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Der Donaufeldzug von 1546.

Von

P. Schweizer,

Mit einer Karte.

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Einleitung.

Über den ersten Feldzug des schmalkaldischen Krieges existiert keine zusammenfassende Monographie, da die Abhandlungen von Hasenclever, Schmidt und Baumgarten nur die diplomatische Seite des Krieges behandeln, die von M. Lenz 1883 begonnene Kriegführung der Schmalkaldner an der Donau im 49. Band der histor. Zeitschrift bei einem ersten Artikel stehen geblieben ist, welcher nur die Vorgeschichte des Krieges, die Unternehmungen Schertlins, schildert und da aufhört, wo durch Vereinigung der kursächsichen und hessischen Fürsten und Truppen mit den süddeutschen Bundesgenossen am 3. August erst der eigentliche Krieg beginnt, obgleich Lenz durch seine kritische Abhandlung Der Rechenschaftsbericht Philipps des Grossmütigen über den Donaufeldzug" 1885 die beste Vorarbeit dazu geliefert hat. Zwar hat Druffel in den Münchner Sitzungsberichten 1882, 2. Band 342 bis 399 einen Beitrag zur militärischen Würdigung des Schmalkaldischen Krieges veröffentlicht; aber diese Abhandlung des sonst durch die mustergiltige Ausgabe des Viglius-Tagebuches und seine Beiträge zur Reichsgeschichte für diese Zeit so hoch verdienten Forschers muss als verfehlt und dem Titel wenig entsprechend bezeichnet werden. Es war ein unglücklicher Gedanke, diesen Krieg, für welchen so zahlreiche Schilderungen persönlich Beteiligter aus beiden Lagern zu Gebote stehen, von dem Urteil des nichtbeteiligten italienischen Historikers Jovius abhängig zu machen und seine in der Tat kaum ernstgemeinten

Lobeserhebungen zu Gunsten des Kaisers, die Vergleichung mit Caesar, Karl dem Grossen und Fabius Cunctator als bestimmend und verführend für die wesentlichsten Quellenschriften hinzustellen. Dabei wäre mindestens zu unterscheiden gewesen zwischen den beiden ersten in keiner Beziehung passenden Vergleichungen und der weitzutreffenderen mit dem Cunctator, die so naheliegend war, dass sie auch von andern, von Faleti (p. 115), sogar von protestantischen Quellen gemacht wurde, wie von der Flugschrift,Pasquillus 1546*1) und vom Anonymus Menckenianus (p. 1456). Der Irrtum des Jovius, welcher dem Kaiser überall entschieden offensive Absichten zuschreibt, verführt Druffel zu gleicher Beurteilung der Quellen, als ob die von Avila und teilweise auch den Commentaires Karls V. selbst dem Kaiser zugeschriebenen Angriffspläne ernst und wahrhaft gemeint, dagegen die in Wirklichkeit von ihm befolgte kunktatorische Methode ihm erst nachher auf Grund des Briefes von Jovius zugeschrieben worden wäre. Aus der folgenden Darstellung dürfte sich wohl des bestimmtesten das Gegenteil ergeben und wieder eine der Rankeschen näherstehende Auffassung, so dass wenn auch nicht gerade in der ersten Vorbereitung, so doch in der Durchführung des Krieges,die bewunderungswürdige Umsicht des Kaisers" so wenig überschätzt wurde, als die Unklarheit und Unentschlossenheit seiner Gegner zu einseitig betont worden" ist, wie Druffel meint2).

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Quellen.

Der reiche Quellenkreis für diesen Feldzug ist von Voigt: Die Geschichtschreibung über den schmalkaldischen Krieg 1874 in trefflicher Weise zusammengestellt, durch Lorenz: Beiträge zur Geschichtschreibung des schmalkaldischen Krieges 1876 und namentlich durch Lenz: Der Rechenschaftsbericht Philipps des Grossmütigen über den Donaufeldzug 1885 so vorzüglich beleuchtet worden, dass ich mich hier mit einer kurzen Skizzierung meiner Auffassung der wesentlichsten Quellen begnügen kann.

Von den Quellen aus dem kaiserlichen Lager gibt zwar Avila eine anscheinend vollständige, gut abgerundete Geschichte des Krieges, entstellt ihn aber durch chronologische Irrtümer und durch schmeichlerische Herausstreichung der gar nicht vorhandenen offensiven Absichten des Kaisers so sehr, dass man am besten auf diese Quelle, so gut es geht, verzichtet. Da die lateinische Ausgabe van Male's eine

1) Vgl. Druffel, Sitzungsberichte 346.
2) Druffel, Sitzungsberichte 368.

willkürlich erweiternde Überarbeitung ist, die alten spanischen Ausgaben sehr selten sind, zitiere ich nach der Ausgabe der Biblioteca de Autores Españoles, tomo XXI 410-449. Karls eigene Commentaires gestehen viel wahrhafter allerlei Misserfolge und die viel bescheideneren Absichten ein, wurden daher mit Recht von Ranke hochgestellt, wenn er auch noch wenig Mittel zu ihrer Kontrollierung beIch zitiere nach Warnkönigs deutscher Übersetzung, obschon sie p. 110 und 111 einen schlimmen Fehler Neuburg statt, Neustadt" macht, habe übrigens in beiden Fällen die ursprünglichen Texte benützt. Immerhin verschleiert auch der Kaiser noch manches und scheint so viele Fehler er den Gegnern vorrechnet, absichtlich seine allerschlimmsten Situationen bei Neustadt und beim Bezug des Ingolstädter Lagers zu vertuschen.

sass.

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Für die auf kleine Reiterscharmützel sich beschränkenden militärischen Aktionen des Krieges sind die Geschichtschreiber der italienischen Reiterführer, Godoi, Sekretär des Fürsten von Sulmona, und Faleti, Begleiter Francescos von Este, des Generalhauptmanns der kaiserl. Reiterei, von grossem Wert. Diesen chronologisch oft unbestimmten oder schiefen Quellen kommt das chronologisch ganz genaue Tagebuch des Viglius van Zwichem, kaiserlichen Sekretärs, zu Hilfe, von Druffel mit reichem Commentar und Ergänzungen aus Briefen herausgegeben. Dem schon von Ranke edierten Tagebuch des Markgrafen Hans von Brandenburg-Cüstrin, der dem Kaiser 600 Reiter zuführte, kann man nicht ganz die gleiche Bedeutung zusprechen, wenn es auch als Quelle aus dem protestantischen Teil des kaiserlichen Lagers interessant ist.

Für die Truppenstärke des Kaisers, worüber der Anonymus Menckenianus gegen Avila polemisiert, ist entscheidend der Catalogus exercitus von Mameranus 1550, wovon Hortleder II 375 auch eine deutsche Übersetzung gibt. Sein Verzeichnis des schmalkaldischen Heeres, daselbst 415, ist natürlich weniger zuverlässig; es fehlt überhaupt an sicheren Angaben darüber.

Äusserst erwünscht ist dagegen, dass diese kaiserlich gesinnten Quellen durch eine objektivere des venezianischen Botschafters Mocenigo aus dem kaiserlichen Lager ergänzt werden; wertvoller als seine seit 1870 bekannte Schlussrelation) sind seine unmittelbaren Depeschen, die in der Ausgabe der Wiener Academie von Turba unter Leitung Büdingers 1892 hier zum ersten Mal für die Geschichte des Krieges benützt werden und durch Übereinstimmung mit schmalkaldischen Quellen viele Rätsel lösen, unten als Dispacci zitiert.

1) Fontes rerum Austriacarum II. tom. XXX.

Kaum minder reichhaltig sind die Quellen aus dem schma lkaldischen Lager. Drei derselben beziehen sich speziell auf Schertlin von Burtenbach. Die zuverlässigste sind Schertlins eigene Briefe an Augsburg, von Herberger 1852 herausgegeben. Wenn sie auch anfangs oft die Sachlage und die Kriegslust der Verbündeten günstiger darzustellen suchen, als sie war, schon mit Rücksicht auf die in Augsburg ziemlich starke Friedenspartei, so lassen sie doch, da sie in grosser Eile geschrieben sind, an anderen Stellen nicht nur die Zerfahrenheit und Uneinigkeit der Führer erkennen, sondern zeigen auch deutlich, dass Schertlin selbst nicht so energisch gesinnt war, wie er es nachher in seiner Autobiographie, ed. Schönhut: Leben und Taten Schertlins 1858, darzustellen sucht. Obschou er den Bürgermeister am 2. August bat, alle seine Briefe aufzubewahren, damit sie seinerzeit zur Bearbeitung einer Kriegsgeschichte benützt werden könnten, sind die Briefe dann doch weder zu seiner Autobiographie noch zu der fälschlich Schertlin zugeschriebenen Kriegsgeschichte des Anonymus Menckenianus1) benützt worden, lassen vielmehr diese beiden Werke in recht bedenklichem Lichte erscheinen, da z. B. beide im Widerspruch zu den Briefen dem Landgrafen die Unterlassung des Angriffs auf München schuld geben, auch Misserfolge Schertlins selbst auf andere schieben. Wie der hier besonders in Betracht kommende Teil der Autobiographie hauptsächlich gegen den Landgrafen polemisiert, so erschöpft sich der Anonymus, wo er nicht die Autobiographie ausschreibt, mit unglücklicher Polemik gegen Avila und hat nur an einigen Stellen, wo er in erster Person spricht, originalen Wert; doch scheinen mir diese Stellen nicht auf den Verfasser bezüglich, der ein humanistisch gebildeter und durch wörtliche Übersetzungen aus dem Lateinischen im Stil verbildeter Gelehrter war, (vielleicht doch der Schertlin beigegebene Doktor Niclaus Maier), sondern auf wörtlicher Herübernahme einzelner Berichte eines Kriegsmannes zu beruhen. Jedenfalls verdient diese etwas späte, erst 1555 verfasste und abgeleitete Quelle nicht die Beachtung, die ihr Ranke und andere zu Teil werden liessen. Wie Druffel 386 diesem Scribenten eine Kenntnis der Beratung des Kaisers mit seinem Beichtvater zutrauen kann, ist auch nicht recht begreiflich. Die Dispacci II 85. wissen wohl von des Beichtvaters Krankheit, aber nicht von seinem Tod, den der Anonymus erzählt.

Unter den hessischen Quellen zeigt sich ein ähnliches Verhältnis zwischen den im Lager geschriebenen Zeitungen und Briefen des Landgrafen, welche Lenz in seinem Rechenschaftsbericht heraus

1) Mencken, Scriptores III 1362.

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gegeben hat und dem späteren Rechenschaftsbericht, welchen schon Rommel III 139 edierte, wie auch namentlich einem noch spätern, mit Unrecht dem Simon Bing zugeschriebenen Diarium1). Jene Zeitungen und Briefe sind für die Facta am zuverlässigsten, aber etwas farblos gehalten ohne Erwähnung der vielfachen Differenzen zwischen den Führern. Bestimmter sind diese im Rechenschaftsbericht angedeutet, auf die Spitze getrieben im Diarium mit persönlichen Vorwürfen gegen den Kurfürsten, während früher nur seine allzu witzigen Räte und Offiziere angeklagt wurden. Auffallend und parallel zu den Schertlin'schen Quellen ist aber, dass auch der Landgraf in seinen Berichten viel angriffslustiger und energischer dargestellt wird als in den Zeitungen und Briefen. Die Vergleichung mit diesen und mit Schertlins Briefen lässt überall erkennen, dass Philipp in diesem Kriege nicht mehr der energische und tatkräftige Mann war, wie früher, dass er seine Vorschläge zur Offensive nicht mit nachdrücklichem Erust, sondern mehr nur als Redensarten und Erinnerungen an frühere Taten vorbrachte und erst im Diarium dies alles als bestimmte Auträge hinstellte, die regelmässig am Widerspruch des Kurfürsten gescheitert seien. Auch Leuz scheint ihm hier etwas zu viel Glauben zu schenken und hat leider die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Diariums unbeantwortet gelassen, während ich sie in dem eben angedeuteten Sinne beantworte.

Da von hessischer Seite und zum Teil auch von Schertlin, aber nicht überall übereinstimmend, so heftige Vorwürfe gegen Kursachsen gerichtet wurden, ist besonders zu bedauern, dass von dieser Seite keine brauchbare Quelle vorliegt. Ratzeberger kann mit seiner fast in Verücktheit ausartenden Verräterriecherei und seiner Behauptung, der Landgraf habe seine Geschütze bei Ingolstadt absichtlich zu hoch gerichtet, so wenig in Betracht kommen als der zu Moritz übergegangene Camerarius mit seiner in griechischer Sprache geschriebenen Geschichte des schmalkaldischen Krieges2).

Der sehr überschätzte Sleidan erweist sich auch hier als eine so unglückliche, farblose und unselbständige Compilation aus bekannten Druckschriften, besonders den hessischen Rechenschaftsberichten, dass es unverantwortlich wäre, ihn zu zitieren. Noch weniger können die übrigen abgeleiteten Werke von Hortensius, Schlusser v. Suderburg etc. in Betracht kommen. Doch bietet dieser ganze Quellenkreis ein lehrreiches und warnendes Beispiel, wie tendenziös und verschleierud auch. die von direkt Beteiligten ausgehenden Quellenschriften sein können;

1) Ediert bei Mogen, Historia Captivitatis Philippi 1766.

2) Freher-Struve, Scriptores III.

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