Slike stranica
PDF
ePub

Da ihre Abordnung schwerlich vor dem 22. Februar 1304 bekannt wurde, so wäre dieses Datum für die Niederschrift dieses Briefes der äusserste terminus post quem.

"

Der Satz: viele meinen, dass selbst der König auch jetzt noch kein vollkommen beruhigtes und befriedetes Gewissen gegen Gott habe, weil... spricht positiv die Tatsache aus, dass sein Gewissen in etwa beruhigt und gegen früher ruhiger geworden ist. Hält man daneben nundum omnis perplexitas amota est, neque scrupulus . . . neque fama ... cessabit donec . . .", so ergibt sich ein neues Beurteilungsmoment. Jede dieser Stellen für sich allein und beide vereint weisen auf ein Geschehnis hin, das dem König ein ruhiges Gewissen verschaffen sollte.

Beachtenswert ist ferner, dass die im Schriftstück betonte Befriedung und Berubigung des Gewissens nur dem König zugeschrieben wird. Es kann sich also einzig um die Absolution des Königs und der königlichen Familie vom 25. März 1304 und um das Schreiben des. P..pstes an Philipp vom 2. April handeln; die nächst späteren Zugeständnisse brachten ja Philipp den vollen Frieden mit der Kurie, also auch volle Gewissensruhe wenigstens für die Augen des Volkes. Be: Eilbestellung der Schriftstücke (von Rom nach Paris 14 Tage) würde der terminus post quem auf Mitte April anzusetzen sein. Bis sich die Kunde dahin und dorthin verbreitete, vergingen auch nochmal etliche Tage, so dass als frühester Termin Ende April festzuhalten wäre.

Noch erübrigt die Umgrenzung des terminus ante quem. In unserem Brief offenbart sich eine sehr kritische Lage, in der Philipp schwebt; es scheint ihm überall der Boden unter seinem Thron zu schwinden. Selbst seine besten Anhänger beginnen zu wanken und abzusplittern. Ihr Beweggrund: Bis zur Stunde wurde nicht ersichtlich, dass der hl. Mutter, der Kirche, Sühne geleistet worden wäre, wie das doch Brauch und Pflicht forderte".

"

Diesem Bilde entspricht nur die eine Wirklichkeit, wie sie die Wochen vor dem endgültigen Friedensschluss zwischem dem Papste und Philipp boten. Das Friedensinstrument wurde am 13. Mai 1304 ausgestellt. Mit diesem Tage endigte die Vermittlertätigkeit der königlichen Bevollmächtigten; ihr Amt war aber erst erfüllt mit der Übergabe der Schriftstücke an Philipp. Dies geschah im Juni; denn erst ,am 28. Juni, einem Sonntage, liess Philipp die Absolution und andere päpstliche Erlässe in Notre Dame verlesen" 1). Damit trat in der öffentlichen Meinung ein starker Umschwung ein. Die Gemüter beruhigten

7) Vgl. Holtzmann S. 125.

sich, da die Verwirrten und Ängstlichen, aus dem vollen Friedensschluss entnehmen durften, dass entweder Sühne geleistet wurde oder Schuldlosigkeit vorlag, zumal die offenkundigen Anteilhaber am Attentat vom Frieden ausgeschlossen blieben; man schloss sich wieder mit vollem Vertrauen dem Könige an; die Position des Königs und der Glanz der Krone waren wieder gesichert. Von diesem Wandel der Dinge hat der Brief noch keine Ahnung: der äusserste terminus aute quem wäre somit der 28. Juni 1304.

Auch in der Fixierung dieses Zeitpunktes darf man wohl nicht auf der äussersten Grenze stehen bleiben. Sicherlich haben die Gesandten den König über den glücklichen Abschluss der Verhandlungen am 13. Mai rasch verständigt. Philipp hinwiederum musste sehr daran gelegen sein, die Misstimmung im Volke zu beheben; er wird daher auch gesorgt haben, dass die Nachricht sobald wie möglich in die Öffentlichkeit drang. Vorausgesetzt dass der Verfasser nicht ohne jede Beziehung zum Hofe war und so die neuesten Nachrichten immer baldigst erhalten konnte, wird die Annahme, dass der Brief noch vor Anfang Juni, um Mitte oder Ende Mai geschrieben wurde, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sein, da der Brief selbst noch keine Spuren irgendwelcher Bekanntschaft mit dem erfolgten Friedensschluss aufweist.

Die beiden festen Pole, zwischen welche die Abfassungszeit mit Sicherheit zu verlegen ist, sind 22. Februar und 28. Juni 1304; die wahrscheinliche Zeit der Niederschrift, die Tage von Mitte April bis Ende Mai; also rund 20. April bis 31. Mai 1304.

III. Der Adressat.

Obgleich der Brief keinen Empfänger angibt, gilt bis zur Stunde Philipp der Schöne als Adressat; denn so hatte es Boutaric erklärt1). Nur R. Scholz stiegen gelinde Zweifel auf; der Verfasser,wende sich viel mehr an die Umgebung des Königs als an diesen selbst“. Im Übrigen sieht auch er in diesem Briefe eine an den König geschriebene Ausserung 2). Kann jedoch der König nach dem Wortlaute des Briefes tatsächlich als Adressat angesehen werden?

Bei der ersten Lektüre des Briefes fällt sofort auf, dass der Brief jeglicher brieftechnischen Form entbehrt. Nicht verwunderlich allerdings ist es, dass die Anrede- und Schlussformeln fehlen; eine Kopie

1) Vgl. Notices et Extraits a. a. O.; Hist. Litt. XXVI, 501 ff.; Holtzmann, S. 117 und andere.

2) Scholz, S. 388 ff.

kann ja diese missen. Dass aber auch innerhalb des Kontextes jede Formel, wie sie in Briefen an Könige uud Kaiser nicht einmal von den Nächststehenden versäumt werden dürfen, fehlt, erregt doch ausserordentlich starke Zweifel an der Haltbarkeit der allgemeinen Tradition. Es weisen z. B. alle Briefe an Philipp den Schönen, soweit solche in den Notices et Extraits und bei Dupuy enthalten sind, diese Formen auf.

[ocr errors]

Dieser Schwierigkeit suchte Boutaric offenbar zu entrinnen, indem er das Schriftstück als mémoire" und ,note eines conseiller" 1) benannte; andere sahen in dem Schriftstücke einen Traktat. Allein, auch dafür, dass die Denkschriften der Ratgeber, die in jenen Tagen an den König gerichtet wurden, vom König in der dritten Person sprechen, lassen sich keine Beweise aufbringen. Die eine, die bei Boutaric wirklich ein Mémoire ist, weist aber die direkte Anrede auf; ebenso finden sich bei Holtzman Denkschriften Nogarets an Philipp mit den üblichen Höflichkeitsformeln. 2)

Wenn der König nicht selbst im Briefe genannt, wenn er nicht als Beteiligter an den erzählten Vorgängen angeführt würde, wäre noch kein Grund vorhanden zu zweifeln, ob der König der Adressat sei, obschon jedes Fehlen der üblichen Anrede- und Höflichkeitsformeln, denen man sonst durchwegs begegnet), etwas verdächtig wäre. Nun aber ist durchgehends die Person des Königs, ihr Verhalten und ihr Zustand Gegenstand der Darlegungen; jegliches Fehlen von Höflichkeitsformeln und direkter Anrede nur erklärlich durch die Annahme, dass der König nicht Adressat war. Abgesehen davon, dass der Brief stets vom König in der dritten Person spricht, ist doch auch auffallend, dass in einem Schreiben, das unmittelbar an den König gerichtet sein soll, nie ein auszeichnendes Prädikat gewählt wird, so oft ihn der Brief nennt. Einmal ist wohl die Rede von regalis excellentia und dignitas honoris ipsius", aber nur weil der Satzzusammenhang es so fordert.

Rein unmöglich dürften in einer Denkschrift sowohl wie in einem Brief, die an den König gehen, die beiden Schlussätze sein. Erst eine

1) Notices et Extraits XX, S. 149.

2) Vgl. z. B.Notices et Extraits XX, 2 S. 182. Holtzmann, S. 253, 258 § 7, 261. Boutaric gibt a. a. O. S. 186 ein Mémoire (de Pierre Dubois) à Philippe le Bel, pour l'engager à se faire créer Empereur d'Allemagne par le Pape Clément V. Allein das ist keine an Philipp gerichtete Denkschrift, sondern eine für die Öffentlichkeit bestimmte, politische Broschüre, wie Scholz S. 392 bemerkt. Auch das Notices et Extraits a. a. O. S. 199 angeführte Mémoire Nogarets über die Möglichkeit eines Kreuzzuges ist unter diese Kategorie zu verweisen; vgl. Holtzmann S. 207.

3) Vgl. Notices et Extraits 1. c. S. 161, 162, 165, 190.

geheimnisvolle Andeutung und dann der unvollständige Schlussatz. So schreibt ein Freund seinem Freund in vertraulichem Briefe: in einem Schreiben an einen König dürfte so etwas schwerlich nachweisbar sein.

Schon diese rein formalen Bedenken machen es höcht unwahrscheinlich, dass der Brief, sei es mittelbar oder unmittelbar, zur Lektüre des Königs bestimmt war. Es gesellen sich aber noch sachliche Erwägungen dazu.

Der Verf. bezeichnet als Grund der stets weiter um sich greifenden Misstimmung im Volke und sogar unter den Anhängern des Königs die Tatsache, dass der Kirche noch keine vollwertige Genugtuung geleistet wurde, obschon das Attentat von Anagni so viel Schatten auf die Regierung geworfen habe und nach Frankreich als der Brutstätte des Verbrechens weise. Mit dem Volke und den wankenden Anhängern des Königs findet es der Verfasser tadelnswert, dass eine Sühne bis jetzt unterlassen wurde. Ja, er bezeichnet es geradezu als Nachlässigkeit, weil noch gar nichts geschehen sei, die Aufmerksamkeit des Volkes abzulenken oder zum mindesten in der Angelegenheit selbst die Schuldlosigkeit des Königs zu erweisen. Um so verderblicher wirke diese Nachlässigkeit, als man angesichts des Verlaufes des Attentates und seiner Folgen behaupten kann, der König habe mittelbar oder unmittelbar die Hand im Spiele gehabt. Dem gegenüber, glaubt der der Schreiber, müsse man ein „consilium sanum aufsuchen, um dem König aus seiner misslichen Lage herauszuhelfen und seine Gewissensskrupel zu beschwichtigen. Das alles ist eine herbe Kritik an dem herrschenden System der gegenwärtigen Politik, die nicht nur Nogaret geleitet wurde, sondern die volle Billigung und Mitwirkung des Königs fand. Ohne Zweifel konnten alle Bedenken, die der Verfasser über das Vorgehen der leitenden Kreise vorbringt, auch dem König gegenüber geäussert werden; allein, sie so unverblümt und offen vorzutragen, dürfte der Verfasser doch wohl kaum gewagt haben; insbesondere wäre der Hinweis auf die Gewissensbedenken und das Schuldbewusstsein des Königs in einem an diesen gerichteten Schreiben meines Erachtens eine grobe Taktlosigkeit gewesen.

All die einzelnen Momente zusammengenommen machen es m. E. so gut wie sicher, dass weder die Umgebung des Königs noch der König selbst Empfänger des Briefes waren.

Wenn der König nicht der Adressat ist, wer dann? Als Anhaltspunkte, um den Adressaten aufzuspüren, ergeben sich zwei: 1. der Adressat ist ein Parteigäuger Philipps; 2. er ist literarisch gebildet und schriftstellerisch tätig.

Seine Angehörigkeit zur königlichen Partei liegt offen zu Tage; dessen bedarf es keines Beweises. Seine zweite Eigenschaft ist Voraussetzung der Aufforderung ein consilium regi sanum testimoniumque scripturarum antiquarum et fidelium clarum zu erforschen und so zu gestalten, dass es dem König in der Wiederherstellung eines unbemakelten Ansehens und des Glanzes des Königshauses gute Dienste leisten könne. Einen derartigen Auftrag pflegt man aber doch nur schriftstellerisch gewandten Personen, deren Fähigkeiten der Auftraggeber schon erprobt hat, anzuvertrauen. Der Adressat ist also unter den Schriftstellern der Königspartei zu suchen; eine gute Feder muss ihm zu Ansehen verholfen haben.

Neben diesen wesentlichen Eigenschaften des Adressaten kommt noch ein mehr untergeordneter Gesichtspunkt in Berechnung. Es wird ausdrücklich betont, dass es ein consilium et testimonium absque transgressione sein solle, das testimonium clarum" darf kein direkter Angriff auf die Person und die Personen der Gegenpartei sein, sondern soll so gehalten sein, dass der König dadurch als Beschützer der Kirche erscheint, somit nur indirekt einen Vorwurf für die Gegner bildet. Prudenter bonaque fide" soll geforscht werden: lautet ein letztes Mahnwort des Verfassers. Sollte der Schreiber vielleicht aus dem früheren Auftreten des Adressaten Anlass genommen haben, massvolle Darstellung, kluges, vorurteilsfreies Forschen zu empfehlen?

Wenn wir unter den Schriftstellern des Jahres 1304 Umschau halten, so tritt sofort ein Mann in unseren Gesichtskreis, auf den die obigen Merkmale nur zu gut stimmen: Pierre Dubois, ein Partisan des Königs, dem er sich, ich möchte fast sagen, mit Leib und Seele verschrieben hat; ein Publizist von gewandter Sprache und Darstellung. Ihm gegenüber waren auch die Mahnungen des Briefschreibers wohl angebracht; waren es doch erst zwei Jahre her, dass er in seiner Deliberatio super agendis a Philippo IV., Francorum rege, contra epistolam Bonifacii papae VIII. inter cetera continentem haec verba: Scire te volumus", bezw. in seinen Raciones inconvincibiles" dem König eine Schrift bot, von der Renan sagt, sie sei gewiss un des factums les plus violents qu'on jamais écrits contre la papauté“ 1). Der Absender unseres Briefes hat, scheint es, seinerzeit auch diese Ansicht von der Deliberatio gehegt; darum empfahl er dem Schriftsteller Mässigung und Klugheit, weil er das Gegenteil für die gegenwärtige kritische Lage nicht als zweckmässig erachtete.

"

"

Für Dubois spricht auch noch besonders, dass er im Jahre 1304 eine Broschüre vom Stapel liess, die bekannte Bitte (Supplication) des 1) Hist. Litt. XXVI, 476.

« PrethodnaNastavi »