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Albrecht I. beurkundet darin1) die auf Anfrage des Abtes von Heiligenkreuz zu Wien im Landtaiding durch die Landherrn erfolgte Rechtsweisung hinsichtlich der Gerichtsbarkeit auf öffentlichen Strassen und Plätzen in jenen Dörfern, wo dem Abte, bezw. Kloster die Niedergerichtsbarkeit zustand. Das Weistum geht dahin, dass in solchen Dörfern dem Abte die Niedergerichtsbarkeit nicht nur auf dem Eigengute des Klosters, sondern auch auf den öffentlichen Plätzen und Strassen zustehe. Osswald scheint den Inhalt dieser Urkunde nicht verstanden zu haben. Es handelt sich hier ja gar nicht um eine Übertragung der Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse. Es wird gar kein neues Recht geschaffen, sondern ein gerichtliches Urteil durch den Abt darüber provoziert, was in den erwähnten Fällen Rechtens sei.

Somit ergibt sich im Gegensatze zu der von Osswald daraus gezogenen Schlussfolgerung die Tatsache, dass die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse hier als eine Pertinenz jener in fundo proprio angesehen wurde. Und dafür lassen sich nun auch noch weitere Zeugnisse nachweisen. Osswald hat sie freilich, wie es scheint, wieder ganz übersehen. Wie sind denn, wenn das Gericht auf der Dorfgasse als ein besonderes Recht angesehen wurde 2), jene Fälle zu erklären, wo mehrere Grundherrn sich im Besitze desselben befanden? Nicht nur zwei, auch vier solche Inhaber des Gerichtes auf der Gasse kommen gelegentlich in einem Dorfe vor3). War die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse das Charakteristikum für die Dorfherrschaft 4), und lässt sich eine Mehrheit von Grundherren im Besitze dieser in einem Dorfe nachweisen, wie ist alsdann die Grundannahme Osswalds möglich, dass diejenige von den verschiedenen Herrschaften im Dorfe zur Dorfobrigkeit gelangte, die die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse erworben hatte 4).

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5) Font. rer. Austr. II. 11, 232: nobis provinciali iudicio presidentibus ... abbas... coram nobis per sententiam inquirere petiit et rogavit, utrum in villis aliquibus. in quibus iudicium sive iudicandi auctoritas sibi et suo monasterio attineret, de universis et singulis causis in ipsis villis emergentibus non solum in fundo monasterii proprio, verum etiam in stratis sublicis et plateis dictus abbas vel suus officialis haberet cognoscere.

2) A. a. O. S. 38.

3) Vgl. Österr. Weisthümer 8, 3: die h. v. Wolckherstorff u. die brüder von den predigern zu Wienn haben panthäding mit einander in gleicher weiss zu besitzen u. ein ieder panherr .... auch zu gebieten von ainem gemerk zu dem andern und sonderlich auf der gassen. Ebda. 361: Zum andern, das alhie zu Stetten das nidergericht zu haus velt weingarten und auf der gassen allein obgemelten vier herrn und herrscheften... gehört und zusteht...

4) Osswald a. a. O. 39.

Diese Annahme ist unhaltbar; mit ihr fällt aber auch die These, dass die Dorfgerichtsbarkeit auf der Übertragung durch den Landesfürsten beruht habe. Vielmehr wird schon durch die bisherigen Ausführungen die Vermutung nahegelegt, dass sie mit der Grundherrschaft in nächster und engster Beziehung stehe.

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Und das eben ergibt sich unzweideutig aus einer ganzen Reihe von Urkunden, welche uns von dem ältesten Auftreten des Dorfgerichtes Nachricht vermitteln. Ich hatte auf einen Teil davon bereits früher hingewiesen, als ich bei der Ausgabe der landesfürstlichen Urbare Österreichs über das Dorfgericht handelte 1). Leider hat Osswald diese Belege keiner näheren Untersuchung wertgehalten. Er hätte sonst nicht eine für diese ganze Frage grundlegende Tatsache übersehen können. Sie ist allerdings auch v. Luschin entgangen. Das ist die besondere Stellung des sog. Freien Eigen. Ich hatte schon darauf aufmerksam gemacht, dass in den Urkunden vom Ausgange des 13. und Beginn des 14. Jahrhunderts das Dorfgericht zugleich mit dem Grund und Boden veräussert wird, ja geradezu als Pertinenz desselben erscheint 1). Osswald wollte nun diese Sachlage so erklären, dass die vom Landesfürsten herrührende Gerichtsbarkeit genau wie andere Hoheitsrechte, sobald sie dem König oder Landesfürsten verloren gegangen waren, von dem neuen Besitzer privatrechtlich behandelt wurden 2). Er will nur zugeben, dass nach diesen Urkunden die Dorfgerichtsbarkeit vollständig wie Eigentum behandelt wurde* 2), über den Ursprung derselben aber nichts daraus zu entnehmen sei.. Allerdings muss sich Osswald anderseits doch auch wieder gestehen, dass die Institution der Banntaidinge, welche gleich mit dem Auftreten der neuen Dorfgerichtsbarkeiten" erscheint, alsbald privatrechtlich behandelt" worden sei 3).

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Soweit wir die Entwicklung urkundlich zurückverfolgen können, erscheint das Dorfgericht und Banntaiding privatrechtlich behandelt", ,wie Eigentum". Ja, war es dies vielleicht von allem Anfang an, seiner rechtlichen Natur nach gar selbst? Das Auftreten des Dorfgerichtes als einer Pertinenz von Grund und Boden bei Veräusserungen von solchen in den Urkunden ist nicht zufällig, sondern durch die rechtliche Natur des Freien Eigens bedingt. Als regelmässig wiederkehrender Bestandteil der Pertinenzformel wird da aufgezählt: mit.

1) Österr. Urbare I. 1, Einl. p. CXXXII.

2) A. a. O. S. 45.

3) Ebda. S. 51.

dem dorfgericht und mit der vogtei 1). Es handelt sich dabei nicht etwa um ein gelegentliches Zusammentreffen; einzelne dieser Urkunden besagen ausdrücklich, dass Dorfgericht und Vogtei zum Inhalt des Freien Eigens gehören. Im Jahre 1284 verkaufte Irnfrid von Puchberg 8 Lehen und 3 Hofstätten im Dorfe Manshalm (Anshalms): cum omni iure, quod ex advocatia seu iudicio vel aliis, que ad liberam exceptive pertinent proprietatem, in ipsis bonis possedi. . .2). Und schon 1269 beurkundet Heinrich Graf von Hardegg dem von ihm gestifteten Kloster Meilan, dass er alle Güter geschenkt habe: cum omni iure proprietatis, advocacie ac iudiciorum, mit Vorbehalt bloss der Blutgerichtskarkeit (iudicio sanguinis)3). Im J. 1270 aber verkaufte die Äbtissin dieses Klosters Meilan ein Pfund Einkünfte im Dorfe Hermannes cum omni iure proprietatis, advocatie ac iudicii villicani, sicut iuste possedimus et quiete an das Kloster Zwettl 4).

Während nun in den letzteren zwei Fällen von Eigen schlechthin die Rede ist, weist die erste auf das Freie Eigen hin. Wir sind über den Rechtsbegriff des Freien Eigens heute für Österreich ziemlich gut unterrichtet. S. Adler hat sich eingehend damit beschäftigt 5), wenn ihm auch gerade diese Attribute desselben entgangen zu sein scheinen. Das Freie Eigen ist ein Gut, das niemandem pflichtig ist. Adler hat, wie mir scheint, sehr treffend auf den Zusammenhang mit dem älteren Stammgute hingewiesen. Es handelt sich um liegende Güter, die ursprünglich nur freien Herren zugänglich sind, allmählich aber, in Österreich bereits im 13. Jahrhundert, auch an Ministerialen übergehen und vererbt werden konnten. Nicht zunächst noch an Ritter. Aber bald, scheint es, ist auch da die Schranke durchbrochen worden, wie zwei Urkunden aus den Jahren 1312 und 1324 beweisen. Da veräussern auch Ritter Freies, bezw. rechtes Eigen mit derselben Rechtsqualität mit fogtay und mit dorfgericht 6).

Wichtig ist die von S. Adler nachgewiesene Tatsache, dass das Freie Eigen in Österreich frühzeitig eine Differenzierung erfuhr, dadurch, dass es die Genossenschaft seiner Inhaber annahm. Man hat

1) Vgl. Font. rer. Austr. 3, 246 (1270); 259 (1306); 380 (1307); 672 (1324)

u, a. m.

2) Ebda. 180.

3) Ebda. 6, 152.

4) Ebda. 3, 423.

5) Zur Rechtsgesch. des adeligen Grundbesitzes (1902) S. 20 ff.

6) Font. rer. Austr. II 3, 596 (Otto der Tuchel): ebda. 672. (Dietreich der Guntramsdorfer).

neben Herren-Eigen im engeren Sinne Ministerialen-Eigen und auch Ritter-Eigen zu unterscheiden 1).

Mit der Heranziehung dieser von der Forschung bisher nicht gewürdigten Momente erfährt nun die Frage nach dem Ursprung des Dorfgerichtes eine bedeutungsvolle Aufklärung, indem sich die Schwierigkeiten ungezwungen lösen, über die Osswald nicht hinwegkam.

Obwohl kein urkundlicher Beleg dafür nachzuweisen ist, hat er die Dachtraufengerichtsbarkeit des Hochadels wie die ihr qualitativ gleiche Dorfgerichtsbarkeit auf eine Verleihung durch den Landesfürsten zurückführen wollen. Da er in der Exemtion vom Landgericht die Wurzel dieser Entwicklung erblickte, sah er sich zu wichtigen Konsequenzen genötigt. Das Dorfgericht war an einen bestimmten Stand von Grundbesitzern gebunden * 2), jene, die Niedergerichtsbarkeit besassen. Da diese aber nur dem Hochadel zustand, wäre nach. dieser Theorie auch nur dieser zum Besitz der Dorfgerichtsbarkeit befähigt gewesen.

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Dem aber widerspricht absolut und in bestimmtester Weise der Urkundenbefund. Osswald hat sich freilich um denselben nicht allzu eifrig gekümmert. Denn sonst hätte ihm nicht entgehen können, dass bereits in der frühesten Zeit seines Bestehens auch Ritter mehrfach bei Veräusserungen von Immobilien das Dorfgericht als Pertinenz ihres freien oder rechtens Eigens bezeichnen. Zwei Beispiele von 1312 und 1324 sind bereits angeführt worden 3). Aber es lassen sich auch noch ältere nachweisen. Im Jahre 1294 verkaufte Alber von Clemens 10 Hufen, 7 Hofstätten, 1 Acker und 1 Garten im Dorfe Waeczlinsdorf fur rechtes aygen als iz mich angestorben ist von meinen vordern mit allem recht... vogtrecht dorfgericht dem Kloster St. Bernhard1). 1303 verkauft Ortolf v. Atzenbrugg 5 10 Einkünfte auf 4 Hufen zu Kl. Hadersdorf bei Staatz und daz gerichte daselbens ze H. als wir iz in aigens gewer herpraht haben an das Kloster Heiligenkreuz 5). Dieser Fall ist deshalb sehr instruktiv, weil einige Jahre nachher, als das Kloster in demselben Dorf von einem andern Ritter, Marchart v. Mistelbach, einen Hof kaufte, dieser in der darüber ausgefertigten Urkunde unter den Verkaufsobjekten zugleich auch miterwähnt alles daz recht, daz

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1) A. a. O. S. 24 ff.

2) A. a. O. S. 20.

3) Siehe oben S. 606 n. 6.

4) Font. rer. Austr. II. 6, 209 Nr. 57.

5) Ebda. 16, 12.

wir an dem gerichte in demselben dorf H. gehapt haben... als wir ez in aigens gewer her pracht haben...

Das Dorfgericht tritt also auch als Pertinenz des Rittereigens auf, und zwar jedenfalls noch im 13. Jahrhundert, da ja ausdrücklich dieser Rechtszustand als ein hergebrachter, von den Vordern überkommener, bezeichnet wird. Damit ist die Unhaltbarkeit der Annahmen Osswalds klar bewiesen, da ja, wie er selbst betonte, die Niedergerichtsbarkeit nur dem Hochadel, nicht aber den Rittern zustand 2).

In weiterer Konsequenz davon, meinte Osswald, der Adelige habe das Dorfgericht zwar verkaufen können, da es privatrechtlich behandelt worden sei, jedoch habe das Edelmannsgut bei Übergang an einen Nichtstandesgenossen die Edelmannsfreiheit verloren 3). Zum Belege dafür bringt er eine Urkunde vor, auf die ich hingewiesen hatte. Ein Ministeriale verkaufte 1324 sein Eigen in zwei Dörfern samt dem Dorfgericht in dem einen von diesen an einen Ritter (? oder Bürger). Da dieser nicht dienstherren aigens genoez ist", wird dieses Gut an das Kloster Zwettl übertragen, von dem jener es zu Burgrecht besitzen solle 4).

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Ich hatte daraus die Folgerung abgeleitet, dass auch das Dorfgericht ebenso wie Grund und Boden einer bestimmten Standesqualität teilhaftig wurde, derart, dass bei kaufweiser Erwerbung desselben Genossenschaft mit dem Veräusserer Erfordernis war" 5). Osswald nun meinte gegen diese meine Interpretation polemisierend, die direkte Erwerbung habe nur deshalb nicht stattfinden können, weil es sich um einen Nichtadeligen gehandelt habe. Tatsächlich ist hier aber nicht der Umstand entscheidend, daß der Erwerber nichtadelig ist, denn auch Ritter können das Dorfgericht von Ministerialen erwerben. Es lassen sich mehrfach Fälle anführen, dass sie es von solchen zu Lehen besassen 6). Sie können es aber nicht zu Eigen erwerben; und gerade der Charakter dieses Gutes als Dienstherreneigen wird denn auch in der Urkunde als das Entscheidende zutreffend hervorgehoben. Auch mit Rittereigen ist Dorfgericht verbunden. Dieses

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5) Österr. Urbare I. 1. Einl. p. CXXXII.

6) So hatten Ott und Heinrich die Tuchel 1311 das halbe Dorfgericht zu Nieder-Globnitz von den Ministerialen Heinrich Kaiau zu Lehen Font. II. 6, 284. Dazu Winter, Österr. Weisth. 8, p. XI.

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