadurch entsteht, dass oftmals der spätere Forscher nicht genau weiss, wie vollständig ein Vorgänger das Material gekannt und auch ausgeschöpfthat. Nochmals zeigt sich Sickel in diesen letzten Arbeiten als den grossen Meister der Kritik.

Im J. 1901 zog er sich vollständig in den Ruhestand nach Meran zurück. Andauernde geistige Arbeit vermochte er nicht mehr zu leisten. Aber das Interesse an Wissenschaft, an seinen Schöpfungen, an Politik, an allem Lebenswerten behielt er ungemindert. Sein Auge leuchtete noch in angeregtem Gespräch, wie ihn Krämers Porträt von 1905 darstellt. In solcher Verfassung trafen ihn die Glückwünsche zu seinem 80. Geburtstag, so zahlreich und so herzlich, wie er sie nicht erhofft hatte. Es war der letzte helle Sonnenstrahl, den er an der Seite seiner zärtlich geliebten Gattin genoss, er war nun weich und mild geworden. Tief rührte ihn die dankbare Verehrung der Schüler und Schülers-Schüler. Mit Genugtuung blickte er auf sein gewaltiges, fruchtstrotzendes Lebenswerk zurück, das er allüberall anerkannt sah. Seine Fachgenossen hatten ihn längst mit allen Ehren überschüttet, auch staatliche Auszeichnungen blieben ihm nicht versagt, ihm der ein begeisterter Deutscher und ein so treuer Österreicher war.

Wie er schuf und wirkte, so wird er in der Geschichte fortleben, als einer der grössten Forscher unserer Alma mater, uns besonders teuer als der geistige Gründer unserer Anstalt.

E. v. Ottenthal,

[ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][graphic][graphic]
« PrethodnaNastavi »