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französischen Volkes au den König wider Bonifaz VIII. 1), die den Stempel der Anregung durch unsern Brief an der Stirne trägt. Sie ist in französischer Sprache geschrieben und offenbar auch auf die öffentliche Meinung berechnet. . . . Sie gibt sich als eine Bittschrift des Volkes an seinen König aus, bestimmt, ihn zu veranlassen, offen vor aller Welt zu erklären, dass Bonifaz VIII. ein Ketzer gewesen sei, nicht er, der König und sein Volk"; sie ist etwa in den Herbst des Jahres 1304 zu setzen").

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Anf einen wesentlichen Unterschied zwischen der in der brieflichen Anregung vorgezeichneten Broschüre und der Dubois'schen Publikation möchte ich nicht verfehlen hinzuweisen. Nach der Absicht des Briefschreibers sollte Bonifaz und seine Auhäuger nicht unmittelbar veruuglimpft, sondern vorzugsweise der König und das königliche Haus in rosigem Lichte geschildert und dadurch erst auf die Gegenpartei ein Angriff gemacht werden. In der Supplication ist dagegen Bonifaz der unmittelbar behandelte und geschmähte und das nicht mit geringerer Leidenschaftlichkeit als in der Deliberatio. Diese Verschiebung erklärt sich äusserst leicht: der Brief regte während der kritischen Lage des französischen Königs zur Abfassung der Schrift an. Während sie ausreifte, wurde der Friedensschluss Philipps mit der Kurie bekannt. Nun war es nicht mehr notwendig, den König zu verteidigen und zu schützen; es galt nur noch Bonifaz vollends moralisch tot zu machen, um so den König im vollen Glanze eines defensor ecclesiae" erscheinen zu lassen.

IV. Der Verfasser,

Während die meisten Forscher bezüglich des Adressaten beinahe unbedenklich der allgemeinen Tradition folgten, schwankten die An

1) Dupuy, Hist. du Diff. S. 214. Wenck hält diese Flugschrift, die auf die öffentliche Meinung wider Bonifaz VIII. zu wirken bestimmt war, mit noch anderen Schriften für bestellte Arbeit; offenbar nimmt er den König oder doch dessen Räte als Auftraggeber an. Die Möglichkeit eines unmittelbar königlichen Auftrages wage ich nicht voll zu bestreiten; denn es lässt sich nicht mit unumstösslicher Sicherheit dartun, dass zwischen unserem Briefe und der Supplikation ein innerer notwendiger Kausalnexus besteht, obschon verschiedene Momente auf einen solchen hinweisen. (Vgl. Wenck, Philipp S. 12 Anm. 2 und auch Scholz a. a. O.). Selbst wenn, wie unten nachzuweisen versucht wird, Richard Leneveu der Verfasser des Briefes ist, liesse sich an einen königlichen Auftrag denken, der in dem Aufenthalt des Königs zu Nîmes im Anfang des Jahres 1304 und in der Kopie des Briefes für ein königliches Register seine Bestätigungsmomente fände.

2) Scholz a. a. 0.

sichten über den Verfasser zwischen verschiedenen Persönlichkeiten. Drei Autoren wurde der Brief zugeschrieben: Pierre Dubois, Nogaret und dem Kardinal Napoleon Orsini. Keine der Hypothesen konnte durchdringen, weil man sich zumeist mit der Behauptung begnügte, ohne einen möglichst vollgültigen Beweis zu erbringen.

Der Herausgeber des Briefes, Boutaric, der sich in den Begleitnotizen auch mit dem Urheber des Briefes beschäftigte, meint, dass er aus der Feder eines Ratgebers der Krone geflossen sei"; in seinen Augen ist Wilhelm Nogaret der Verfasser. Ihm schlossen sich Schwab, Langlois und zuletzt Wenck an. Das schlagende Beweismoment war ihnen meque": Nogaret avait seul le droit de se nommer immédiatement, après Philippe le Bel comme le promoteur de la disgrace de Boniface VIII1)."

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Schwab stützte sich mehr auf den Vergleich mit den sonstigen Verteidigungsschriften Nogarets * 2). Leider lässt uns der bewährte Kenner Dubois', Langlois, ohne jegliche Begründung, warum er das Dokument avec plus de raison Nogaret zuschiebt3). Wenck schliesst sich Schwab und Langlois an1).

Gegen Nogaret als Autor sprechen alle hervorstechenden Merkmale des Briefes, sowohl was Inhalt als was Stil betrifft. Holtzmann und Scholz, die sich früher mit Nogarets Darstellungsweise beschäftigt haben, lehnen aus stilistischen Bedenken die Autorschaft Nogarets ab3). Scholz macht ausserdem darauf aufmerksam, dass Nogaret schärfere Mittel als hier der Verfasser gefordert hätte, ferner, dass der Verfasser des Briefes skeptische Ansichten über den Wert, welche die Worte und Zeugenaussagen für den König haben könnten, äussere". Renan bemerkt höchst feinsinnig: Ce n'est pas lui (Nogaret), qui eût dit qu'on n'avait pas encore assez satisfait à Dieu et à l'Eglise"; ihm (Renan) verrate das Geheimnisvolle, womit der Verfasser sich umgeben habe, diese Art, die Aufmerksamkeit und Neugierde des Königs (bezw.

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1) Notices et Extraits XX, 2 S. 149 f. L'auteur de cette note est, à mes yeux, Guillaume de Nogaret.

2) Theologische Quartalschrift 48, 24 ff. Schwabs teilweise Übersetzung und Inhaltsangabe ist nicht ohne bedenkliche Ungenauigkeiten und darum seine Schlussfolgerungen ohne gesichertes Fundament. Seinen Darlegungen folgte Döllinger, Akad. Vorträge III, 251.

3) Langlois in seiner Introduction zur Edition von Pierre Dubois, De Recuperatione Terre Sancte S. X, Anm. 2.

4) Wenck, Philipp S. 61 f. und GGA 1899, 39 nachdem er sich GGA 1893, 132 Anm. 4 dahin erklärt hatte: Renans Gründe gegen Nogaret sind schlagend, nicht überzeugend seine Gründe für Dubois*.

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*) Holtzmann, S. 117, Anm. 2. Scholz S. 388 ff.

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des Adressaten) zu wecken, tant d'autre signes un homme de rang inférieure: Nichts stimme zur hohen Stellung eines Ministers. Immerhin weiss Renan sich keinen rechten Ausweg; denn das meque" deute doch wieder auf eine hochgestellte Persönlichkeit, s'il n'est pas faute“ 1).

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Den genannten Einwendungen gegen Nogarets Autorschaft seien noch weitere Gedanken angefügt. Wie in den Untersuchungen über den Adressaten bemerkt wurde, enthält der Brief eine ziemlich herbe Kritik an dem herrschenden System der Politik. Undenkbar ist es, dass ein Kanzler sein eigenes Verhalten in dieser Weise vor dem König (wenn ich mich auf den Standpunkt der Tradition stelle) bemängeln darf, ohne für seine Stellung zu riskieren; ebenso unbegreiflich wäre es, dass sich Nogaret einem untergeordneten Manne gegenüber eine solche Sprache erlaubt hätte.

Abgefasst wurde der Brief, während die Verhandlungen mit dem Papste Benedikt XI. schwebten. Nogaret war mitbeteiligt und musste also ganz genau wissen, welche Erfolge bis dahin erzielt waren. Ganz unvereinbar ist diese Tatsache mit der unsicheren Kenntnis der Vorgänge in Rom, wie der Brief sie offenbart und die keineswegs eine erkünstelte ist. So schliesst man sich zuletzt dem Worte Renans an: Rien de tout cela ne convient à Nogaret".

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Jene Gruppe von Forschern, die Nogaret als Verfasser ablehnte, erhob Pierre Dubois als ihren Mann auf den Schild. Als erster trat für ihn Renan ein. Unter anderem glaubte er darauf hinweisen zu müssen, dass der Verf, augenscheinlich einer Partei angehört habe, die eine Mittelstellung zwischen den Feinden des Papstes und den Ultramontanen einnahm2). Völlig Unrecht hat Renan mit dieser Behauptung nicht nur dürfte sie doch nicht auf Pierre Dubois anzuwenden sein, es sei denn, dass er in seinen Flugschriften etwas mehr ausgesprochen hat, als es ihm wirklich ums Herz war; seinen Schriften nach zu schliessen, wandelte er unbeirrt in den Bahnen der schärfsten Königsparteiler.

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Eigentliche Gründe für seine Annahme, Dubois sei der Verfasser, liefert R. Scholz auch nicht. Besondere Schwierigkeit bereitet ihm auf seinem Standpunkte, das ominöse meque"; zur Erklärung deutet er auf des Legisten agitatorische Tätigkeit im Jahre 1302; offenbar schweben ihm Dubois' Flugschriften vor. Selbst wenn das meque" seinen Platz behaupten würde, wäre dieser Erklärungsversuch mit einem

1) Hist. Litt. XXVI, 500 f.

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2) Hist. Litt. a. a. O. 499 f. L'auteur de la nôtre rémise au roi appartient à un parti intermédiaire entre celui des ennemis de Boniface et celui des ultramontains.

sehr starken Fragezeichen zu versehen, da es gar nicht ausgemacht ist, dass die ihm heute zugeschriebenen Flugschriften unter seinem Namen gingen. Und im Ernste kann Dubois' publizistische Tätigkeit, mag sie auch noch so gross gewesen sein, nicht einmal als Beteiligung am Attentat von Anagni gedeutet werden.

Bekennt man sich zu Dubois' Autorschaft, so gelangt man letztlich zu Absonderlichkeiten, die allerdings der Eitelkeit des Publizisten zugute geschrieben werden, die jedoch im Briefe selbst gar keine Stützpunkte besitzen 1).

Neuerdings hat nebenbei Finke den Kardinal Napoleon Orsini als Verf. des Briefes bezeichnet 2); er ging von der richtigen Ansicht aus, dass Nogaret nicht der Verf. sein könne. Ausser Nogaret konnte aber nur Napoleon Orsini von sich als einem Teilnehmer am Attentat sprechen3); Finke stützte sich also auch auf das, meque", was ich ablehne.

Zudem war Orsini, der Franzosenfreund und Gegner Bonifaz VIII., sicherlich während der Unterhandlungen mit der französischen Gesandtschaft in Rom, um auf sie Einfluss zu gewinnen. Selbst wenn ihm unmittelbare Teilnahme nicht möglich gewesen wäre, hätte sich der Kardinal jederzeit aufs beste über den jeweiligen Stand der Erfolge und Misserfolge unterrichtet, so dass er dem König ganz andere Dinge berichtet hätte, als sie in unserem Schriftstück mitgeteilt sind. Die Unkenntnis über die Vorgänge an der römischen Kurie schaut aus allen Ecken und Enden des Briefes. Um so besser kennt er sich mit den Vorgängen in Frankreich aus; ganz genau sind ihm Stimmung und Gerede der Freunde und Feinde bekannt. Er weiss Gerüchte von Zugeständnissen an den König und von geleisteter Busse am Hofe. Die reges Francorum und das regnum", deren Glanz und Ansehen behaupten den Vordergrund seines Interesses. Erst in zweiter Reihe steht die Kirche; für die Kurie hat er keinerlei Sympathie. Die gloire" des Königshauses und damit auch des französischen Volkes ist seine Herzenssorge: der echte, leibhaftige Franzose, der in den Tagen, wo er den Brief schreibt, schwerlich ausserhalb der Grenzen Frankreichs zu suchen ist wenigstens nicht an der Kurie.

Scholz a. a. O.

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2) In seiner Rede Zur Charakteristik Philipps des Schönen auf dem Historikertag zu Salzburg. Vgl. diese Zeitschr. XXVI S. 212.

3) Vgl. den Vorwurf, den ihm sein Onkel Matthäus Rosso macht. Finke, Aus den Tagen Bonifaz' VIII. S. 282.

Mitteilungen XXIX.

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Ebenso wenig scheint er sich unmittelbar am französischen Hofe aufgehalten zu haben 1); denn was dort vorgeht, muss er sich gerüchtweise ,secundum quosdam" - mitteilen lassen. Genauere Mitteilungen über seinen Aufenthaltsort - ob Provinz oder Paris lassen sich aus dem Briefe nicht herausschälen. Wenn der Verfasser auch nicht unter den unmittelbaren Ratgebern des Königs zu suchen ist, so verrät doch der ganze Brief unstreitig einen Mann, der einen ziemlich tiefen Einblick hat 2).

Ein weiteres Kennzeichen des Verfassers ist seine Parteizugehörigkeit; Renan bereits belegt ihn mit Beschlag für eine Partei, die weder echt bonifazisch noch echt philippisch ist, sondern zwischen beiden laviert.

In etwa gibt ihm der Brief recht; nur wird man keine eigene Partei konstruieren dürfen, sondern lediglich von einer Parteischattierung oder höchstens von einer den Umständen angepassten vorsichtigen Stellung reden können. Der Brief deutet auf einen Mann, der zwar ganz auf des Königs Seite steht, dem die Person des Papstes Bonifaz ebenso verhasst ist wie den königlichen, der jedoch mit Rücksicht auf die Kirche ein massvolleres Vorgehen bis jetzt gewünscht hätte und für die Zukunft fordert, kurz ein Mann der Königspartei, ohne ihre herrschenden radikalen Tendenzen zu teilen.

1) Dagegen, dass der Verf, zur allernächsten Umgebung des Königs gehörte, scheint mir auch der Passus: profecto non parvipendendum esset ipsi neque suis, immo valde magni pendendum apud prudentes atque regi benivolos zu sprechen. Der Verf. rechnet, so scheint es mir, sich nicht unter die „suis und auch nicht unter die,prudentes atque regi benivolos".

2) Der Absender des Briefes wusste aufs genaueste, wie es mit der Anzettelung des Attentates von Anagni stand; er kannte die Schuldigen, den König und Nogaret. Es ist nämlich im höchsten Grade auffallend, dass der Autor um die öffentliche Meinung zu beruhigen, nicht vorschlägt, was doch der geradeste und sicherste Weg gewesen wäre, die Unschuld des Königs auf Grund von Akten und Zeugnissen aus der jüngsten Vergangenheit zu erweisen und zu erhärten. Das hätte doch wahrlich genügt die aufgeregte Volksseele zu beruhigen und hätte seinen Zweck, die Position des Königs gegen jeden Angriff zu festigen, ganz sicher erreicht. Statt dessen nimmt er zu einem Gaukelspiel seine Zuflucht. Nach Art eines Taschenspielers soll Dubois den alten Glanz des Königshauses aufputzen und dem Volke geschickt vorführen, auch aus Philipps Leben beiziehen, was beigebracht werden kann, um so das Volk zu blenden und seine Aufmerksamkeit abzulenken.

Dadurch beweist der Brief:

1. der Verfasser weiss, dass die Schuld des Königs nicht in Abrede gestellt werden kann,

2. der Verfasser muss unter den Vertrauten des Königs gesucht werden, wenn auch nicht unter seinen umittelbaren Ratgebern.

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