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Er hat übersehen, dass er damit seine ganze Theorie eigentlich untergräbt. Denn, wenn es möglich ist, dass der Dorfherr vorher schon dort Vogteirechte besass, ja, dass wohl hie und da einer alleiniger Vogt war, der später die Dorfgerichtsbarkeit da besass - Osswald sagt übertragen bekam", liegt es da nicht nahe, an einen inneren. Zusammenhang beider zu denken, zumal sich eine Übertragung nirgends nachweisen lässt? Osswald mag das selbst gefühlt haben, da er sich sofort beeilt zu erklären, die beiden Gerechtsame ständen auch dort, wo sie später in derselben Person vereinigt erscheinen, in keinem ursächlichen Zusammenhang 1). Den Beweis freilich für diese seine Behauptung ist er uns gänzlich schuldig geblieben. Er wird auch nicht zu erbringen sein, denn aus den oben beigebrachten Urkunden ergibt sich unzweideutig, daß auch, Vogtei" ganz ebenso wie Dorfgericht eine regelmässige Pertinenz des Freien Eigens" gewesen ist und sonach ein solcher Zusammenhang wirklich existierte.

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Damit haben wir nun auch den Schlüssel zur Erklärung jener Erscheinungen gefunden, welche für die Annahmen Osswalds zu sprechen scheinen. Das ist einmal die Tatsache, dass bei Klöstern der Gründer oder Stifter über die Vogtei zu verfügen hatte. Osswald will daraus folgern 2), dass Gerichtsbarkeit mit dieser Vogtei nicht verbunden sein konnte. Diese Schlußfolgerung beruht aber, so bestechend sie auch aussehen mag, auf einem Irrtum. Denn es handelte sich bei diesen Stiftungen doch durchaus um die Überweisung von Gütern, welchen die Rechtsqualität des Freien Eigens zukam 3). Wir begreifen, wieso die Schenkgeber sich die Verfügung über die regelmässig damit verbundene Vogtei vorbehalten konnten.

Weiters aber meinte Osswald, an eine Entwicklung vom Vogt zum Dorfherrn sei deshalb nicht zu denken, weil gerade in den Dörfern, die einem Kloster von weltlichen Grossen gestiftet worden. waren, diese als Vögte dieser Stiftungen wohl den vornehmsten Anspruch auf die Dorfgerichtsbarkeit gehabt". Das sei aber nicht der Fall gewesen. Regelmässig übte das Kloster selbst durch eigene Beamte die Dorfherrschaft aus" 4).

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Hier ist wieder Verschiedenes durcheinander geworfen: Vor allem wurde der Zeitpunkt übersehen, seitdem das Kloster die Dorfherrschaft durch seine Beamten ausüben liess. Wir haben oben bereits ein Beispiel uuzweideutiger Art dafür kennen gelernt, dass die Dorfherr

1) Ebda. S. 89.

2) Ebda. S. 82.

3) Vgl. das oben S. 606 n. 2 und 3 zitierte Beispiel von Meilan.

4) A. a. O. S. 89 n. 4.

schaft des Klosters eben erst zustande kam durch den Verzicht der im Dorfe sonst begüterten Grundherren 1). Und so sind ja auch die ältesten Nachrichten über die Entstehung von Dorfgerichten in Niederösterreich zu erklären. Diese wurden 1179 von Klosterneuburg) und 1187 von Heiligenkreuz 3) dadurch erworben, das der weltliche Stifter und Grundherr, der hier zugleich auch Landesherr ist, schließlich auf seine Vogteirechte an dem früher schon geschenkten Eigen zu Handen des Klosters verzichtete.

Ausdrücklich wird noch in zahlreichen Weistümern aus jüngerer Zeit darauf verwiesen, dass die Dorfgerichtsbarkeit des Klosters herrühre von den Herzogen die des vorgenannten gotzhaus recht natürlich stifter sind und seiner güter erbvogt" 4).

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Man sieht deutlich: dort, wo Klöster die Dorfherrschaft durch eigene Beamte ausüben liessen, liegt eine jüngere Stufe der Entwicklung vor, die eben erst durch Auflassung von Vogteirechten seitens der Stifter begründet worden ist.

Was haben wir nun unter jener vogtay" zu verstehen, die ebenso wie Dorfgericht als regelmässige Pertinenz des freien Eigens auftritt? Unter dieser weltlichen Vogtei wird wohl zunächst eine Schirmgewalt gemeint sein. Praktisch ist aber diese nur so zu denken, dass zugleich. die zur Realisierung des Schutzes notwendige zwingende Gewalt damit verbunden war. Twing und ban, bannus et districtus, wie es in anderen Territorien lautet 5).

Trifft dies aber zu, dann haben wir ein neues Motiv zur Erklärung des Ursprunges der Dorfgerichte gefunden. Hier liegt die Wurzel der polizeilichen Befugnisse des Dorfgerichtsherrn. Die Dorfherrschaft hat sie aus dieser Vogtei, nicht von der autonomen Dorfgemeinde übernommen - wie Osswald will 6) für die wir in Wirklichkeit keine Belege besitzen.

Man wird diese für die Geschichte der Polizeigewalt auf dem platten Lande überhaupt wichtigen Tatsachen in der Folge nicht übersehen dürfen. Die Bildung dieser Gewalt ist keineswegs so jungen Datums, wie vielfach angenommen wird.

1) Siehe oben S. 610 (Niederglobnitz).

2) Siehe oben S. 600.

3) Siehe oben S. 601.

4) Österr. Weisthümer 7, 455 (Höflein bei Bruck a./L.); 8, 9 (Ulrichskirchen); 34 (Baumgarten a./d. March); 159 (Thomasl); 18 (kl. Ebersdorf) u. a. m. 5) Vgl. neuestens v. Voltelini im Archiv. f. österr. Gesch. 94, 404 ff. 6) A. a. O. S. 43.

Zum Schlusse noch ein Wort über das Freie Eigen. Osswald wird mir vielleicht einwenden, dass mit den Ausführungen darüber das Wesen seiner Hypothese nicht berührt werde. Auch da sei ja Exemtion vom Landgericht, bezw. Niedergerichtsbarkeit, vorhanden. Und dass auch Ritter solches Freieigen besitzen, stelle eben bereits den Übergang zu einer jüngeren Entwicklung dar. Er könnte sich dazu auch noch auf das häufige Vorkommen der Bezeichnung,Freies Eigen in den jüngeren Weistümern berufen, wo es zum Teil auch im Sinne eines eximierten Bezirkes gebraucht erscheint 1).

Allein, man darf doch eine grundlegende Tatsache nicht übersehen, wie dies Osswald tat: Exemtion vom Landgericht und Dorfgericht decken sich nicht, sondern gehen auseinander. Die Exemtion der Klöster vom Landgericht schloss noch nicht überall das Dorfgericht in sich und anderseits war das Freie Eigen der Ritter, obwohl deren Güter nicht der Exemtion teilhaftig waren, doch mit Dorfgericht verbunden. Ich hatte früher schon auf eine sehr wichtige Urkunde der Königin Margareta für das Kloster Zwettl aus dem Jahre 1264 hingewiesen, durch die neben einer Bestätigung der bereits früher erworbenen Exemtion vom Landgericht, noch besonders Freiung gewährt wird auch gegenüber den iudices vel officiales für alle Dörfer des Klosters im Landgericht Pölla: quibus speciali iure dominamur 2). Pölla war altes Eigen der Babenberger 3) und auf diesem ihrem ererbten Privatgute stand Margareta die Dorfgerichtsbarkeit zu, obwohl das Kloster dort bereits Begüterung erworben hatte und diese vom Landgericht eximiert war.

Das Freie Eigen stellt die althergebrachten Familien- und Stammgüter dar im Gegensatz zu jenen, deren Besitz auf Verleihung, Verpfändung oder Vogtei beruhte. Schon Stieber 4) hat darauf hingewiesen, dass in der vielzitierten Stelle des österreichischen Landrechtes (Art. 46) über die Exemtion der Güter des Adels vom Landgericht wohl zum Teil auch nur Ansprüche zu erkennen sind, die der Adel zur Ausdehnung seiner Rechte erhoben hat. Unangefochten, weil hergebracht hat sicherlich die Exemtion für die Stammgüter, das Freie Eigen, bestanden. Aber gerade im 13. Jahrhundert hatte der Adel einen mächtigen Zuwachs eben an solchem Grundbesitze erlangt, der nicht Altes Eigen gewesen ist. Man denke doch nur, ganz abgesehen von

1) Vgl. Österr. Weisthümer 8, 112; 206; 743 u. a. m.

2) Font. II. 3, 178 dazu Österr. Urbare I. 1, Einl, p. CXXXIV.

3) Ebda. I. 1, 28.

4) Das österr. Landrecht etc. in meinen Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs 2, 62.

den vielen Lehensgütern, an die nun immer zahlreicher einsetzenden Verpfändungen landesfürstlichen Gutes, die im Interregnum so häufige Anmassung von Vogteigütern 1)! Da wird begreiflich, dass der Adel die Vorrechte, welche ihm auf seinem Alten Eigen zukamen, auch darauf ausgedehnt wissen wollte. Es handelt sich bei dieser Bestimmung sicher um eine Fassung, die erst dem Ausgang des 13. Jahrhunderts zugehört. Und die einzige Urkunde, welche eine landesfürstliche Verleihung, oder richtiger Bestätigung dieser Rechte des Adels bezeugt, jene Ulrichs von Capellen vom Jahre 1284 2), ist ein sehr illustratives Beispiel dazu. Ihm waren damals eine Reihe von landesfürstlichen Gütern im Machlande verpfändet worden, zugleich hatte er andere zu Lehen erhalten 3). Man versteht, dass er sich eine solche Bestätigung ausstellen liess. Die ausserordentlich grossen Verdienste, welche er sich um die Begründung der Habsburgerherrschaft in Österreich erworben hatte1), mussten ihm dabei wirksam zu statten kommen. Es ist m. E. vollkommen irrig, aus dieser Urkunde generalisierende Schlüsse abzuleiten mit der Annahme, die Immunitätsrechte des weltlichen Adels hätten ganz allgemein auf landesfürstlichen Exemtions privilegien beruht,

Aber auch bei den geistlichen Grundherrschaften liegt die Sache nicht so, wie Osswald annimmt. Nicht der Umstand ist da entscheidend, dass die Klöster Ministerialenrecht erwarben. Denn einmal ist für diesen Vorgang bis jetzt nur ein einziger Fall (Heiligenkreuz) bekannt geworden, so dass diese Generalisierung auch hier noch nicht begründet erscheint; dann aber handelt es sich bei diesem Privileg König Ottokars vom Jahre 12655) gar nicht um die Zuerkennung derselben Immunität, wie sie der Adel nach Art. 46 des österr. Landrechtes besass. Der bevorzugte Gerichtsstand vor dem Landesfürsten für Immobiliarprozesse ist es, worauf es hier wesentlich ankommt.

Nicht die Verleihung von Ministerialenrecht, sondern die speziellen Immunitätsprivilegien haben die Exemtion vom Landgericht da bewirkt.

Und nun ergibt sich von diesem Standpunkte aus die wichtige Beobachtung, dass einzelne Klöster, obwohl sie bereits ganz allgemein die Exemtion von der Landgerichtsbarkeit erlangt hatten, doch an

1) Vgl. Österr. Urbare I. 1, Einl. CCXVIII.

2) Siehe oben S. 598.

3) Österr. Urbare II, 1, 104 Nr. 101, n. 1; 144 Nr. 48 n. 1; 145 Nr. 57 n 1: 162 Nr. 293 n. 1; 163 Nr. 315; 164 Nr. 316.

4) Vgl. Osw. Redlich, Rudolf von Habsburg S. 276 u. 323.

3, 161.

5) Schwind-Dopsch, a. a. O. Nr. 48. Vgl. dazu noch für Zwettl Font. II.

Orten, die ihnen geschenkt worden waren, nicht auch die Dorfgerichtsbarkeit ohne weiters besassen. Das Nonnenkloster Meilan liess sich 1269, nachdem es bei seiner Gründung im Jahre 1263 vom Grafen Heinrich von Hardegg und dem Ministerialen Heinrich v. Kuenring zahlreiche Güter erhalten hatte, von beiden noch besonders eine Urkunde ausstellen: quod universa bona, que eidem loco dedimus cum omni iure proprietatis, advocacie et iudiciorum tradidimus ad ordinis potestatem ...). Diese Güter wurden sofort nach dem Übergange an das Zisterzienserkloster der Exemtion vom Landgericht teilhaftig. Trotzdem aber ist damit das Dorfgericht noch nicht gesichert; man lässt sich zu diesem Zwecke auch nicht, wie nach den Hypothesen Osswalds zu erwarten wäre, einfach die Gerichtsbarkeit auf der Dorfgasse vom Landesfürsten übertragen, sondern gewinnt die erwünschte Sicherung durch die besondere Erklärung der Schenkgeber, dass sie jene Güter mit allen dem Freieneigen zustehenden Rechten übertragen hätten. Damit ist, glaube ich, der Beweis erbracht, dass die Dorfgerichtsbarkeit sich mit der Exemtion vom Landgericht nicht immer deckte.

Die Frage freilich, wie die Rechtsqualitäten des Freien Eigens entstanden sind, wird sich nicht so leicht beantworten lassen, da es uns an älteren Quellen dafür gebricht. Sie reichen keinesfalls vor die Zeit zurück, als die Landeshoheit sich bildete und die Gerichtsgewalten im Lande von sich abhängig zu machen suchte. Das war gerade in Österreich jedenfalls sehr frühe erreicht und kommt, wie immer man über die Interpretation derselben denken mag, wohl auch in jener Stelle des Privilegium Minus zum Ausdruck, die lautet: Statuimus quoque, ut nulla magna vel parva persona in eiusdem ducatus regimine sine ducis consensu vel permissione aliquam iusticiam presumat exercere 2).

Insofern ist, ich möchte sagen, selbstverständlich, dass auch die mit dem Freien Eigen verbundenen Rechte in letzter Linie öffentlichen Ursprunges sind. Allein darum handelt es sich hier wohl doch nicht. Entscheidend ist m. E. vielmehr die Tatsache, dass zu der Zeit, als das Dorfgericht entstand und neu auftrat, das Freie Eigen bereits jene Rechtsqualitäten regelmässig besass, derart dass das Dorfgericht mit solchem Grund und Boden immer verbunden war. Die Anknüpfung oder, wie ich früher sagte, Ableitung findet also unmittelbar aus bestehenden grundherrlichen Gewalten statt, ohne Mitwirkung der öffentlichen Gewalt.

1) Font. II. 6, 151 Nr. 5.

2) Schwind-Dopsch a. a. O. Nr. 6 S. 9.

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