Slike stranica
PDF
ePub

Originalurkunden nur mehr in ganz wenigen Fällen auch ein gut erhaltenes Siegel zu finden ist. Es ist aber wohl nicht als Zufall anzusehen, dass die Siegel oder Siegelfragmente, wo sich dieselben erhalten haben, mit dem von Heffner reproduzierten Typus identisch sind. Dass ein zweites Thronsiegel neben diesem gebraucht wurde, ist von vorneherein recht unwahrscheinlich. Denn die Herrscher der vorangehenden wie der nachfolgenden Periode 1) verwendeten gleichartige Siegel nicht nebeneinander, sondern nacheinander. Es ist wichtig, sich diese Tatsache vorzuhalten. Denn im Reichsarchiv im Haag befindet sich der Siegelstempel eines Thronsiegels von Wilhelm von Holland, dessen Darstellung und Legende von dem eben erwähnten Siegel verschieden sind. Neben dem von Heffner angeführten Siegel wird es nicht gebraucht worden sein; für die Verwendung kann wohl nur ein vorher oder nachher in Betracht kommnn. Wir wissen, dass Wilhelm vor der Königskrönung mit einem sogenannten Electensiegel, Wilhelmus Romanorum in regem electus" siegelte, Welches Siegel Wilhelm in den ersten Regierungsjahren in Verwendung hatte, lässt sich nicht genau feststellen, da gerade für diese Zeit das originale Material lückenhaft ist. Dass der Stempel im Haag nach dem von Heffner reproduzierten Siegel verwendet wurde, ist nicht anzunehmen, da wir gerade aus der letzten Zeit der Regierung Wilhelms immer nur den einen Typus finden. Da das zu Gebote stehende objektive Tatsachenmaterial keinen Schluss gestattet, wann und ob der Haager Siegelstempel in Gebrauch war, müssen wir versuchen eine Entscheidung durch eine stilistische Vergleichung des Stempels mit dem Siegel zu gewinnen. Ein alter Siegelabdruck des Stempels ist nicht bekannt. Siegel und Stempel haben den gleichen Durchmesser, 90 mm. Heffner gibt für den Durchmesser des Siegels irrtümlich 80 mm an. Die Worte der Legende sind gleich, ebenso die allgemeine Anlage der Darstellung im Siegelfelde. Im Detail aber ergeben sich wesentliche Verschiedenheiten. (Zu vergleichen für das Folgende Fig. 1 und 2).

Auffällig ist, dass auf dem Siegel (Fig. 1) nach dem Legendenkreuz nicht wie sonst unmittelbar der Name des Herrschers anschliesst, sondern dass zwischen dem Kreuz und dem Namen ein Ornament erscheint eine Rosette, links und rechts davon als Abschluss zwei Punkte übereinander. Auf dem Typar (Fig. 2) fehlt die Rosette, die beiden Abschlusspunkte aber links sind beibehalten. Das erscheint völlig zwecklos. Man kann sich die Sache wohl nur so erklären, dass der Stempel

1) Man vergleiche die gründlichen Untersuchungen von Foltz und Bresslau (N. A. 3. u. 6. Bd.) für die sächsische und fränkische Periode. Für die Herrscher von Rudolf I. bis Sigmund sei auf die folgenden Auseinandersetzungen verwiesen.

schneider nach dem Muster des Originalsiegels die Rosette auch wirklich darstellen wollte, dann aber in Anlehnung an Darstellungen auf andern Herrschersiegeln davon abkam. Die beiden Punkte übereinander blieben stehen. Durch diese Raumgewinnung musste die ganze Legende unvermutet ein anderes Aussehen bekommen. Das merkt der Stempelschneider aber erst vor dem letzten Worte: augustus. Die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben sind da auffallend breit, auch hilft er sich durch das zweimal verwendete unziale u, das natürlich breiter gestaltet ist als das spitze u, ferner durch den breitgezogenen oberen Abschlussbalken des unzialen t. Auf dem Siegel hingegen ist zwischen allen Buchstaben der Legende ein gleicher, regelmässiger Zwischenraum. Dass aber nicht das Siegel nach unserem Stempel gemacht sein kann, beweisen eben die beiden Punkte zwischen Kreuz und Name. Denn dann müssten auch folgerichtig zwischen dem letzten Wort der Legende und dem Kreuz die beiden Punkte angebracht sein. Die einzelnen Buchstaben auf dem Typar machen einen gekünstelten Eindruck, speziell das r mit dem klobigen Abstrich. Die e mit den weit auseinandergestellten doppelten Querbalken in der Mitte scheinen ganz unwahrscheinlich für die Zeit um 1250.

Sodann die Darstellung im Siegelfeld. Der Thronstuhl entbehrt auf dem Typar jeglichen Stilcharakters. Die Abschlussschrägen und die obere Abschlusskante der Rücklehne, auf dem Siegel dünne Stäbe, sind derbe Balken auf dem Typar. Die schlanken Rauken aussen an den Kanten sind zu plumpen Schnörkeln verdoppelt. In doppelter Grösse erscheint ein solcher Schnörkel, ganz widersinnig und stillos, wie ein Haken an der Ecke zwischen der rechten Schrägkante und der oberen Kante, während wir auf den Siegeln statt dessen ein wirkliches. Abschlussornament, eine dreiblättrige Lilie, treffen. Die grössten Verschiedenheiten aber weist die sitzende Figur des Herrschers auf: erstens in den Proportionen des Körpers, zweitens in der Gewandbehandlung und dem Verhältnis von Gewand und Körper. Auf dem Siegel erscheint die Figur schlank, auch der Kopf ist schmal und in die Länge gezogen. Dieser Eindruck beruht namentlich auf der unrichtigen Proportion von Oberkörper und Beinen. Auf dem Typar ist dieses Verhältnis richtig gestellt, auch der Kopf in der richtigen Grösse wiedergegeben. Besonders fällt die Länge der Hand im Verhältnis zum Arm auf dem Siegel auf; denn Ober- und Unterarm sind viel zu kurz für die lange, schmale Hand. Auf dem Typar sind beide Hände auf Normalgrösse Hand ein Viertel des ganzen Armes reduziert. Derartige Verbesserungen sind aber für die Mitte des 13. Jahrhunderts völlig ausgeschlossen.

Die Gewandbehandlung. Schon die Faltengebung beweist, dass das Siegel für die Zeit vor 1250 ein ganz vortreffliches Kunstwerk ist. Trotz allem Naturalismus lässt sich auch da ein gewisses Schema, nach dem die Falten angeordnet sind, erkennen. Auf dem Mantel über der Brust sind es Parallelfalten, die sich auf dem linken Ärmel der Tunika im gleichen Schema fortsetzen. Der Mantelüberschlag über dem Schoss zeigt ebenfalls aneinandergereihte Falten, die sich zwischen den Beinen in gebrochene, tief ausgefurchte Falten verbreiten. Auf dem Typar ist in der Gewandbehandlung keine Spur von dem Schema zu merken. Eine derartig freie Behandlung, wie wir sie da sehen, ist vor dem 15. Jahrhundert nicht gut denkbar. Der prinzipielle Unterschied aber liegt in dem Verhältnis von Gewand und Körper. Die Brechung und Führung der Falten auf dem Siegel richtet sich nicht konsequent nach dem Körper, der im Gewand steckt. So erscheint unterhalb des rechten Knie's eine tiefe Einbuchtung des Mantels; unmotiviert sind auch die Falten des rechten Armes unterhalb des Ellbogens, denn der Arm biegt schon weiter oben ab, wodurch die straffe Anziehung nach aussen ihren Halt verliert. Gerade das Gegenteil sehen wir auf dem Typar. Die Falte folgt z. B. genau der Einbiegung des linken Armes. Die Knie sind stark plastisch herausgearbeitet freilich ungeschickt die Falten gehen vom rechten. Knie aus; über der Brust werden sie zur Agraffe konzentrisch geführt.

Die angeführten Unterschiede dürften schon zur Genüge beweisen, dass das Typar eine Fälschung ist. Einen deutlichen Beweis gibt auch die Zeichnung des Gesichts. Gewiss modern ist die Wiedergabe der Augen mit starker Betonung der Augenlider. Auffällig erscheint auch die Nase. Diese tritt nämlich gar nicht im Relief hervor, ist breitgedrückt und hebt sich ganz wenig von der Fläche des Gesichtes ab. Man muss wohl annehmen, dass der Fälscher nie einen Originalstempel, ja nicht einmal einen gut erhaltenen Siegelabdruck zu Gesicht bekommen hat. Es erscheint mir noch am wahrscheinlichsten, dass der Stempel gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts hergestellt wurde, zu einer Zeit da man gewiss im Zusammenhang mit der romantischen Bewegung, die sich mit Vorliebe dem Mittelalter zuwandte - begann, grosse Sammlungen von Siegelabdrücken anzulegen. Das Sammlerinteresse findet seinen beredten Ausdruck darin, dass bald nachher in Deutschland wie in Frankreich die ersten grösseren Siegelpublikationen, die allerdings rein descriptiven Charakter haben, erscheinen. Auch der Stempel Wilhelms von Holland wurde 18591) zum ersten Male weiteren

1) Almanak voor Nederl. Katholieken 1859 und Ter Gouw: Studien over Wapen en Zegelkunde S. 171.

Kreisen bekannt gemacht und reproduziert. Eine Provenienzangabe macht aber erst der Archivar des Haager Reichsarchivs, Th. van Riemsdijk in einem Aufsatze vom Jahr 1885: dans la trésorie des chartes du Hainaut à Mons se trouvait auciennement un sceau matrice en cuivre, qu'on a deposé en 1817 aux archives de l'état à la Haye. Ce sceau est apparement une copie assez exacte de celui, dont Guillaume fit usage après son couronnement. Une matrice plus petite, également en cuivre et représentant un aigle, doit avoir servi comme revers ou contresceau. Il n'est pas prouvé, que Guillaume en ait fait usage1).

Solange aber nicht der Beweis erbracht ist, dass der Stempel tatsächlich seit 1817 schon im Haager Archiv war, möchte ich doch daran festhalten, dass die Fälschung wahrscheinlich erst gegen 1850 fabriziert wurde. Im Folgenden sollen noch ähnliche Fälle besprochen werden.

Von Richard von Kornwallis und Alfons von Kastilien sind nur die beiden von Heffner publizierten Thronsiegel bekannt. Der Durchmesser des Richardssiegels ist von Heffner unrichtig mit 83 mm angegeben; er beträgt 90 mm.

II. Rudolf von Habsburg.

In der Zeit zwischen der Wahl und Krönung Rudolfs war das Thronsiegel offenbar noch nicht in Verwendung. An der Urkunde mit dem Datum: Frankfurt 1273 Oktober 7- einer der wenigen Urkunden, die aus der Zeit zwischen Wahl und Krönung im Original erhalten sind hängen elf Siegel der mitbesiegelnden Fürsten an Presseln; das Siegel des Königs fehlt 2). Erst an einer Urkunde vom Krönungstag3) finden sich Reste des ersten Thronsiegels, die mit dem von Heffner angefürten Siegel S. 17 Nr. 75 Tafel VII Nr. 60 zu identifizieren sind. d d = 93 mm1). Dem Stempelschneider dürfte wohl das Siegel des unmittelbaren Vorgängers Rudolfs, Richards von Kornwallis, vorgelegen haben. Die Gestalt des Thronstuhles ist, wenn auch vereinfacht, übernommen. Es findet sich ein ganz ähnliches Gittermuster

=

1) Aus dem Aufsatz: Un sceau inédit de Guillaume de Hollande, roi des Romains, handelnd über dessen Electensiegel. Enthalten in: Études archéologiques, linguistiques et historiques dédiés à Mr. le Dr. C. Leemans. Leiden 1885. 2) Or. im St. A. Berlin, Reg. imp. VI n. 2.

3) Von Redlich Reg. n. 5 nach dem Druck: Gerbert, Hist. nigr. silv. 3, 190 zitiert; mittlerweile hat Schwalm im Neuen Archiv 23 S. 30/31 das Original, welches sich im Münchner Reichsarchiv befindet, publiziert.

4) Heffner hat die unrichtige Angabe von 98 mm.

zwischen den lilienbekrönten Säulenstäben der Basis; die Form der Rücklehne ist gleich, allerdings mit vereinfachter Ornamentierung, indem statt der abwechselnden Rundbogen - und Vierpassdurchbrechungen nur die ersteren angebracht sind. Der Stempel dieses Siegels war von der Königskrönung ab bis zum 18. August 1274, wo sich der Gebrauch zuletzt nachweisen lässt, ununterbrochen und allein in Gebrauch1). Eine von Rotenburg 6. April 1274 (Reg. n. 139) datierte Urkunde trägt allerdings das erst später verwendete Thronsiegel, doch hat bereits Redlich darauf hingewiesen, dass die Urkunde vom Empfänger im Kloster Weingarten nach dem Muster der vorangehenden (Reg. Nr. 138 mit dem Siegeltypus 1.) hergestellt und von der Kanzlei, aber dann erst viel später besiegelt wurde.

=

Als terminus post quem für das Auftreten des zweiten Thronsiegels ist der 28. August 1274 anzunehmen. Eine an diesem Tage ausgestellte Urkunde Rudolfs (Reg. n. 203) weist zum ersten Male den von Heffner S. 17 Nr. 74 Tafel VII Nr. 59 angeführten Typus auf. Es ist wohl bemerkenswert für die Fixierung dieser Neuerung, dass das Siegel an der ältesten in deutscher Sprache geschriebenen Urkunde König Rudolfs hängt. Ausstellort ist Strassburg. Vielleicht dürfen wir auch Strassburg als den Ort der Herstellung des Typars annehmen. Es kann darauf hingewiesen werden, dass Strassburg auch örtlich das nächste Kunstzentrum von der königlichen Pfalz Hagenau ist, woselbst sich gerade um diese Zeit König Rudolf so lange aufgehalten hat.

Dieses Siegel hat im Durchmesser 94 mm. Die Legende ist dem des vorhergebrauchten Siegels gleich. Das Legendenkreuz sowie die einzelnen Wörter sind durch je zwei übereinandergestellte Ringelchen getrennt. Die Buchstaben selbst grösser, in stärkerem Relief und im Auslauf reicher verziert. Die Figur des Herrschers ist der des vorangehenden Siegels nachgebildet. Namentlich in den Mantelfalten vom Knie abwärts ist das Vorbild ziemlich genau kopiert; Details wie der umgeschlagene Mantelzipfel unten zwischen den Füssen, sind übernommen. Über diese Anlehnungen hinaus sind doch wesentliche Fort

1) Ötter: Versuch einer Geschichte der Burggrafen von Nürnberg 2, 608, reproduziert in Facsimile mit anhangendem Siegel eine Urkunde vom 25. Oktober 1273, Rudolf belehnt den Burggrafen von Nürnberg (Reg. n. 8). Die Kupferstichreproduktion des Siegels entspricht aber dem von Rudolf erst später gebrauchten Siegeltypus. Das Siegel ist an der Originalurkunde (Reichsarchiv München) nur mehr fragmentarisch erhalten. Dieses Fragment ist identisch mit dem von der Krönung bis August 1274 gebrauchten Siegel. Ein Fragment wollte man offenbar nicht abbilden.

« PrethodnaNastavi »