auch Osswald verstehen, dass in dieser Urkunde von einer Verleihung der Niedergerichtsbarkeit an das Kloster nicht die Rede sein kann. Die besass es ja längst kraft seiner Immunitätsrechte 1). " Als dritten und letzten (!) Beleg für seine Auffassung führt Osswald noch eine Urkunde K. Rudolfs für Passau vom Jahre 1277 an. Sie stelle jenen andern Typus dar, bei dem es sich zwar nicht um die Übertragung der Niedergerichtsbarkeit an die Eigentümer neu entstandener Dörfer handle, wohl aber um Verleihung oder Verschenkung ganzer Dörfer mit der Gerichtsbarkeit seitens des Landesfürsten“ 2). Also immerhin auch da Übertragung des Dorfgerichtes durch die öffentliche Gewalt. Das Dorf, um das es sich da handelt — Gaisruck war seit Alters Lehensgut der österreichischen Landesfürsten vom Bistume Passau. Dementsprechend erscheint es, ohne dass freilich dieses seines Charakters gedacht würde, in den landesfürstlichen Urbaren verzeichnet3). Im Jahre 1277, zur Zeit, als kein besonderer Landesherr existierte, sondern der König Österreich in eigener Verwaltung hielt, wurde neben anderen Lehensstücken auch dieses Gut aus seinem bisherigen Rechtsverhältnis ausgeschieden und dem Passauer zu Dominicale überwiesen. Das Dorf wird mit allem Zugehör, darunter auch dem Dorfgericht geschenkt: ac aliis quibuscunque, que ibidem ad terre principem pertinebant 4). Gerade das Gegenteil also von dem, was Osswald damit beweisen wollte, ergibt sich daraus. Der Landesfürst kommt hier durchaus als Grundherr von Gaisruck in Betracht. Alles, was er dort besass, wird Passau geschenkt. Das Dorfgericht wird in den lf. Urbaren gar nicht, in der Urkunde aber lediglich bei Aufzählung der zu diesem lf. Kammergute gehörigen einzelnen Pertinenzen erwähnt. Dem Landesherrn eignete nach dem klaren Wortlaut dieser Urkunde das Dorfgericht eben hier, an dem bestimmten Orte (ibidem), aber nicht überall. Über das Zustandekommen des Dorfgerichtes in Gaisruck wissen wir gar nichts; möglicherweise hat es Passau schon besessen, bevor das Dorf an die Babenberger zu Lehen gegeben wurde. Sicherlich hatte das Bistum damals schon Immunitätsrechte dort gehabt. 1) Man beachte auch den Wortlaut der Urkunde, wo es im Anschluss an die oben wiedergegebene Stelle weiter heisst: sed talem pacem idem locus et tranquillitatem obtineat, qualem prius habebat, quando conversi ibi habi tabant. 2) A. a. O. S. 36. 3) Vgl. Österr. Urbare I. 1, 18 Nr. 43. 4) v. Schwind-Dopsch a. a. O. S. 118. Wir sehen rückschauend: Tatsächlich vermag Osswald keinen einzigen Beleg dafür anzuführen, dass das Dorfgericht durch Übertragung seitens des Landesherrn entstanden sei. Der Landesherr tritt in all' den angeführten Fällen, soweit es sich um das Dorfgericht handelt, vielmehr lediglich als Inhaber privater Rechte auf, zu welchen auch das Dorfgericht gehört (Grundherr, bezw. Erbvogt). Für den öffentlich-rechtlichen Ursprung desselben besagen diese Urkunden in Wirklichkeit nichts. Ganz unzweifelhaft ist der Ursprung des Dorfgerichtes in jenen Fällen zu fassen, wo das Dorf auf einem einheitlichen Grundeigentum erwachsen ist. Für diese gibt Osswald selbst zu, dass seine Annahmen. da nicht zutreffen. Da hatte der Herr neben der Grund- auch von jeher die Dorfgerichtsbarkeit 1). Somit ist in einer ganzen Anzahl von Dörfern die Dorfgerichtsbarkeit jedenfalls ohne Verleihung oder Übertragung durch die öffentliche Gewalt tatsächlich in Ausdehnung der grundherrlichen Rechte entstanden. Osswald geht darüber ziemlich rasch hinweg. Der zweite häufigere Fall ist der, dass in dem Dorfe verschiedene Herren begütert waren. Osswald stellt sich auch da die Sachlage doch wieder etwas zu einfach vor. Da sei die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse das Entscheidende gewesen. Diejenige von den verschiedenen Herrschaften im Dorfe gelangte zur Dorfobrigkeit, die die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse erworben hatte" ). Wir sind über das Gericht auf der Dorfgasse in Niederösterreich noch recht ungenügend unterrichtet 3). Jedenfalls hat dasselbe für die Entstehung einer einheitlichen Dorfobrigkeit eine wichtige Bedeutung gehabt. Auf Strassen und Plätzen, soweit sie öffentliche waren, hatten ja die Grundherrn als solche von vornherein keine Gerichtsbarkeit. Ihr Schutz, ebenso wie die Judikatur über die hier begangenen Verbrechen und Vergehen oblag der öffentlichen Gewalt, dem Landesherrn, bezw. den von ihm bestellten Landrichtern. Osswald nimmt nun an, dass der Landesfürst diese Gerichtsbarkeit seinem Landrichter entzogen und einer bestimmten Herrschaft im Dorfe übertragen habe, die damit zur Dorfobrigkeit wurde 4). Zur Unterstützung dieser Annahme wird nur eine Urkunde vorgebracht. Aber was ist aus ihr tatsächlich zu entnehmen? Herzog 1) A. a. O. S. 41. 2) A. a. O. S. 39, 3) Vgl. Ebda. n. 1. 4) Ebda. S. 38. Albrecht I. beurkundet darin 1) die auf Anfrage des Abtes von Heiligenkreuz zu Wien im Landtaiding durch die Landherrn erfolgte Rechtsweisung hinsichtlich der Gerichtsbarkeit auf öffentlichen Strassen und Plätzen in jenen Dörfern, wo dem Abte, bezw. Kloster die Niedergerichtsbarkeit zustand. Das Weistum geht dahin, dass in solchen Dörfern dem Abte die Niedergerichtsbarkeit nicht nur auf dem Eigengute des Klosters, sondern auch auf den öffentlichen Plätzen und Strassen zustehe, Osswald scheint den Inhalt dieser Urkunde nicht verstanden zu haben. Es handelt sich hier ja gar nicht um eine Übertragung der Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse. Es wird gar kein neues Recht geschaffen, sondern ein gerichtliches Urteil durch den Abt darüber provoziert, was in den erwähnten Fällen Rechtens sei. Somit ergibt sich im Gegensatze zu der von Osswald daraus gezogenen Schlussfolgerung die Tatsache, dass die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse hier als eine Pertinenz jener in fundo proprio angesehen wurde. Und dafür lassen sich nun auch noch weitere Zeugnisse nachweisen. Osswald hat sie freilich, wie es scheint, wieder ganz übersehen. Wie sind denn, wenn das Gericht auf der Dorfgasse als ein besonderes Recht angesehen wurde 2), jene Fälle zu erklären, wo mehrere Grundherrn sich im Besitze desselben befanden? Nicht nur zwei, auch vier solche Inhaber des Gerichtes auf der Gasse kommen gelegentlich in einem Dorfe vor3). War die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse das Charakteristikum für die Dorfherrschaft 4), und lässt sich eine Mehrheit von Grundherren im Besitze dieser in einem Dorfe nachweisen, wie ist alsdann die Grundannahme Osswalds möglich, dass diejenige von den verschiedenen Herrschaften im Dorfe zur Dorfobrigkeit gelangte, die die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse erworben hatte * 4). 5) Font. rer. Austr. II. 11, 232: nobis provinciali iudicio presidentibus ... abbas... coram nobis per sententiam inquirere petiit et rogavit, utrum in villis aliquibus. in quibus iudicium sive iudicandi auctoritas sibi et suo monasterio attineret, de universis et singulis causis in ipsis villis emergentibus non solum in fundo monasterii proprio, verum etiam in stratis sublicis et plateis dictus abbas vel suus officialis haberet cognoscere. 2) A. a. O. S. 38. 3) Vgl. Österr. Weisthümer 8, 3: die h. v. Wolckherstorff u. die brüder von den predigern zu Wienn haben panthäding mit einander in gleicher weiss zu besitzen u. ein ieder panherr.... auch zu gebieten von ainem gemerk zu dem andern und sonderlich auf der gassen. Ebda. 361: Zum andern, das alhie zu Stetten das nidergericht zu haus velt weingarten und auf der gassen allein obgemelten vier herrn und herrscheften... gehört und zusteht ... 4) Osswald a. a. O. 39. Diese Annahme ist unhaltbar; mit ihr fällt aber auch die These, dass die Dorfgerichtsbarkeit auf der Übertragung durch den Laudesfürsten beruht habe. Vielmehr wird schon durch die bisherigen Ausführungen die Vermutung nahegelegt, dass sie mit der Grundherrschaft in nächster und engster Beziehung stehe. Und das eben ergibt sich unzweideutig aus einer ganzen Reihe von Urkunden, welche uns von dem ältesten Auftreten des Dortgerichtes Nachricht vermitteln. Ich hatte auf einen Teil davon bereits früher hingewiesen, als ich bei der Ausgabe der landesfürstlichen Urbare Österreichs über das Dorfgericht handelte 1). Leider hat Osswald diese Belege keiner näheren Untersuchung wertgehalten. Er hätte sonst nicht eine für diese ganze Frage grundlegende Tatsache übersehen können. Sie ist allerdings auch v. Luschin entgangen. Das ist die besondere Stellung des sog. Freien Eigen. Ich hatte schon darauf aufmerksam gemacht, dass in den Urkunden vom Ausgange des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts das Dorfgericht zugleich mit dem Grund und Boden veräussert wird, ja geradezu als Pertinenz desselben erscheint 1). Osswald wollte nun diese Sachlage so erklären, dass die vom Landesfürsten herrührende Gerichtsbarkeit genau wie andere Hoheitsrechte, sobald sie dem König oder Landesfürsten verloren gegangen waren, von dem neuen Besitzer privatrechtlich behandelt wurden 2). Er will nur zugeben, dass nach diesen Urkunden die Dorfgerichtsbarkeit vollständig wie Eigentum behandelt wurde“ 2), über den Ursprung derselben aber nichts daraus zu entnehmen sei.. Allerdings muss sich Osswald anderseits doch auch wieder gestehen, dass die Institution der Banntaidinge, welche „gleich mit dem Auftreten der neuen Dorfgerichtsbarkeiten" erscheint, alsbald „privatrechtlich behandelt worden sei 3). " Soweit wir die Entwicklung urkundlich zurückverfolgen können, erscheint das Dorfgericht und Banntaiding privatrechtlich behandelt“, ,wie Eigentum". Ja, war es dies vielleicht von allem Anfang an, seiner rechtlichen Natur nach gar selbst? Das Auftreten des Dorfgerichtes als einer Pertinenz von Grund und Boden bei Veräusserungen von solchen in den Urkunden ist nicht zufällig, sondern durch die rechtliche Natur des Freien Eigens bedingt. Als regelmässig wiederkehrender Bestandteil der Pertinenzformel wird da aufgezählt: mit. 1) Österr. Urbare I. 1, Einl. p. CXXXII. 2) A. a. O. S. 45. 3) Ebda. S. 51. dem dorfgericht und mit der vogtei 1). Es handelt sich dabei nicht etwa um ein gelegentliches Zusammentreffen; einzelne dieser Urkunden besagen ausdrücklich, dass Dorfgericht und Vogtei zum Inhalt des Freien Eigens gehören. Im Jahre 1284 verkaufte Irnfrid von Puchberg 8 Lehen und 3 Hofstätten im Dorfe Manshalm (Anshalms): cum omni iure, quod ex advocatia seu iudicio vel aliis, que ad liberam exceptive pertinent proprietatem, in ipsis bonis possedi. . .o). Und schon 1269 beurkundet Heinrich Graf von Hardegg dem von ihm gestifteten Kloster Meilan, dass er alle Güter geschenkt habe: cum omni iure proprietatis, advocacie ac iudiciorum, mit Vorbehalt bloss der Blutgerichtskarkeit (iudicio sanguinis) 3). Im J. 1270 aber verkaufte die Äbtissin dieses Klosters Meilan ein Pfund Einkünfte im Dorfe Hermannes cum omni iure proprietatis, advocatie ac iudicii villicani, sicut iuste possedimus et quiete an das Kloster Zwettl 4). Während nun in den letzteren zwei Fällen von Eigen schlechthin die Rede ist, weist die erste auf das Freie Eigen hin. Wir sind über den Rechtsbegriff des Freien Eigens heute für Österreich ziemlich gut unterrichtet. S. Adler hat sich eingehend damit beschäftigt 5), wenn ihm auch gerade diese Attribute desselben entgangen zu sein scheinen. Das Freie Eigen ist ein Gut, das niemandem pflichtig ist. Adler hat, wie mir scheint, sehr treffend auf den Zusammenhang mit dem älteren Stammgute hingewiesen. Es handelt sich um liegende Güter, die ursprünglich nur freien Herren zugänglich sind, allmählich aber, in Österreich bereits im 13. Jahrhundert, auch an Ministerialen übergehen und vererbt werden konnten. Nicht zunächst noch an Ritter. Aber bald, scheint es, ist auch da die Schranke durchbrochen worden, wie zwei Urkunden aus den Jahren 1312 und 1324 beweisen. Da veräussern auch Ritter Freies, bezw. rechtes Eigen mit derselben Rechtsqualität mit fogtay und mit dorfgericht 6). Wichtig ist die von S. Adler nachgewiesene Tatsache, dass das Freie Eigen in Österreich frühzeitig eine Differenzierung erfuhr, dadurch, dass es die Genossenschaft seiner Inhaber annahm. Man hat 1) Vgl. Font. rer. Austr. 3, 246 (1270); 259 (1306); 380 (1307); 672 (1324) u, a. m. 2) Ebda. 180. 3) Ebda. 6, 152. 4) Ebda. 3, 423. $) Zur Rechtsgesch. des adeligen Grundbesitzes (1902) S. 20 ff. 6) Font. rer. Austr. II 3, 596 (Otto der Tuchel): ebda. 672. (Dietreich der Guntramsdorfer). |