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des Ausdruckes Dorfgericht" gewinnen, wird es lateinisch als iudicium villicarium, oder villicani bezeichnet 1).

Als Kennzeichen und Merkmal, nach dem es bestimmt wird, tritt der spezifisch grundherrliche Beamte, villicus, auf. Sollte das ganz zufällig sein und nur in der Tatsache seine Begründung finden, dass eben der villicus mit der Verwaltung des Dorfgerichtes betraut wurde? Ich meine, der grundherrschaftliche Charakter kommt eben darin so recht zum Ausdruck. Das Dorfgericht wuchs aus dem grundherrlichen Gerichte hervor.

II.

Wir sahen: Dorfgericht tritt in den ältesten Urkunden, welche es erwähnen, als regelmässige Pertinenz des freien Eigens auf, nicht nur des Hochadels, sondern auch des Ritterstandes. Ganz ebenso aber und stets im Zusammenhange damit wird auch Vogtei erwähnt 2). Auch sie erscheint im Inhalte dieses Eigens selbst gelegen, was gleichfalls unbeachtet geblieben ist. Das kann natürlich nicht Kirchen-, oder geistliche Vogtei bedeuten, da es sich um das Eigen weltlicher Herren handelte. Osswald hat nun auch die Vogteiobrigkeit in den Kreis seiner Darstellung gezogen. Er sucht darzulegen 3), dass die Vogtei ursprünglich in Niederösterreich bloss Schirmvogtei gewesen sei und keine gerichtlichen Befugnisse in sich geschlossen habe. Erst allmählich hätten sich die Vögte zu Unrecht und gewaltsam auch richterliche Befugnisse angemasst, bis dann das Landesfürstentum durch den bekannten Prozess der Entvogtung Befreiung von diesem Druck bewirkte.

Ich fürchte, dass Osswald sich auch hier wiederum durch die jüngeren Quellen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die er zunächst ins Auge fasste, hat vorweg einnehmen lassen). Es ist ja bekannt, dass nach diesen mit der Vogtei an sich niemals Gerichtsbarkeit verbunden sein sollte. Auf diesem Standpunkt stehen z. B. der früher schon erwähnte Bericht von denen Jurisdiktionen" von 1584/5, der bei Suttinger gedruckt ist, sowie der Traktatus de juribus incorporabilibus von 1679. S. Adler hat auch darüber eingehend gehandelt 5).

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1) Vgl. Font. rer. Austr. II, 3, 306 (1292): iudicium villicarium, dorfgericht vulgariter nuncupatum u. 423 (1270).

2) Siehe oben S. 606 n. 1.

3) A. a. O. S. 79 ff.

4) Ebda. S. 68 ff.

5) A. a. O. S. 140 ff.

Es wird jedenfalls noch sehr gründlicher Untersuchungen über die älteren Urkunden Niederösterreichs bedürfen, um zu einem abschliessenden und allseitig zutreffenden Urteil über die kirchliche Vogtei in diesem Lande zu gelangen. Dabei wird man sich auch stets den Charakter der Überlieferung vor Augen halten müssen, die sicherlich vielfach recht einseitig geartet ist und wohl nicht selten bloss jene Auffassung wiedergibt, welche man eben auf Seite der Bevogteten wünschte oder anstrebte. Soviel aber kann schon heute gesagt werden: Mit der Vogtei war häufig auch in der älteren Zeit tatsächlich Gerichtsbarkeit verbunden. Man beachte doch nur das Immunitätsformular der Entvogtungsprivilegien. Wenn es da z. B. 1195 für Göttweih heisst: 1) ut nullus unquam hominum sub nomine advocati aut iudex vel preco de nostra permissione vel alicuius officii vel iudicii occasione eisdem fratribus iniuriam inferat vel offendere presumat . . . Wird da nicht bei dieser Sicherung wider alles Unrecht, das dem Kloster durch Unberechtigte zugefügt werden könnte, doch als normale Zuständigkeit eines rechtmässigen Vogtes die Abhaltung des Gerichtes vorausgesetzt? Wie sollte auch jemand sub nomine advocati Gelegenheit zur Abhaltung eines Gerichtes finden, wenn mit der Vogtei Gerichtsbarkeit überhaupt niemals verbunden gewesen wäre?

Doch nun zur jüngeren Entwicklung. Auch im späteren Mittelalter hat nach Osswald die grosse Masse der niederösterreichischen Vögte keine Gerichtsgewalt gehabt 2). Die Erscheinung aber, dass damals mitunter Vogt und Gerichtsherr dieselbe Person ist, sei aus der Entwicklung der Gerichtsherrschaften zu erklären 3). Osswald hatte da eine wichtige Beobachtung gemacht, indem ihm nämlich klar wurde, dass Vogtei und Dorfherrschaft nicht selten zusammenfallen1). Wie nun in den meisten Dörfern der eine Grundherr, der die Dorfgerichtsbarkeit erlangt hatte, sich zum Oberherrn des gesamten Dorfes emporgeschwungen . . . so beanspruchte er auch, in seinem Dorfe als alleiniger Vogt anerkannt zu werden. Wie er die Beseitigung von Rechten fremder Herschaften erreicht hatte", so sei ihm auch dies geglückt 5).

Ausgezeichnet! Ich stimme soweit ganz mit Osswald überein.. Aber er hat vergessen, die Erklärung für diese Tatsachen zu geben.

1) Font. II. 51, 75.

2) A. a. O. S. 78.

3) Ebda. S. 88.

4) Ebda. S. 78, § 2.

5) Ebda. S. 89.

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Er hat übersehen, dass er damit seine ganze Theorie eigentlich untergräbt. Denn, wenn es möglich ist, dass der Dorfherr vorher schon dort Vogteirechte besass, ja, dass wohl hie und da einer alleiniger Vogt war, der später die Dorfgerichtsbarkeit da besass Osswald sagt übertragen bekam", - liegt es da nicht nahe, an einen inneren Zusammenhang beider zu denken, zumal sich eine Übertragung nirgends nachweisen lässt? Osswald mag das selbst gefühlt haben, da er sich sofort beeilt zu erklären, die beiden Gerechtsame ständen auch dort, wo sie später in derselben Person vereinigt erscheinen, in keinem ursächlichen Zusammenhang). Den Beweis freilich für diese seine Behauptung ist er uns gänzlich schuldig geblieben. Er wird auch nicht zu erbringen sein, denn aus den oben beigebrachten Urkunden ergibt sich unzweideutig, daß auch Vogtei" ganz ebenso wie ,Dorfgericht eine regelmässige Pertinenz des Freien Eigens" gewesen ist und sonach ein solcher Zusammenhang wirklich existierte.

Damit haben wir nun auch den Schlüssel zur Erklärung jener Erscheinungen gefunden, welche für die Annahmen Osswalds zu sprechen. scheinen. Das ist einmal die Tatsache, dass bei Klöstern der Gründer oder Stifter über die Vogtei zu verfügen hatte. Osswald will daraus folgern 2), dass Gerichtsbarkeit mit dieser Vogtei nicht verbunden sein. konnte. Diese Schlußfolgerung beruht aber, so bestechend sie auch aussehen mag, auf einem Irrtum. Denn es handelte sich bei diesen Stiftungen doch durchaus um die Überweisung von Gütern, welchen die Rechtsqualität des Freien Eigens zukam 3). Wir begreifen, wieso die Schenkgeber sich die Verfügung über die regelmässig damit verbundene Vogtei vorbehalten konnten.

Weiters aber meinte Osswald, an eine Entwicklung vom Vogt zum Dorfherrn sei deshalb nicht zu denken, weil gerade in den Dörfern, die einem Kloster von weltlichen Grossen gestiftet worden waren, diese als Vögte dieser Stiftungen wohl den vornehmsten Anspruch auf die Dorfgerichtsbarkeit gehabt". Das sei aber nicht der Fall gewesen. Regelmässig übte das Kloster selbst durch eigene Beamte die Dorfherrschaft aus" 4).

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Hier ist wieder Verschiedenes durcheinander geworfen: Vor allem wurde der Zeitpunkt übersehen, seitdem das Kloster die Dorfherrschaft durch seine Beamten ausüben liess. Wir haben oben bereits ein Beispiel uuzweideutiger Art dafür kennen gelernt, dass die Dorfherr

1) Ebda. S. 89.

2) Ebda. S. 82.

3) Vgl. das oben S. 606 n. 2 und 3 zitierte Beispiel von Meilan.

4) A. a. O. S. 89 n. 4.

schaft des Klosters eben erst zustande kam durch den Verzicht der im Dorfe sonst begüterten Grundherren 1). Und so sind ja auch die ältesten Nachrichten über die Entstehung von Dorfgerichten in Niederösterreich zu erklären. Diese wurden 1179 von Klosterneuburg2) und 1187 von Heiligenkreuz 3) dadurch erworben, das der weltliche Stifter und Grundherr, der hier zugleich auch Landesherr ist, schließlich auf seine Vogteirechte an dem früher schon geschenkten Eigen zu Handen des Klosters verzichtete.

Ausdrücklich wird noch in zahlreichen Weistümern aus jüngerer Zeit darauf verwiesen, dass die Dorfgerichtsbarkeit des Klosters herrühre von den Herzogen die des vorgenannten gotzhaus recht natürlich stifter sind und seiner güter erbvogt“ 4).

Man sieht deutlich: dort, wo Klöster die Dorfherrschaft durch eigene Beamte ausüben liessen, liegt eine jüngere Stufe der Entwicklung vor, die eben erst durch Auflassung von Vogteirechten seitens der Stifter begründet worden ist.

Was haben wir nun unter jener vogtay" zu verstehen, die ebenso wie Dorfgericht als regelmässige Pertinenz des freien Eigens auftritt? Unter dieser weltlichen Vogtei wird wohl zunächst eine Schirmgewalt gemeint sein. Praktisch ist aber diese nur so zu denken, dass zugleich. die zur Realisierung des Schutzes notwendige zwingende Gewalt damit verbunden war. Twing und ban, bannus et districtus, wie es in anderen Territorien lautet 5).

Trifft dies aber zu, dann haben wir ein neues Motiv zur Erklärung des Ursprunges der Dorfgerichte gefunden. Hier liegt die Wurzel der polizeilichen Befugnisse des Dorfgerichtsherrn. Die Dorfherrschaft hat sie aus dieser Vogtei, nicht von der autonomen Dorfgemeinde übernommen wie Osswald will 6) für die wir in Wirklichkeit keine Belege besitzen.

Man wird diese für die Geschichte der Polizeigewalt auf dem platten Lande überhaupt wichtigen Tatsachen in der Folge nicht übersehen dürfen. Die Bildung dieser Gewalt ist keineswegs so jungen Datums, wie vielfach angenommen wird.

1) Siehe oben S. 610 (Niederglobnitz).

2) Siehe oben S. 600.

3) Siehe oben S. 601.

4) Österr. Weisthümer 7, 455 (Höflein bei Bruck a./L.); 8, 9 (Ulrichskirchen); 34 (Baumgarten a./d. March); 159 (Thomasl); 18 (kl. Ebersdorf) u. a. m. 5) Vgl. neuestens v. Voltelini im Archiv. f. österr. Gesch. 94, 404 ff. 6) A. a. O. S. 43.

Zum Schlusse noch ein Wort über das Freie Eigen. Osswald wird mir vielleicht einwenden, dass mit den Ausführungen darüber das Wesen seiner Hypothese nicht berührt werde. Auch da sei ja Exemtion vom Landgericht, bezw. Niedergerichtsbarkeit, vorhanden. Und dass auch Ritter solches Freieigen besitzen, stelle eben bereits den Übergang zu einer jüngeren Entwicklung dar. Er könnte sich dazu auch noch auf das häufige Vorkommen der Bezeichnung,Freies Eigen in den jüngeren Weistümern berufen, wo es zum Teil auch im Sinne eines eximierten Bezirkes gebraucht erscheint 1).

Allein, man darf doch eine grundlegende Tatsache nicht übersehen, wie dies Osswald tat: Exemtion vom Landgericht und Dorfgericht decken sich nicht, sondern gehen auseinander. Die Exemtion der Klöster vom Landgericht schloss noch nicht überall das Dorfgericht in sich und anderseits war das Freie Eigen der Ritter, obwohl deren Güter nicht der Exemtion teilhaftig waren, doch mit Dorfgericht verbunden. Ich hatte früher schon auf eine sehr wichtige Urkunde der Königin Margareta für das Kloster Zwettl aus dem Jahre 1264 hingewiesen, durch die neben einer Bestätigung der bereits früher erworbenen Exemtion vom Landgericht, noch besonders Freiung gewährt wird auch gegenüber den iudices. vel officiales für alle Dörfer des Klosters im Landgericht Pölla: quibus speciali iure dominamur 2). Pölla war altes Eigen der Babenberger 3) und auf diesem ihrem ererbten Privatgute stand Margareta die Dorfgerichtsbarkeit zu, obwohl das Kloster dort bereits Begüterung erworben hatte und diese vom Landgericht eximiert war.

Das Freie Eigen stellt die althergebrachten Familien- und Stammgüter dar im Gegensatz zu jenen, deren Besitz auf Verleihung, Verpfändung oder Vogtei beruhte. Schon Stieber 4) hat darauf hingewiesen, dass in der vielzitierten Stelle des österreichischen Landrechtes (Art. 46) über die Exemtion der Güter des Adels vom Landgericht wohl zum Teil auch nur Ansprüche zu erkennen sind, die der Adel zur Ausdehnung seiner Rechte erhoben hat. Unangefochten, weil hergebracht hat sicherlich die Exemtion für die Stammgüter, das Freie Eigen, bestanden. Aber gerade im 13. Jahrhundert hatte der Adel einen mächtigen Zuwachs eben an solchem Grundbesitze erlangt, der nicht Altes Eigen gewesen ist. Man denke doch nur, ganz abgesehen von

1) Vgl. Österr. Weisthümer 8, 112; 206; 743 u. a. m.

2) Font. II. 3, 178 dazu Österr. Urbare I. 1, Einl, p. CXXXIV.

3) Ebda. I. 1, 28.

4) Das österr. Landrecht etc. in meinen Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs 2, 62.

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