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Ich habe seinerzeit (1905) bei Besprechung des Buches von G. Seeliger über die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft im früheren Mittelalter1) davor gewarnt, man möge in der gewiss berechtigten Bekämpfung der sogenannten grundherrlichen Theorie nicht über das Ziel hinaus schiessen. Osswald, ein Schüler Seeligers, ist jedenfalls in diesen Fehler verfallen. Man hat den Eindruck, dass ihm von vorneherein bei dieser ganzen Arbeit als Leitmotiv vorschwebte, die Bedeutung der Grundherrschaft in der zur Darstellung gebrachten Entwicklung womöglich ganz zu negieren. Es besteht die Gefahr, dass die Ausbildung fester Schulaxiomé eine bedenkliche Voreigenommenheit und Einseitigkeit zeitige, so dass auch sehr anerkennenswerte Fortschritte in der historischen Erkenntnis dadurch arg beeinträchtiget werden.

1) Diese Zeitschr. 26, 354.

Über die Siegel der deutschen Herrscher vom Interregnum bis Kaiser Sigmund.

Von

F. M. Haberditzl.

Für die Zeit von den Karobesitzen wir eine Reihe von

Vorliegende Arbeit handelt über die Siegel der deutschen Herrscher vom Interregnum bis Kaiser Sigmund. lingern bis zum Zerfall des Reiches Spezialarbeiten, in denen vor Allem die diplomatische Verwendung und Gebrauchszeit der einzelnen Siegeltypen festgelegt ist1). Von der Stauferzeit ab sind wir auf die 1875 erschienene Publikation Heffners über die Siegel der deutschen Kaiser angewiesen2); sie enthält ein reiches

1) In den Karolinger-Regesten von Mühlbacher für die Zeit der Karolinger; für die sächsische und fränkische Periode Foltz und Bresslau im N. Archiv 3. u. 6. Bd.; für die Stauferzeit Philippi: Zur Geschichte der Reichskanzlei unter den letzten Staufern. 1885. Als Hauptquelle für die heraldische Forschung sind die deutschen Herrschersiegel von E. Gritzner: Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches bearbeitet. Vom Standpunkt der Porträtmässigkeit sind von K. Brunner, Das deutsche Herrscherbildnis von Konrad II. bis Lothar v. Sachsen < (Leipziger Disser. 1905) auch die Siegel der betreffenden Herrscher untersucht worden. Kürzlich erschien im N. Archiv Bd. 33 Heft 2 ein Aufsatz von M. Kemmerich, Die Porträts deutscher Kaiser u. Könige bis auf Rudolf von Habsburg eine Materialsammlung der Herrscherporträts, die auch eine Aufzählung der deutschen Herrschersiegel dieser Periode enthält.

2) Die Publikation Heffners: Die deutschen Kaiser und Königssiegel nebst denen der Kaiserinnen, Königinnen und Reichsverweser. Würzburg 1875, fusst auf der Arbeit von Roemer-Büchner: Die Siegel der deutschen Kaiser, Könige und Gegenkönige. Frankfurt a./M. 1851.

Mitteilungen XXIX.

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Abbildungsmaterial, der Text ist rein descriptiv. Ebenso das nachgelassene Werk Savas über die Siegel der österreichischen Regenten 1). Erst für Karl IV. und dessen unmittelbare Nachfolger hat Lindner eingehendere Untersuchungen angestellt 2).

Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Siegel als eine fortlaufende Reihe gleichartiger und bestimmt datierbarer Kunstwerke eine wichtige Quelle kunsthistorischer Erkenntnis bieten. Bis jetzt sind aber bestenfalls in einigen kunstgeschichtlichen Spezialwerken über Miniaturen etc. Siegel zum Vergleich herangezogen worden. Falke erwähnt in seiner Monografie des deutschen Kunstgewerbes die Siegel überhaupt nicht.

Schon die Frage nach der Echtheit des Siegels ist eine diplomatische und kunsthistorische. Im Anschluss daran ergibt sich eine Feststellung des Gebrauches der einzelnen Siegel für die Diplomatik und eine kunsthistorische Disponierung des vorhandenen Materials.

Dieses ist ein zweifaches: 1. die Originale: Wachssiegel und Bullen an den Urkunden selbst. 2. die in Sammlungen befindlichen Stempel und Abdrücke. Für die Durchsicht und Bearbeitung der Originalsiegel wurden von mir die folgenden Archive benutzt: Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien; Reichsarchiv in München: Deutsch-Ordensarchiv in Wien; Archiv des germanischen Museums in Nürnberg. Weiters wurden die folgenden Sammlungen von Siegelabdrücken durchgesehen: die von Posse angelegte Sammlung im germanischen Museum zu Nürnberg; die von K. Primbs angelegte Sammlung im bayerischen Nationalmuseum zu München; die Smitmersche Sammlung im Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien; die von K. von Sava angelegte Sammlung im k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie zu Wien; die Melly'sche Sammlung im Besitz der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler" zu Wien; die Sammlung des Instituts für österreichische Geschichtsforschung zu Wien.

I. Wilhelm von Holland.

Von Wilhelm von Holland3) war mir nur ein geringes Urkundenmaterial im Original zugänglich. Eine Untersuchung darüber, welche Siegel dieser Herrscher in Verwendung hatte und wie lange dieselben gebraucht wurden, wird wesentlich dadurch eingeschränkt, dass an diesen

1) K. von Sava: Die Siegel der österreichischen Regenten in Mitteil. d. k. k. Zentral-Kommission Bd. IX 242-268 und XI. 137-152.

2) Lindner: Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger. Stuttgart 1882.

3) Böhmer-Ficker Regesta imperii V 2.

Originalurkunden nur mehr in ganz wenigen Fällen auch ein gut erhaltenes Siegel zu finden ist. Es ist aber wohl nicht als Zufall anzusehen, dass die Siegel oder Siegelfragmente, wo sich dieselben erhalten. haben, mit dem von Heffner reproduzierten Typus identisch sind. Dass ein zweites Thronsiegel neben diesem gebraucht wurde, ist von vorneherein recht unwahrscheinlich. Denn die Herrscher der vorangehenden wie der nachfolgenden Periode 1) verwendeten gleichartige Siegel nicht nebeneinander, sondern nacheinander. Es ist wichtig, sich diese Tatsache vorzuhalten. Denn im Reichsarchiv im Haag befindet sich der Siegelstempel eines Thronsiegels von Wilhelm von Holland, dessen Darstellung und Legende von dem eben erwähnten Siegel verschieden sind. Neben dem von Heffner angeführten Siegel wird es nicht gebraucht worden sein; für die Verwendung kann wohl nur ein vorher oder nachher in Betracht kommnn. Wir wissen, dass Wilhelm vor der Königskrönung mit einem sogenannten Electensiegel, Wilhelmus Romanorum in regem electus" siegelte. Welches Siegel Wilhelm in den ersten Regierungsjahren in Verwendung hatte, lässt sich nicht genau feststellen, da gerade für diese Zeit das originale Material lückenhaft ist. Dass der Stempel im Haag nach dem von Heffner reproduzierten Siegel verwendet wurde, ist nicht anzunehmen, da wir gerade aus der letzten Zeit der Regierung Wilhelms immer nur den einen Typus finden. Da das zu Gebote stehende objektive Tatsachenmaterial keinen Schluss gestattet, wann und ob der Haager Siegelstempel in Gebrauch war, müssen wir versuchen eine Entscheidung durch eine stilistische Vergleichung des Stempels mit dem Siegel zu gewinnen. Ein alter Siegelabdruck des Stempels ist nicht bekannt. Siegel und Stempel haben den gleichen Durchmesser, 90 mm. Heffner gibt für den Durchmesser des Siegels irrtümlich 80 mm an. Die Worte der Legende sind gleich, ebenso die allgemeine Anlage der Darstellung im Siegelfelde. Im Detail aber ergeben sich wesentliche Verschiedenheiten. (Zu vergleichen für das Folgende Fig. 1 und 2).

Auffällig ist, dass auf dem Siegel (Fig. 1) nach dem Legendenkreuz nicht wie sonst unmittelbar der Name des Herrschers anschliesst, sondern dass zwischen dem Kreuz und dem Namen ein Ornament erscheint eine Rosette, links und rechts davon als Abschluss zwei Punkte übereinander. Auf dem Typar (Fig. 2) fehlt die Rosette, die beiden Abschlusspunkte aber links sind beibehalten. Das erscheint völlig zwecklos. Man kann sich die Sache wohl nur so erklären, dass der Stempel

1) Man vergleiche die gründlichen Untersuchungen von Foltz und Bresslau (N. A. 3. u. 6. Bd.) für die sächsische und fränkische Periode. Für die Herrscher von Rudolf I. bis Sigmund sei auf die folgenden Auseinandersetzungen verwiesen.

schneider nach dem Muster des Originalsiegels die Rosette auch wirklich darstellen wollte, dann aber in Anlehnung an Darstellungen auf andern Herrschersiegeln davon abkam. Die beiden Punkte übereinander blieben stehen. Durch diese Raumgewinnung musste die ganze Legende unvermutet ein anderes Aussehen bekommen. Das merkt der Stempelschneider aber erst vor dem letzten Worte: augustus. Die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben sind da auffallend breit, auch hilft er sich durch das zweimal verwendete unziale u, das natürlich breiter gestaltet ist als das spitze u, ferner durch den breitgezogenen oberen Abschlussbalken des unzialen t. Auf dem Siegel hingegen ist zwischen allen Buchstaben der Legende ein gleicher, regelmässiger Zwischenraum. Dass aber nicht das Siegel nach unserem Stempel gemacht sein kann, beweisen eben die beiden Punkte zwischen Kreuz und Name, Denu dann müssten auch folgerichtig zwischen dem letzten Wort der Legende und dem Kreuz die beiden Punkte angebracht sein. Die einzelnen Buchstaben auf dem Typar machen einen gekünstelten Eindruck, speziell das r mit dem klobigen Abstrich. Die e mit den weit auseinandergestellten doppelten Querbalken in der Mitte scheinen ganz unwahrscheinlich für die Zeit um 1250.

Sodann die Darstellung im Siegelfeld. Der Thronstuhl entbehrt auf dem Typar jeglichen Stilcharakters. Die Abschlussschrägen und die obere Abschlusskante der Rücklehne, auf dem Siegel dünne Stäbe, sind derbe Balken auf dem Typar. Die schlanken Rauken aussen an den Kanten sind zu plumpen Schnörkeln verdoppelt. In doppelter Grösse erscheint ein solcher Schnörkel, ganz widersinnig und stillos, wie ein Haken an der Ecke zwischen der rechten Schrägkante und der oberen Kante, während wir auf den Siegeln statt dessen ein wirkliches Abschlussornament, eine dreiblättrige Lilie, treffen. Die grössten Verschiedenheiten aber weist die sitzende Figur des Herrschers auf: erstens in den Proportionen des Körpers, zweitens in der Gewandbehandlung und dem Verhältnis von Gewand und Körper. Auf dem Siegel erscheint die Figur schlank, auch der Kopf ist schmal und in die Länge gezogen. Dieser Eindruck beruht namentlich auf der unrichtigen Proportion von Oberkörper und Beinen. Auf dem Typar ist dieses Verhältnis richtig gestellt, auch der Kopf in der richtigen Grösse wiedergegeben. Besonders fällt die Länge der Hand im Verhältnis zum Arm auf dem Siegel auf; denn Ober- und Unterarm sind viel zu kurz für die lange, schmale Hand. Auf dem Typar sind beide Hände auf Normalgrösse Hand ein Viertel des ganzen Armes reduziert. Derartige Verbesserungen sind aber für die Mitte des 13. Jahrhunderts völlig ausgeschlossen.

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