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12. Jahrhunderts und am Beginn des 13. Jahrhunderts habe der Landesfürst die Machtfülle seiner Landrichter eingeschränkt zu Gunsten von weltlichen wie geistlichen Grossen 1). Im zwölften Jahrhundert wurden die niederen Befugnisse der Landgerichtsbarkeit zahlreich an den hohen Adel in Niederösterreich durch landesfürstliche Übertragung verliehen. Wie weit das schon vor dem Privilegium Minus von 1156, das die Exemtionsgewalt des Königs zugunsten des Landesfürsten beseitigte, der Fall gewesen ist, entziehe sich unserer Kenntnis. Mag auch hie und da der Markgraf von Österreich Teile seiner richterlichen Machtbefugnis preisgegeben haben, im großen Stile setzen diese Verleihungen erst im 12. Jahrhundert ein, seitdem der Herzog von Österreich als selbständiger Territorialherr mehr wie früher auf seinen Adel und dessen Steuer- und militärische Kraft angewiesen war. Dann aber mußte gerade der neue Territorialherr dafür sorgen, daß sein Adel landsässig blieb, und das erreichte er am besten dadurch, daß er ihm Teile seiner Gerichtsbarkeit zu Lehen gab."

So hatte der Hochadel die volle Niedergerichtsbarkeit auf seinen Gütern erlangt. Am Ende des 13. Jahrhunderts war diese Entwicklung zum Abschluß gekommen, wesentlich gefördert durch das österreichische Interregnum von 1246 bis 1282."

In Konsequenz dieser Auffassung betont Osswald dann noch speziell: Nur auf den Gütern, für die er ein besonderes Privileg besass, stand dem Hochadel diese Niedergerichtsbarkeit zu2).

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen grundherrlicher Gerichtsbarkeit und Dachtraufengerichtsbarkeit des Hochadels bestand nicht. Regelmässig wurden die neuen Rechte der Landherrn erlangt durch landesfürstliche Übertragung; diese landherrliche Gerichtsbarkeit“, wie man sie auch nennen könnte, ist durchaus öffentlich-rechtlichen Ursprungs, d. h. sie entstammt den von der Staatsgewalt ausgeübten Rechten 3).

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Die Dorfgerichtsbarkeit aber ist nach Osswald qualitativ der Dachtraufengerichtsbarkeit des Hochadels gleich" (Niedergerichtsbarkeit)). Sie kommt ebenso wie jene durch Übertragung seitens des

1) A. a. O. S. 17. Das folgende S. 19. Die hervorgehobenen Stellen sind von mir gesperrt.

2) A. a. O. S. 20 N. 1.

3) Ebda. S. 21.

4) Ebda. S. 30.

Landesfürsten zustande und ist daher gleichfalls öffentlich-rechtlichen Ursprunges 1).

Man sieht, das ist die Theorie, welche früher schon v. Luschin, allerdings viel kürzer und vorsichtiger vorgetragen hatte. Ich habe, als ich die landesfürstlichen Urbare Ober- und Niederösterreichs aus dem 13. und 14. Jahrhundert veröffentlichte 2), dagegen Bedenken erhoben und auf eine Reihe urkundlicher Belege kurz hingewiesen, aus denen mir hervorzugehen schien, daß die Dorfgerichtsbarkeit in Niederösterreich , aus der grundherrlichen abzuleiten sei. Ich ergreife nun gern die Gelegenheit, meinen Standpunkt gegenüber den Einwendungen Osswalds näher zu begründen, als es dort zulässig war.

Vor allem muß festgestellt werden, dass die Osswald's Theorie zur Grundlage dienenden Annahmen über das Zustandekommen der Niedergerichtsbarkeit des weltlichen Hochadels in Niederösterreich, jedweder quellenmässigen Begründung entbehren und durchaus bloss eine Kombination Osswald's darstellen. Es konnte bis jetzt keine einzige Urkunde nachgewiesen werden, durch welche der Landesfürst an einen weltlichen Grundherrn jene Niedergerichtsbarkeit verliehen oder übertragen hätte, es ist bisher kein landesfürstliches Exemtionsprivileg für den weltlichen Hochadel bekannt geworden. Die einzige Urkunde, auf welche sich v. Luschin und dann auch Osswald stützen, jene Herzog Albrechts I. für Ulrich von Capellen vom Jahre 1284 3) beweist dafür gar nichts, wie eine genaue Analyse ihres Inhaltes und der ihrer Ausfertigung zugrunde liegenden Verhältnisse dartut. Es handelt sich da nämlich nicht um die Neuverleihung, sondern um die Bestätigung bereits hergebrachter Rechte und auch nicht um jenes der Niedergerichtsbarkeit allein; an erster Stelle erscheint vielmehr die Zoll- und Mautfreiheit für alle Lebensmittel zu Wasser und zu Lande. Damit ist zugleich auch die Beziehung auf ältere Privilegien, durch welche diese Rechte erworben wurden, hinreichend erklärt. Daß sich Ulrich von Capellen, der übrigens vorwiegend in Oberösterreich begütert war, damals gerade diese Bestätigungurkunde ausstellen liess, hängt sicherlich mit den großen Gütererwerbungen zusamen, die er kurz vorher eben im Machlande, also ausserhalb Niederösterreichs, gemacht hatte. Ich komme darauf noch später in anderem Zusammenhange zurück. Hier genügt es zu konstatieren, dass wir über die Art der Erwerbung der Nieder

1) A. a. O. S. 35.

2) Österr. Urbare I. 1 (1904) Einl. p. CXXXII.

3) v. Schwind-Dopsch, Ausgew. Urk. z. VG. d. österr. Erblande im M. A. Nr. 71.

gerichtsbarkeit durch die weltlichen Grundherren in Niederöstereich tatsächlich nichts Bestimmtes wissen. Sollten denn, wenn diese Verleihungen seitens des Landesherrn seit dem 12. Jahrhundert im grossen Stile" eingesetzt hätten, wie Osswald meint, alle darüber ausgefertigten Urkunden gerade hier verloren gegangen sein, während doch bei den geistlichen Grundherren jene so wertvollen Immunitätsbriefe sorgfältigst bis auf unsere Tage aufbewahrt wurden? Mit anderen Worten: Eben dieser Tatbestand der urkundlichen Überlieferung, der gewiss nicht zufällig so geartet ist, legt die Annahme nahe, dass jene Rechte auf andere Weise, nicht durch landesfürstliche Privilegierung, erlangt worden sind.

Luschin hatte sich, wie bereits bemerkt, vorsichtiger ausgedrückt. Er bezeichnete nämlich das Dorfgericht als jenen Teil der öffentlichen. Gerichtsbarkeit, welcher im Wege des Gewohnheitsrechtes und der Exemtionsprivilegien dem Landrichter entzogen und dem Immunitätsherrn zur Ausübung übertragen wurde 1). Er hielt also neben den Exemtionsprivilegien noch eine andere Erwerbsart für möglich, auf dem Wege des Gewohnheitsrechtes, d. h. also die tatsächliche Übung dieser Befugnisse.

Und eben in diesem Sinne hat Luschin auch die bekannte Stelle des österreichischen Landrechtes (Art. 46) interpretiert 2), nach welcher den Gütern der oberen Standesklassen (Grafen, Freien und Ministerialen) die Exemtion vom Landrichter ganz allgemein zuerkannt erscheint. Im Wege des Herkommens sei dieses Recht zustande gekommen. Man sieht, Luschin wurde sich bewusst, daß für eine andere Annahme die Quellen mangelten...

Nun aber die Dorfgerichtsbarkeit. Sie ist ähnlich wie diese Dachtraufengerichtsbarkeit des Adels auch Niedergerichtsbarkeit innerhalb eines vom Landgericht eximierten Gebietes (Dorfgasse, bezw. Dorfflur). Wie ist diese zustande gekommen? Eine Reihe von Urkunden lässt uns da Einblick gewinnen. Osswald führt als älteste Erwähnung von Dorfgerichtsbarkeit in Niederösterreich eine Urkunde Herzog Leopolds V. für das Stift Klosterneuburg aus dem Jahre 1179 au. Er hat sie freilich recht oberflächlich behandelt. Bei etwas gründlicherer Forschung hätte er wohl weniger sicher geurteilt. Osswald hat sich nämlich um die Frage der Überlieferung gar nicht gekümmert. Er urteilt bloss nach einem Zitat bei Brunner 3) unter Verweis darauf, daß das Stück sich im Urkunden

1) A. a. O. S. 159/60.

2) Ebda. 180.

3) Das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger Sitz. Ber. der Wiener Akad. 47, 348.

buche des Stiftes nicht finde 1). Zudem hat er auch die wertvollen Zusammenstellungen, die G. Winter zur Sache geboten hat 2), ganz übersehen. Nun, das Stück ist uns urkundlich überhaupt gar nicht überliefert, sondern es liegt bloss eine Traditionsnotiz vor, wie aus dem Abdruck des Traditionsbuches deutlich zu ersehen ist 3). Das mindert allein schon die Zuverlässigkeit des Textes. Zudem hatte schon Brunner Bedenken geäussert. Der Wortlaut ist ganz ungewöhnlich: dux . . . indulsit ęcclesię omnem sui iuris iusticiam, seculare videlicet et forense iudicium in tribus villis... Herr Dr. Oskar Freiherr von Mitis, der eine kritische Neuausgabe der Babenberger Urkunden vorbereitet, teilt mir mit, dass man in der Verwertung der Klosterneuburger Traditionsnotizen äusserst vorsichtig sein müsse, da dort, wo mehrere Aufzeichnungen über eine Sache erhalten sind, „Belege für höchst einseitige Darstellung durch den Empfänger" nachzuweisen seien.

Aber ganz abgesehen von all diesen Bedenken: Osswald hat auch das Rechtsverhältnis des Herzoges zu diesen Dörfern gar nicht untersucht. Die Babenberger waren da zugleich Grundherren; schon früher hatte Leopold IV. Güter daselbst an das Stift geschenkt 4) und außerdem waren sie Erbvögte desselben 5) Es kann sich also in diesem Falle sehr wohl auch um Rechte handeln, die Leopold als Grundherrn oder Erbvogte, nicht aber als Landesfürsten an jenen Dörfern zustanden 6). Mit anderen Worten: dieses Stück ist ganz und gar nicht geeignet, etwas für die Entstehung der Dorfgerichtsbarkeit durch landesfürstliche Privilegierung zu beweisen.

Auf die zweitälteste, Osswald bekannt gewordene Urkunde, habe ich seinerzeit hingewiesen. Derselbe Herzog schenkt 1187 dem Kloster Heiligen-Kreuz,omne ius et debitum, quod me contingebat in loco ... Minkendorf, quem predicti fratres . . . de grangia in villam redegerunt“. Ich habe diese Urkunde als ein Immunitätsprivileg seitens des Vogtes bezeichnet, dem bisher die Gerichtsbarkeit über die Konversen auf jenem geistlichen Gute zustand" 7). Osswald bestreitet meine Interpretation und ruft pathetisch aus: Ich verstehe nicht, wie Dopsch hier von Vogtei sprechen kann. Wo steht in der Urkunde, daß der Landes

1) A. a. O. S. 34.

2) Österr. Weisthümer 8, 66 n.

3) Font. rer. Austr. II. 4, 117 Nr. 540.

4) Vgl. G. Winter a. a. O. 8, 67 n.

5) Vgl. z. B. Font II. 4, 38 Nr. 186.

6) Sollte vielleicht das hier absolut unmögliche forense ein Schreibefehler für foitense sein? Paleographisch läge das nahe.

7) Österr. Urbare I. 1. Einl. p. CXXXIII.

fürst als Vogt dieses Privileg gegeben habe? Der Landesfürst verzichtet auf seine Rechte und Einkünfte im Orte M. . . .

1).

Sachte, Sachte! Auch hier scheint Osswald nur oberflächlich orientiert zu sein. Das predium Minkendorf hatte c. 1150 der Babenberger Herzog Heinrich von Bayern (Jasomirgott) und dessen Bruder Konrad, Bischof von Passau, ad construendas officinas Sancte Crucis zunächst in die Hand Adelberts, Vogts von Perg, geschenkt, der es dann dem Kloster tradierte 2). Es befand sich also schon seit längerer Zeit im Besitze des Klosters und war wie das übrige Gut desselben auch der Exemtion vom Landgerichte bereits teilhaftig. Es kann sich also hier weder um eine Schenkung von Einkünften noch um die Exemtion vom Landgericht handeln. Dass wir an die Auflassung privater Rechte dabei zu denken haben, geht wohl deutlich aus dem Eingang der Urkunde hervor, wo der Aussteller ausdrücklich die Zustimmung nicht nur seiner Gemahlin, sondern auch des Bruders hervorhebt 3). Es dürften sonach unter dem omne ius et debitum Leopolds Vogteirechte zu verstehen sein. Leopold war tatsächlich Erbvogt des Klosters 4). Verzichtete Leopold auf Vogteirechte, dann wird auch verständlich, warum der Zustimmung seiner Gemahlin und seines Bruders besonders gedacht wird. Es handelte sich eben um eine Erbvogtei des Babenberger Hauses, nicht um ein dem Landesfürsten als solchem zustehendes Recht,

Der Rechtsinhalt dieser Urkunde ist aber damit noch nicht erschöpft. Nach der Auflassung seiner privaten Vogteirechte will Leopold zugleich dem Kloster Sicherung vor widerrechtlicher Anmassung von Gerichtsrechten in dem neuen Dorfe gewähren und deshalb spricht er zugleich die Entvogtung aus. Der Kontext der Urkunde weist durchaus das typische Formular solcher Entvogtungsprivilegien auf. Das kann Leopold freilich nur kraft seiner Eigenschaft als Landesfürst verfügen. Aber hat denn Osswald, der auch daran Anstoß nimmt, dass ich Leopold hier in verschiedenen Eigenschaften handelnd auftreten lasse, noch niemals beobachten können, dass solches gerade in laudesfürstlichen Urkunden häufig der Fall ist? Sollte Leopold deshalb etwa zwei Urkunden ausstellen, die eine als Privatmann, die andere als Landesfürst? Ich glaube, meine seinerzeit gegebene Interpretation erweist sich bei näherem Zusehen als stichhältig. Vielleicht wird jetzt

1) A. a. O. S. 35 n. 1.

2) Font. II. 11, 6.

3) Ebda. 17: cum consilio et assensu dilecti fratris mei Heinrici et dilecte coniugis mee Helene donavi. . . .

4) Vgl. die Urk. desselben vom J. 1178 Ebda, S. 11.

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