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niederlassung von den Leuten Messikommer's nach Alterthümern gegraben wurde. Diese Fundschicht lieferte unter unseren Augen binnen Kurzem interessante Knochenstückchen und Industrieprodukte, sie gewährte uns auch den Anblick ganzer Pfahlreihen. Aus einigen anderen lachenähnlichen Stellen holte unser antiquarischer Freund Gerstenkörnchen, Apfelund Johannisbeerkerne u. s. w. mit der Grundschaufel heraus. In seinem gastlichen Hause zeigte er uns seine unerschöpflichen Knochenvorräthe, darunter erst vor Kurzem aufgefundene Schädelstücke mit Hornzapfen vom Wisent und der Torfkuh, einen schön erhaltenen Unterkiefer vom Torfschwein u. s. w., ferner eine unendliche Fülle von Produkten des Pflanzenreiches, von Stein- und Knochengeräthen, die sehr instructiven Modelle eines Pfahlbauhauses, diejenigen von Stein-A exten, Karsten u. s. w. Aus seiner reichen Erfahrung theilte er uns dann noch so Mancherlei mit über die Reste jener verschwundenen Welt, er zog interressante Parallelen zwischen dem Damals und Jetzt seiner herrlichen Heimath.

Als man sich vor Jahren über den Zweck dieser merkwürdigen Niederlassungen klar zu werden versuchte, geriethen bereits damals belesene Leute auf ähnliche, noch gegenwärtig existirende Construction en. Man erinnerte sich der charakteristischen Beschreibungen, der schönen Abbildungen, welche ein Duperrey *), ein Freycinet**), vor Allen aber der energische und gelehrte Dumont d'Urville***) über das an der Nordostspitze von Neu-Guinea befindliche Papua-Pfahldorf Doreï (0° 51′ 43′′ S. Br. und 103° 39′ 30′′ O. L. nach d'Urville) gegeben. „Die Bewohner von Doreï sind", wie d'Urville erzählt, „in vier am Wasserrande gelegenen Dörfern vertheilt; zwei davon befinden sich auf dem Nordufer des Hafens, die beiden anderen dagegen auf den Inseln Mana-Suari und Masmapi. Jedes Dorf begreift 8-15 auf Pfählen errichtete Häuser in sich. Nun besteht ein jedes der Häuser aus einer Reihe von Zellen, es nimmt mehrere Familien in sich auf. Einige Häuser enthalten eine Doppelreihe von Zellen, die durch einen der ganzen Länge nach laufenden Gang in zwei Reihen geschieden werden. Diese völlig aus roh zugerichtetem Holze erbauten Häuser lassen überall das Tageslicht hindurch und schwanken unter den Tritten des Besuchenden." A. R. Wallace, ein neuerer Bereiser des Landes der Paradiesvögel, schreibt über obigen Gegenstand: „Die Häuser der Dörfer Mansinam und Dorei stehen alle vollständig im Wasser und man gelangt auf langen, rohen Brücken zu ihnen. Sie sind sehr niedrig und besitzen ein Dach, das wie ein grosses,

*) Voyage autour du Monde sur la corvette de S. M. la Coquille. Par. 1828 et ann. suiv. Hist. du voyage, Atlas.

**) Voyage autour du Monde sur les corvettes l'Uranie et la Physicienne etc. Paris 1824 -1844. Atlas histor. pl. 48.

***) Voyage de la corvette l'Astrolabe. Histoire du voyage. T. IV. Paris 1842. p. 607.

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mit dem Boden nach oben gerichtetes Boot geformt ist. Die Pfähle, welche die Häuser, die Brücken und Plattformen tragen, sind kleine, krumme, unregelmässig aufgestellte Stöcke, die aussehen, als ob sie umfallen wollten. Die Fussböden sind auch aus Stöcken gemacht, eben so unregelmässig, und so lose und weit auseinander liegend, dass ich es für unmöglich fand, auf ihnen zu gehen. Die Wände bestehen aus Stücken Bretter von alten Böten, aus verfaulten Matten, Attap und Palmblättern, die auf alle mögliche Weise hier und da hineingesteckt sind, und sie haben alle ein so zerlumptes und zerfallenes Aussehen, wie man es sich nur denken kann." „Die Ansicht eines Pfahlbaudorfes, welche auf dem Titelbilde von Sir Charles Lyell's Antiquity of Man gegeben ist, gründet sich hauptsächlich auf eine Skizze eben dieses Dorfes Doreï, aber die ausserordentliche Regelmässigkeit der Baulichkeiten, wie sie dort zu sehen, findet im Original nicht statt, ebensowenig wie es wahrscheinlich ist, dass sie in den wirklichen Pfahldörfern vorhanden war.*)" Diese Erscheinung steht auf der östlichen Hemisphäre übrigens keineswegs vereinzelt da und findet ihre Analogien auch auf der westlichen. Reduth-Kaleh am Chopi und Nowo-Tscherkask im Lande der Don'schen Kosacken sollen z. Th. aus auf Holzklötzen ruhenden Bretterhütten bestehen.**) Manche Hütten zu Bankok, Siam, ruhen über dem Menam auf Pfählen, andere der Tagalen ebenso über den Flüssen Manila's, sowie die der See-Dajaks auf Borneo u. s. w. Bruni, Hauptort des sogenannten Sultan von Borneo, ist eine echte Pfahlbaustadt im Wasser (Illustrated London News vom Jahre 1847, Low: Sarawak its inhabitants and productions. London 1848). Viele Sumatresen und Javanesen errichten ihre Kampongs oder Dörfer theils in festem, theils in schlammigem Boden, auf Pfählen. Stets verfahren also die Nikobaren, von deren Pfahlhütten man in der Illustrirten Zeitung vom Jahre 1850 gute Abbildungen sieht. In A. Joanne's Voyage aux cinq parties du Monde, Paris 1851, finde ich S. 135 die Darstellung eines auf Pfählen über den Bosporuswassern ruhenden türkischen Cafés nach A. Bida, S. 140 die Darstellung mehrerer solcher Wasser-Pfahlbauten zu Samsun nach A. de Beaumont. Ich selbst habe Hütten der Gebelauis im Fasoglo auf Steinen und kurzen Pfählen über dem Boden erbaut gesehen. Livingstone fand beim Herabfahren des Schire im Papyrusdickicht um den kleinen See Pamalombe herum auf den Papyrusstengeln errichtete Hüttchen solcher Manganja, welche sich vor ihren Todfeinden, den Ajawa, hierher geflüchtet.***) Temporäre über dem Wasser errichtete Fischerhütten sah ich 1857 im Gardasee von Peschiera bis gegen Desenzano; stationärer derartiger Pfahlhüttten bedienen sich

*) Der malayische Archipel. Autor. deutsche Ausg. von A. B. Meyer. Braunschweig 1869. II, S. 282 ff.

**) M. Wagner, Reise nach Kolchis und nach den deutschen Colonien jenseit des Kaukasus. Leipzig 1850. S. 204.

***) Neue Missionsreisen in Südafrika. Autor. deutsche Ausgabe. Jena und Leipzig 1866. II, S. 91.

auch die Donaufischer abwärts von Ibraila. In Congo errichteten noch in unseren Zeiten zu Ambriz und an anderen Orten europäische Comptoiristen sowohl, wie auch Landeseingeborene hölzerne Pfahlhäuser, sogenannte Quibangas, um in ihnen dem tödtlichen Hauche des feuchten Bodens leichter entgehen zu können. Sir Robert Schomburgk theilte mir im Jahre 1864 mit, dass die Guaraunos oder Warrau's, sowie die Cariben in Guyana oft genug Pfahlhütten im Wasser und im Schlamme erbaueten.*)

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Auch aus der früheren Geschichte haben wir Nachrichten von Pfahlbauten. Bereits im Jahrgang 1869, Heft I. S. 94 dieser Zeitschrift habe ich die von Dümichen aus dem XVII. Jahrhundert v. Chr. dargestellten Pfahlhütten am rothen Meere erwähnt. Schon Hippocrates weiss von derartigen Gebäuden am Phasis."**) Eine von Herodot gegebene Nachricht beschreibt genau paeonische Pfahlbauten im See Prasias (Sidero-Kapsas), welchen der zum Gebiete des aegeischen Meeres gehörende Strymon (Kara-Ssu) (V, 16) durchfliesst. Diese merkwürdige Stelle ist schon von Virchow ***), Pallmann†) und Rückerttt) so ausführlich citirt worden, dass ich hier wohl darüber hinweggehen darf. Einen dacischen Pfahlbau, welcher unter römischer Brandfackel in Flammen aufgeht, zeichnen uns die Reliefs der Trajanssäule. †††) Abul-Feda erwähnt christlicher, auf Pfählen in einer Abtheilung des ApameaSees um 1328 erbaueter Fischerhütten. Der grossartigste Pfahlbau des Mittelalters und der Neuzeit wird aber stets la bella Venezia" mit ihren Lagunendependenzen bleiben. Mögen auch die Subconstructionen der grossen Lagunenstadt ihr Eigenthümliches haben, ihrer Entstehung nach gehören sie dennoch zur Kategorie der uns interessirenden Bauten. Man giebt an, dass die zur Zeit des Verfalles des weströmischen Reiches sich mehrenden Einbrüche nordischer Barbaren venetische Einwohner veranlasst hätten, auf dem Rialto (Riv' alto) und anderen öden Alluvionen der Lagunen ihre Niederlassungen zu errichten, denen sie, um trockenen Fusses leben zu können, Subconstructionen von Pfählen gaben. Daraus ist die meergebietende Dogenstadt entstanden. *) Als Vespucci und Hojeda die Laguna de Maracaybo in Augenschein nahmen, fanden sie hier indianische, im „Fango“ der niederen Küsten erbauete Hütten, durch welche sie lebhaft an die Lagunenhäuser der adriatischen Meereskönigin erinnert wurden. Sie nannten deshalb

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*) Vergl. auch Gumilla: Historia natural, civil y geografia de las naciones situadas en las riveras del Rio Orenoco. Nueva Impresion 1790, p. 143 -- 163,

**) Op. omn. Edit. Kühn. I, p. 551.

***) Die Hühnengräber und Pfahlbauten. Berlin 1866. S. 29. †) Die Pfahlbauten und ihre Bewohner. Berlin 1866. S. 52.

††) Die Pfahlbauten und Völkerschichten Osteuropas, insbesondere der Donaufürstenthümer. Würzburg 1869. S. 12.

ttt) Ausland 1867. S. 646.

*+) Vgl. Daru, Histoire de la république de Venise. Stuttgart 1828. I. Im Arsenale zu Venedig sieht man sehr interessante Modelle venetianischer Häuser mit ihren Pfahlunterbauen.

diese Gegend der See den Golfo de Venecia"); später wurde der ganze von der Mündung des Cuynni bis zu den Quellen des Tachira sich ausdehnende Landstrich Venezuela, Klein - Venedig, benannt. Letzteren Namen hat bekanntlich die eine der colombischen Republiken, das Geburtsland eines Bolívar, Páez und Tobár, aus Pietät beibehalten.

Wollen wir uns nun über den eigentlichen Zweck dieser Pfahlbauniederlassungen Klarheit verschaffen, so müssen wir unter den letzteren solche unterscheiden, welche als zeitliche Fischerwohnungen zur bequemeren Ausübung des Fischereibetriebes dienen; solche Pfahlhütten (s. oben) entstehen ja auch hier und da, u. A. selbst in den Stockfischetablissements von Neufundland. Sie sind häufigerem Wechsel des Standortes unterworfen; sie haben selten etwas Bleibendes. Desor erwähnt, die Indianer Venezuela's hätten ihre Wohnungen deshalb über Wasser erbaut, „pour se mettre à l'abri des mouches".**) Allein die Mosquitos sind gerade an den niederen Küsten der Tropen sehr lästig, sie sind, wie mir Augenzeugen versichert haben, vorzugsweise lästig an den z. Th. mit Rhizophoren bewachsenen Strichen bei Maracaybo und Puerto Cabello. Die Schwarzen der Sümpfe des weissen Nil, die furchtbar von den Mücken zu leiden haben, errichten in der schlimmsten Zeit für sich und ihre Hunde hohe Gerüste, um Feuer darunter anzumachen und sich oben auf, vom Rauche halb erstickt, eine zweifelhafte Nachtruhe zu sichern. Sie meiden aber zu diesem Zwecke eine allzu grosse Nähe des Wassers. Es werden daher auch die venezuelanischen Eingebornen unzweifelhaft andere Gründe zur Errichtung ihrer Pfahlbauten gehabt haben, als die vermeintliche Abwehr von Mosquitos.

Manche der Pfahlbauten mögen nur gewissen Launen und individuellen Wünschen ihrer Besitzer gedient haben, z. B. um sich die Kühle des Wassers zu verschaffen, so am Bosporus u. s. w. Andere sollten und sollen noch jetzt Schutz gegen verderbenbringende Exhalationen eines feuchten Bodens gewähren, so an manchen Oertlichkeiten Wasserindiens, Afrikas. Von solchen Bauten sind aber jene stabileren zu unterscheiden, die der Vertheidigung gegen Angriffe von Aussen gegolten. Diesem zuletzt aufgeführten Zwecke zu Liebe sind unstreitig die meisten älteren Pfahlbauten errichtet worden. Man hat nun mehrfach behauptet, sie seien (wenigstens in Europa) angelegt worden, um ihren Bewohnern Schutz gegen Raubthiere zu verschaffen. M. Wagner hat aber diese Auffassungsweise dahin abgefertigt, dass die hervorragendsten, angeblich so grimmigen Fleischfresser der älteren Pfahlbau periode, Bär und Wolf, überhaupt nicht aggressiv genug seien, um so ganz ungewöhnliche Schutzmaassregeln von Seiten der pfahlbauenden Altvordern, wie Errichtung volkreicher

*) M. F. de Navarrete: Colleccion de los viages y descubrimientos de los Españoles. Vol. III, p. 8.

**) Les palafittes ou constructions lacustres du lac de Neuchatel, Paris 1865. p. 8.

Niederlassungen über Wasser, zu rechtfertigen. Ich meinestheils vermag mich derartigen Anschauungen des geehrten münchener Forschers nur anzuschliessen. Wagner hat seine Auslassungen durch Anführung etlicher Anekdoten über die Sitten der Bären und Wölfe unseres Continentes zu erhärten gesucht. Auch ich könnte darüber aus eigenen und fremden Erfahrungen noch Manches hinzuzufügen, begebe mich aber hier aus räumlichen Gründen eines Weiteren. Ich kann zum Schlusse nur die Ueberzeugung aussprechen, dass Bär, Wolf und selbst Löwe, Leopard, im Allgemeinen menschliche Wohnstätten, vom einfachsten Mattenzelt des Beduinen, von der Bienenkorbhütte des Buschmann, von der Eisblockbaracke des Esquimeau bis zum Blockhause des Backwoodsman, dem Lehmpalaste des nubischen Grossen, dem steinernen Adelssitze des sarmatischen Starosten, mit ihren räuberischen Besuchen verschonen.

R. Pallmann hat nun den Versuch gemacht, die Pfahlbauten unserer europäischen Gegenden für Handelsstationen und Handwerkerdepôts italisch-etruskischer, massaliotischer, gallischer und vielleicht auch phönizisch-karthagischer Kaufleute (!) zu erklären.*) Diese Krämer aus aller Herren Ländern möchten nach unseres Schriftstellers Ansicht die Pfahlbauten der Schweiz bewohnt und die Zeiten der Musse, während welcher sie auf ihre Seewohnungen gefesselt waren, zu fleissiger Arbeit (d. h. Verfertigung von Stein- und Bronzegeräthen, Waffen u. s. w.) verwandt haben, wie wir dies noch jetzt in den Abfällen vor uns sähen. Ihre besondere, Wichtigkeit haben die Pfahlbauten einestheils dadurch, dass sie das oft erwähnte Stein-, Bronze- und Eisensystem endgültig über den Haufen werfen" u. s. w.**) „Es haben danach die europäischen Pfahlbauten im Bereiche der adriatischen und westlichen Handslsstrasse nach dem Norden, neben dem Zweeke grösserer Sicherheit für Menschen und Eigenthum, der schliesslich ja allen Pfahlbauten und allen Gebäudearten eigen ist, vorwiegend einen bedeutsamen handelspolitischen und culturhistorischen Hintergrund und wie ein Blitz zerreisst ihre Aufhellung das Dunkel über einer schon vermutheten, bisher aber nicht nachweisbaren Landhandelsstrasse nach dem Bernsteinlande. Ihr Verständniss gewährt ferner einen Einblick in die Maschinerie des alten Landhandels in Barbarenländern, zeigt uns wichtige Knotenpunkte in demselben und deckt die nachweisbar ältesten Werkstätten reisender Kaufleute und fahrender Handwerker aus langer Verborgenheit auf." ***) Eine solche Deutung des angeblichen Zweckes unserer älteren Pfahlbauten ist von M. Wagner in kurzer und, wie uns dünkt, auch sehr zutreffender Weise, perhorrescirt worden. Dieser sagt: „Einige der neuesten Hypothesen, darunter die, welche in jenen Seedörfern

*) A. o. a. O. S. 108, 109.

**) A. o. a. O. S. 174.

***) A. o. a. O. S. 182, 183.

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