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ein Glück, dass sie durch ihre grosse Zahl und ihre verschiedenartigen Parteistandpunkte sich gegenseitig korrigieren. Dagegen bedarf die grossartige Aktensammlung Hortleders infolge irriger Behauptungen über ihre Editionsverhältnisse hier noch einer Besprechung.

Hortleder, Handlungen und Ausschreiben von Anfang, Fortgang und Ausgang des teutschen Krieges 1645 zitiere ich in dieser 2. Ausgabe, von Hortleders Schwiegersohn Prüschenk, weil sie in meinem Besitz und weniger selten ist als das ursprüngliche 2. Werk Hortleders von 1618, obwohl dieses Werk keineswegs unvollendet und unediert blieb, wie Wegele Historiographie 372 und A. D. B. behauptet, da z. B. die Basler und die Züricher Stadtbibliothek ein Exemplar besitzen; auch bildet das Buch von 1618 keineswegs einen 3. Band des 1.Werkes, der, wie Voigt meint, bis auf das Dresdener Exemplar vernichtet wurde; sondern ein neues Werk, das den Krieg selbst betrifft und seine Quellenschriften von Avila, Godoi und Faleti enthält, während das erste Werk, nur von der Vorgeschichte und dem Ursprung des Krieges handelt. Nach Wegeles Angabe würde also gar kein Werk Hortleders über den Krieg selbst existieren, während wir es doch in 2 Ausgaben besitzen! Dagegen ist Wegeles Befürchtung, in der Ausgabe von 1645 gar nicht den echten Hortleder vor sich zu haben, müssig, was den Inhalt betrifft; verschieden sind nur Band- und Seitenzahlen, da Prüschenk die beiden Werke von 1617 und 1618 in ein zweibändiges Werk zusammenzog und mit Porträts, Plänen, Schlachtenbildern etc. bereicherte, die dem ursprünglichen Hortleder noch fehlten. Die neue Ausgabe von Dahlmanns Quellenkunde Nr. 5881 macht aus den früheren irrigen Angaben, aber auch nach Vorgang der A. D. B., eine neue Konfusion, indem sie das Werk von 1618 ungenau als 3. Band bezeichnet und die auf diesen bezügliche irrtümliche Angabe der Nichtvollendung auf einen ganz unmöglichen 3. Teil der Ausgabe von 1645 bezieht! Alles zusammengenommen ein recht drastisches Beispiel für die dürftige und unkritische Behandlung der wichtigsten Quellenschriften des 17. Jahrhunderts, wie sie auch Lenz (in Raschins Bericht) beklagt.

Kunktatorische Kriegführung.

Der erste Teil des schmalkaldischen Krieges wurde von den Zeitgenossen, wie z. B. Avila, als ein eigener, vom zweiten Teil, dem Elbefeldzug, unabhängiger Krieg betrachtet und kann als Donaufeldzug bezeichnet werden; er unterscheidet sich von jenem dadurch, dass er vom ganzen schmalkaldischen Bund geführt wird, während beim Elbefeldzug der Kurfürst von Sachsen allein dem Kaiser und Herzog Moritz

gegenübersteht, dieser Feldzug also nicht im vollen Sinne zum schmalkaldischen Krieg gerechnet werden kann. Für den Donaufeldzug ist aber gerade der föderalistisch-alliierte Charakter auf schmalkaldischer Seite im Gegensatz zu der einheitlichen Führung auf der kaiserlichen Seite bezeichnend; er erklärt die durchaus widersinnige Kriegführung. Der Donaufeldzug ist dadurch merkwürdig, dass von allem, was sonst Kriege interessant macht, nichts vorkommt; keine Schlacht, kaum ein ernstliches Gefecht, keine eigentlichen Belagerungen und gewaltsamen Erstürmungen von Städten; nur ein fortwährendes nebeneinanderherund aneinander vorbei-Marschieren auf einem sehr ausgedehnten Gebiet, fünfmaliges Gegenüberlagern1) ohne andere militärische Operationen als kleine Reiterscharmützel und Hinterhalte, von kaiserlicher Seite einige Überrumpelungen von Städten, von schmalkaldischer Seite ein gewaltiges, aber wirkungsloses Bombardement. Mann kann aber in gewissem Sinne die Kriegführung auf beiden Seiten als kunktatorisch bezeichnen, wie denn wenigstens die des Kaisers schon von verschiedenen Zeitgenossen mit der des berühmten Kunktators Fabius Maximus verglichen wurde. Die kunktatorische Kriegführung war in älterer Zeit viel beliebter und häufiger als heute), wurde aber meist nur von einer Partei geübt und bedeutete dann ein viel strategische3) Kunst erforderndes Vermeiden eines entscheidenden Zusammenstosses von Seite einer an Zahl oder Schlagfertigkeit schwächeren Armee oder auch von einer, deren Niederlage die schlimmsten Konsequenzen gehabt hätte, während sie beim Aufschub eher gewinnen oder den Gegner schwächen konnte. Meist kamen wohl politische Gründe zu den militärischen hinzu. So war der Zug Herzog Albrechts von Österreich gegen den König Adolf von Nassau, wobei es darauf ankam, auf dem Wege von Österreich

1) Diese Anlegung verschanzter Lager in unangreifbarer Stellung war auch ein in dieser Zeit beliebtes Prinzip, da der Herzog Albrecht von Preussen in seinem Kriegsbuch lehrt, wie man sich mit Vorteil lagern und im Lager halten soll; vgl. Jähns Geschichte der Kriegswissenschaft I p. 516. Dagegen sagt Clausewitz, Vom Krieg I 204., Damit die Verteitigungsstellung ein Schlachtfeld werde, dürfen die Vorteile nicht überpannt werden.

2) Clausewitz, Vom Krieg I 231 und III 81 behandelt sie geringschätzig als ein Halbding, das nur bei Mangel an grossen Interressen eintrete und zu keinem Ziel führe; aber diese beiden Einschränkungen stimmen für diesen Krieg gar nicht, mit dem sich Clausewitz auch nie beschäftigte, und doch hätte er ihn interessieren können, da er II p. 340 das Vorbeimarschieren an einer defensiven Stellung als seltenen Fall bezeichnet.

3) Strategie brauche ich hier im wörtlichen Sinne von Heeresmarschführung, nicht im modernen vom Gefecht, wie Clausewitz, Vom Krieg I 169, wo aber Il 376 auch von strategisch Manövrieren als einem Spiel gleichgewichtiger Kräfte die Rede ist.

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nach Frankfurt, wo ihn die Kurfürsten zum König wählen wollten, jeden Zusammenstoss mit dem bisherigen König, der ihm den Weg verlegte, zu vermeiden, eines der seltenen Meisterstücke mittelalterlicher Strategie, von den gegnerischen Quellen verständnislos oder tendenziös als Feigheit ausgelegt. Der von Karl V. geschulte Alba wandte diese Methode in seinen späteren Feldzügen an. Ein Kunktator war auch Wallenstein, der den Gegnern nach ihrem eigenen Geständnis die Direktion der Kriegführung aufzunötigen verstand1).

Wie beliebt eine derartige Kriegführung gerade zur Zeit Karls V. war, zeigt die um 1535 von dem französischen Staatsmann Guillaume du Bellay verfasste Instruction sur le fait de la guerre, wenn sie sagt, der General soll nie eine Schlacht wagen, wenn er nicht völlig überzeugt ist, im Vorteil zu sein; einer übermächtigen Invasion soll man mit hinhaltendem Krieg begegnen (temporizer contre l'ennemi); Verteidigung des eignen Gebietes dem Einfall in das feindliche vorziehen 2). Natürlich ist die kunktatorische keine an und für sich in allgemeinen gültige, sondern nur in bestimmten Fällen anwendbare Methode; aber eben dadurch ist dieser Feldzug so interessant, da er zugleich ihre richtige und ihre falsche Anwendung zeigt.

Fast ohne Beispiel ist aber eine von beiden Seiten geübte kunktatorische Kriegführung, wie sie im schmalkaldischen Donaufeldzug vorliegt und dennoch mit dem Siege der einen Partei endet. Auf schmalkaldischer Seite verdient sie freilich diesen Namen nicht im vollen, nur im negativen Sinne der Untätigkeit und Vermeidung aller Wagnisse; denn zu einer richtigen kunktatorischen Kriegführung gehört es, dass man mit unerwarteten Wendungen und Märschen, die Mut und Gewandtheit erfordern, den Gegner herumzieht und ermüdet, ohne ihm jedoch Gelegenheit zum Schlagen zu geben. Dies hat der Kaiser im vollsten Masse getan; die Schmalkaldner haben sich rein passiv herumziehen lassen, aber auch mehrere Gelegenheiten zum Angriff versäumt, welche ihnen der Kaiser wider Willen, aus ungenügender Kenntnis ihrer Bewegungen bot. Ebenso unabsichtlich gewährten sie auch dem Kaiser solche Gelegenheiten trotz ihrer Vorsicht; aber er hielt auch dann, sogar gegen die Mehrheit seines Kriegsrates an seinem Grundsatz fest, eine Schlacht zu vermeiden. Dass er mit dieser Methode schliesslich einen unblutigen Sieg davon trug und das gegnerische Heer zur Auflösung und Verlassung der Donaugegenden brachte, wäre freilich

1) Brief Bernhards von Weimar in Oxenstiernas Brefvexling II, VII p. 10 f. vgl. Schweizer: Wallensteintrage p. 353.

2) Vgl. Jähns, Geschichte der Kriegswissenschaft I. 500.

aus der kunktatorischen Methode allein nicht erklärlich, die nur hinhaltend, nicht entscheidend wirken kann; dazu verhalf ihm die von ihm in Berechnung gezogene Uneinigkeit der Schmalkaldner und ihre strategische Unfähigkeit, deu Krieg einen anderen Charakter und eine blutige Entscheidung zu geben. Ist es doch schon an sich kaum denkbar, dass eine kunktatorische Kriegführung im richtig verstandenen. Interesse beider Parteien liegen kann; nur die eine wird dabei gewinnen1); die andere begeht damit, zumal wenn sie nicht gerade durch die überlegene Strategie des Gegners dazu gezwungen wird, einen grossen Fehler und arbeitet den Intentionen des Feindes in die Hände. Ein solcher Fehler wäre kaum denkbar, wenn sich zwei Feldherrn mit rein militärischer Stellung und Aufgabe gegenübergestanden hätten; er erklärt sich hier aus den kombinierten Allianzverhältnissen, aus dem Hineinspielen politischer und konfessioneller Fragen und aus der Ungleichheit der verfassungsmässigen, standesrechtlichen Stellung der Parteien, ja auch aus dem Gegensatz des konservativ legitimistischen Prinzips gegenüber den in allen Beziehungen noch unabgeklärten neuen Reformationsideen.

Religiöse und verfassungsmässige Bedenken.

Konfessionelle wie verfassungsmässige Bedenken veranlassten bei den protestantischen Ständen eine Unklarheit und Unentschiedenheit, die sie auch nach dem Entschluss zum Krieg nie ganz überwinden. konnten, und die ihr Vorgehen überall lähmten, während jene Bedenken sogar in ihren eigenen Augen dem kaiserlichen Gegner ein höheres Recht einräumten. Nicht nur veranlassten sie einige protestantische Fürsten. sich auf seine Seite zu stellen, sondern machten auch die Fürsten des schmalkaldischen Bundes in allen möglichen Rechts- und Erbfolgefragen, ja sogar in moralisch-religiösen, von der kaiserlichen. Entscheidung abhängig, den Landgrafen Philipp wegen seiner ärgerlichen Bigamie, die ihn zu beständigen, auch durch den Krieg nicht ganz unterbrochenen Verhandlungen mit dem Kaiser nötigte) und überhaupt sein Ansehen und seine Energie schwächte. Nicht minder waren die beiden sächsischen Linien und Kurbrandenburg vom Kaiser abhängig wegen der Rivalität um die geistlichen Fürstentümer Magde

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1) So sagt auch Clausewitz I 228, es können nicht Beide zugleich das Interesse des Abwartens haben, und aus gegenseitiger Verteidigungsabsicht kann kein Krieg entstehen; wenn er auch p. 230 die Möglichkeit zugibt, dass beide Teile zum Angriff zu schwach sind.

2) Ranke Deutsche Gesch. IV. 190, 209, 285.

burg und Halberstadt) wie auch Merseburg und Naumburg"); die beiden Wittelsbachischen Linien wegen der streitigen Pfalzgrafschaft Neuburg, welche der zum schmalkaldischen Bund gehörige Pfalzgraf Ott Heinrich 1544 wegen Schulden an die Landstände von Neuburg zur Verwaltung abgetreten hatte; diese gehörten trotz ihrer protestantischen Konfession nicht zum Bund, traten erst um den 20. August in denselben ein3) und nahmen dann schmalkaldische Besatzungen auf, während der Kaiser in geheimem Vertrag das Land dem Herzog von Baiern zu übertragen versprach.

Die kaiserliche Autorität wurde aber auch von den Reformationsideen selbst unterstützt. Luther hatte wenigstens in seinen früheren und bekanntesten Schriften staatsrechtlichen Inhalts den Kaiser immer als Nachfolger der römischen Imperatoren betrachtet und alle Stellen der Evangelien über Respektierung der Kaisergewalt und höchsten Obrigkeit ohne weiteres auf den römisch-deutschen Kaiser übertragen, jeden Widerstand der Fürsten gegen ihn als Aufruhr verworfen. Bei der Gründung des zunächst nur defensiv gemeinten Schmalkaldischen Bundes Ende 1530 wurde besonders eingehend über diese Frage beraten; auch hier hielt Luther noch gegenüber allfälligen Meinungen weltlicher Juristen wieder den Standpunkt fest, dass sich niemand gegen die kaiserliche Obrigkeit erheben dürfe, selbst wenn der Kaiser gegen Eid und Pflicht und wider Gott handle und jemand um des Evangeliums willen angreife, solange wenigstens die Kurfürsten und das Reich ihn nicht in verfassungsmässiger Weise absetzen1).

Doch hat Luther gleich im folgenden Jahr wohl nach mündlicher Besprechung mit Juristen und Staatsmännern die Möglichkeit einer entgegengesetzten Lösung angedeutet: das Evangelium lehre nicht. wider die weltlichen Rechte; wenn die Juristen finden, man dürfe in solchen Fällen der Obrigkeit widerstehen, so könne er es mit der Schrift nicht anfechten; er habe nicht gewusst, dass solches der Obrigkeit Rechte selbst an die Hand geben; er rate nur als Theologe und gestatte den Juristen, ihre Gesetze anzuwenden5). Noch bestimmter erklärten die Theologen in einem Gutachten von 1532 in entschieden partikularistischem Sinne, jeder Fürst dürfe sich gegen den Kaiser vermöge seiner natürlichen und weltlichen Regiment und Ordnungen ver

1) Brandenburg, Herzog Moritz p. 225 u. 259, 383 u. 406.

2) Ranke IV p. 196 u. 305.

3) Herberger 145.

+) Hortleder II. p. 5.

5) Zuerst in einem Privatbrief, vgl. Ranke III 226, dann in einem Gutachten bei Hortleder II 82.

Mitteilungen XXIX.

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